Und so kriecht der Konsum ineinander. Beim Lesen erklingt fortwährend die Stimme von Armin Mueller-Stahl im Kopf. Das hat Herr Mann nicht verschuldet und Herr Mueller-Stahl auch nicht. Eigentümlich. Dabei wurde das öffentlich-rechtliche biopic (muahahaha) gar nicht zur Gänze konsumiert.
Zur Sache. Hier handelt es sich um eine Novelle, und Novellen sind im Deutschunterricht (eine unleidige Pflichtvokabel beim Namen "Mann") beliebt weil kurz. Soweit so gut. Inhaltlich baut der Text vortrefflich auf Oberstufen-Geisteswissenschaft auf: der apollinisch-kühl-zivilisierte Schriftsteller Aschenbach sieht in Venedig einen Knaben, der ihn verzücken lässt. Na gut. Venedig ist allerdings ein finsterer Ort und spätestens als die verlotterten Musikanten aufspielen ist der dionysisch-verdorbene Unterton offenkundig. So wie die Stadt einer seltsamen Krankheit und einem Fieber erliegt, so geht auch der Schriftsteller an diesem Ort zu Grunde. Der Knabe bleibt blosses Objekt der Betrachtung. Die unmoralische Hinwendung des alten Mannes zum Knaben manifestiert sich in der triefschwülen Krankheit, die die Stadt schüttelt.
Noch ein Wort zur Zeit damals, und das hat schon bei den Buddenbrooks und vor allem dem Zauberberg verwundert: wieviel Urlaub konnte man damals eigentlich machen? Hatten die Herrschaften wirklich nichts weiter zu tun, als wochenlang in Cafés rumzulümmeln? Wie kann man denn VIER wochen urlauben? Das wird beschrieben wie ein nicht enden wollender Sonntagnachmittag. Da muss etwas schiefgehen, weil eben nichts "geht" ausser dem schwülen (ha!) Wind (hier der "Scirocco"). Stillstand ist der Tod. Vielleicht wusste Herr Mann das besonders gut.
Die sprachliche Einmaligkeit versteht sich. Es ist ein wundersamer Ton, den Herr Mann da anschlägt, sowohl präzise als auch spielerisch. Er hat es nicht verdient, nur mit TV-Produktionen und Deutschstunden assoziiert zu werden.
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