9/13/2007

28 Weeks Later, Juan Carlos Fresnadillo

Allerhand, wieviel man über Zombies im Allgemeinen herumposaunen könnte. Sie sind wohl die plumpeste Metapher für kulturpolitische Untergangszenarien und auch das wohl stinkendste Symbol für die Hierarchien unter den Unterhaltungsprodukten. Sie sind noch klumpiger als Frankenstein oder der Werwolf oder Vampirmutanten denn vor allem gibt es sie nur in der Masse. Verblüffenderweise ist dies nunmal das Zeitalter der selbigen im Einzelnen und Allgemeinen.

Freilich sind Zombies gröbster Unfug. In einem Geschichtenkontext entwickeln sie aber herrlich viel Tiefe und ihre Symbolkraft ist ebenso obszön offensichtlich wie ihre verfaulende Natur. Somit verdeutlichen Zombies ironischerweise auf ihre untote Art die Definition von Simulakren im Allgemeinen: es sind Kopien ohne Original, ihr Referenzpunkt in der sogenannten wirklichen Welt existiert letztlich nicht. Zombies sind die Buhmänner am Ende des Spektrums.

Darauf baut 28 Weeks aber nur bedingt auf. Hier gibt es keinen Nekromanten, der Menschenkörper umherstolpern lässt. Vielmehr ist es eine herrlisch schnell sichtbare zombifizierende Krankheit, die den Tod auf Latschen verursacht: ein Biss, ein Ächz, ein Sabbern und ab geht der Postbote. Und wie er abgeht! Schon beim Vorgänger (Zeit für einen erneuten Konsum eigentlich) waren die Antagonisten so furchtbar schnell und laut und die Wackelkamera tat ihr übriges. Thematisch geht es also wieder um Krankheit, Inkubation, Ausbruch und Eindämmung. Totale Bedrohungen werden mit totalen Vernichtungen beantwortet.

Als Infizierter ist man über alle Einsamkeit erhaben: Hunger, Angst, Zorn sind grosse Verknüpfer. Der geifernden Horde kann man all das zurechnen. Wenn alle anderen ausser mir Hunger haben, ist Demokratie echt beknackt.

28 Weeks macht aber auch einfach Spass, freilich auf eine schmutzige Art und sicherlich nicht geschlechtsunspezifische Weise. Die Bilder sind erwartungsgemäss vulgär-poetisch: da gibt es denn nachtschwarzen U-Bahn-Schacht, in dem sich vor dem Nachtsichtgerät die Körper türmen. Dann London in Flammen. Ein Rotor hackt sich durch die Meute. Dann auch noch Dad, wie er Mom wehtut. Das Budget des Films hat nichts mehr mit Romeros Zeiten zu tun und das sieht man sogar.

Der Zombiefilm ist nicht salonfähig und das ist ein Grund zur Freude. Es widerspricht dem Genre, in Aufsätzen und Essays verehrt oder auch nur erläutert zu werden, denn um Reflektion geht es dabei eben genau nicht. Zombies stemmen sich mit aller Macht gegen die Lebenden, so oder so. 28 Weeks und auch sein Vorgänger stellen wortlos die Frage, was passiert, wenn nicht mehr verhandelt wird, und wenn die Massen zur Bedrohung werden und somit eine Situation jenseits aller Kommunikationsoptionen eintritt.

Das gruseligste am ganzen Film ist, dass man die Bilder irgendwoher schon kennt, sie aber noch nie in einem Plot zusammengefügt erlebt hat.

9/12/2007

Der Magier, William Somerset Maugham

Maugham hat viel geschrieben, und auch für Geld. Vor hundert Jahren den Magier - und das kein Jahrzehnt zu spät. Das Textlein steht zwischen zwei Polen: zum einen dem Gesellschaftsroman (gehobenes Bürgertum trinkt Tee und diniert in Paris) und Schauerromanze. Schwergewichtiger Antagonist ist ein gewisser Haddo, der wiederum einem gewissen Crowley nachempfunden sein soll. Letzterer hat Maugham das auch angekreidet. Crowley ist der wohl berühmteste Promi-Satanist des letzten Jahrhunderts gewesen und Haddo verhext dem Protagonisten des Romans auch fix die Braut.

Achja, der Teufel, die alte Keule. Um so einen wie Crowley kann man natürlich fix ein Geschichtchen stricken, schliesslich kann er leicht in eine humanoide Lovecraft-Kreatur stilisiert werden. Mit dem 19. Jahrhundert starb doch eigentlich auch die Gruselnovelle. Aber Satan blieb - wahrscheinlich um das sterbende Pferd des strengen Christentums noch einmal tüchtig zu treten. Oder es geht wie immer nur um Sex - wie frei darf man denn nun sein, wo fängt das Perverse an? Und wieviel Teufelei steckt eigentlich im Frauenwahlrecht?

Der Magier ist ein dickes U und keine Seite zu lang. Das Vorwort ist recht interessant, denn da notierte ein älterer Maugham seine Meinung zu dem frühen Werk.

9/10/2007

Als wir träumten, Clemens Meyer

Der Titel macht mehrfach Sinn, doch nicht ganz. Es ist eine Sammlung von Erinnerungen - grobe Stücke, aneinandergereiht durch eine bemerkenswerte raufeine Sprache.

Achje, Leipzig: die Vergangenheit ist herb und hart. Jungs und Hunde werden verprügelt, es wird gesoffen und gequarzt und gelitten und gebissen. Im Zuge der Auflösung ostdeutscher Fussballclubs bleiben die Fans auf der Strecke, die sonst eh nichts hatten. Oder sie verlaufen sich in den Mob der gegnerischen Fans, Aggro-Glatzen aus Berlin. Prost. Einer der Höhepunkte ist die Prügelei im Swinger-Club am Ende. So manche Passage ist so lustig, dass man sich schämt. Irvine Welsh scheint nah zu sein, doch das hier ist nicht Schottland - das ist Sachsen.

Die Abwesenheit von Träumen ist wohl das beachtlichste am Text. Jugendzeit ist Wendezeit und Aufbruch hat diese seltsame Nation kurzzeitig ziemlich geschüttelt. Träume wurden wahr und neue entstanden - geographische und auch temporale Navigation wurde möglich und wichtig. "Als wir träumten" ist traumfrei: es gibt keinen Punkt am Horizont, an den die Protagonisten sich wünschen. Es werden keine Ziele ausgemacht, um dem finsteren Leipzig zu entkommen. 'Home' und 'heart', jaja, weiss man doch.

Wagen wir mal den sozialhistorischen Kommentar: Jungs wie Daniel und seine Kollegen scheint es viele zu geben. Ihre Existenz erklärt den Narbendrang einer entwurzelten (männlichen Jugend): Rammsteins Erfolg, der Maske-Rocky-Hype (danke, RTL), Nazi-Trolle und vieles mehr könnten so erklärt werden. Muss es aber nicht, und Meyer versucht es auch gar nicht. Er erinnert sich und man darf teilhaben. Gut so.