10/19/2007

I Am Legend, Richard Matheson

Aufgrund der geringen Textlänge wurde eine kurze Salve Splatter erwartet, doch weit gefehlt. Ganz weit gefehlt sogar – I Am Legend ist eines dieser Bücher, dass die derzeitige Erzählmode als antiquiert und wenig innovativ entlarvt. Es erschien in den 1950ern und enthält doch alles, was folgende Vampirgenerationen zwischen Blade und Buffy so rigoros melken und variieren. Charlie Huston hätte ohne Richard Matheson wahrscheinlich auch nicht den Noir-Pulp-Vampirismus schustern können.

Die Metaphorik ist genauso brutal wie der reine Inhalt. Eine Seuche ist in den 70ern über die Welt gekommen: Robert ist der letzte Mensch und nachts scharren die vampifizierten Nachbarn an seinem Haus. Tagsüber schlafen sie und er hastet mit geschnitzten Pflöcken von Haus zu Haus und in die leere Stadt hinein. Erst läuft ihm ein Hund zu, dann eine Frau.

Dieses Werk ist ein gemeinsamer Vorfahr von Zombies und Vampiren in der Unterhaltungsliteratur, sollte man denn dem Genre eine zweidimensionale Genealogie unterstellen wollen. Mit Erstaunen folgt man Robert durch seine wissenschaftlichen Analysen des Vampirbazillus. Fachbücher und Mikroskope werden genutzt, um die dunkle neue Welt zu verstehen. Eine alternative Geschichtsschreibung (war die Pest des Mittelalters nicht vielleicht doch ein Virus des grossen V?) vernichtet die einst heile Vergangenheit.

Das ganze wurde laut Klappentext einst mit Charlton Heston verfilmt, der für Orson ja einst den Mexikaner machte, den Herrn in der Wüste sah und den Planet der Affen bereiste. Gerüchten zufolge ist eine Neuauflage mit Will Smith in Bearbeitung. Das klingt erstmal ziemlich vielversprechend, da I, Robot ein wirklich guter Film war. Der Aspekt der Hautfarbe erhält dadurch, wenn man denn will, noch mehr Gewicht. Vampire sind ja immer so blass.

Freilich ist das alles Unfug – doch niemand kann den Nutzen und den Fluch von Gucklöchern leugnen, die man in sorgsam geschmiedete Türen eingefügt. Cocooning ist ein Produkt des zwanzigsten Jahrhunderts. Das Heim ist die Burg und das Gefängnis und auch die Folterkammer. Musik kommt von Platte und das Steak aus dem Gefrierfach. Und vielleicht fühlt es sich gut an dem schlurfenden Nachbarn, der eh immer nervte, endlich mal einen 9-Zoll-Pflock in den Leib zu rammen.

Horror beginnt immer mit „I“ und Matheson hat das meisterlich verstanden.

10/17/2007

Poppy Shakespeare, Clare Allan

N hat ein breites Kreuz. Sie ist verrückt und verbringt somit ihre Zeit in einer entsprechenden Institution, damit sie nicht sich selbst und andere gefährdet. Als Poppy ankommt, führt N sie herum - sie ermöglicht der Neuen den Einstieg ins Verrückt-Sein. Allerdings stellt Poppys blosse Anwesenheit den Alltagstrott in Frage denn sie hält sich seltsamerweise für geistig gesund. Und N? Ist sie N-ormal oder doch N-uts?

Der Wahnsinn umtost die Logik und sorgt für ein eindringliches Lektüre-Erlebnis. Clare Allan hat sich sowohl Catch 22 als auch das Kuckucksnest genau angeschaut. So ist es schon auf dem Buchdeckel vermerkt doch sie erweitert den Themenkreis in einigen Punkten. Der Humor ist entwaffnend und Ns Version der englischen Sprache lässt die Ohren erröten und klingeln. Die Charaktere in und ausserhalb der Klapse sind Schemen und Schelme doch niemals blosse Karikaturen. Ein grosser Plot-Haken zieht sich freilich auch durch die Geschichte und spätestens auf den letzten Seiten zweifelt der Leser an den Geisteszuständen von sich selbst oder den Protagonisten. Das gehört ja dazu.

Nur Wahnsinnige halten sich für gesund, hu?