11/19/2008

Waltz with Bashir, Ari Folman

Dass sich graphic novels so langsam ins Literaturregal geschlichen haben, dürfte bekannt sein. Und auch im Kino geht man mittlerweile mit zweidimensionaler Ernsthaftigkeit an die Beschreibung der Welt.

Ein zentrales Thema ist die Erinnerung als dynamisches Gebilde. Da gibt es das Ereignis, den Krieg im Libanon, und da gibt es den Protagonisten, der sich mithilfe einiger Freunde an dieses Kapitel seines Lebens erinnern möchte. Die Zeichentrickoptik überzeugt hierbei: in groben Kontrasten und stimmigen Farben werden die Ereignisse dargestellt. Das Erinnern ist das Zeichnen, manche Schemen und Bildwiederholungen bilden das "innere" Bild, das jenseits von Ort und Zeit existieren kann.

Aber warum gefällt WwB trotzdem nicht so ganz? Die Filmmusik ist eher mäßig passend. Aber hauptsächlich bekommt das Werk keinen goldenen Spaten wegen des Endes. Der Schwenk zu den bekannten Fernsehbildern ist keine gelungene Pointe: weinende Kopftuchfrauen und Kinderleichen in Trümmern sind doch bekannt. Dieses Gesicht des monströsen Konfliktes im Nahen Osten bringt keinen weiter. Und es würdigt die vorangegangene Zeichentrickdarstellung herab. Es könnte meinen wollen, dass man sich nun der Vergangenheit in Technicolor (c) komplett bewusst wird. Wo doch alle wissen, dass Glotzen lügen! Die Frage, ob und wie das Werk vor Ort verstanden bzw. aufgenommen werden kann, muss im Konsumgraben freilich unbeantwortet bleiben.

11/18/2008

The Savage God, Al Alvarez

Alvarez schrieb diesen kompakten Text über die Kulturgeschichte des Suizids Anfang der 1970er. Ausgangspunkt war der Tod einer befreundeten Dichterin, niemand geringerem als Sylvia Plath (Kopf in den Gasofen, zwei Kinder, davor Lyrik wie Glassplitter unter den Fingernägeln).

Die Sachbuchebene bedient Alvarez angesichts des überschaubaren Umfangs des Buches ganz wunderbar. Die Reise geht von der von nüchterner Konsequenz bestimmten Antike zur sündigen Selbstötung im Mittelalter. Weiter geht es über Kaffeehaus-Duelle und Werther-Kult hin zum Dada. Anhand einiger Textbeispiele breitet Alvarez seine Analysen aus, ohne dabei ins (natur-) wissenschaftliche Faktenschwingen abzudriften.

Das Buch ist höchst subjektiv und so beginnt Alvarez nicht nur mit persönlicher Trauer sondern endet auch mit einer Beschreibung seines eigenen Selbstmordversuchs. Das grausamste dabei scheint das Fehlen jedweder eindeutiger Epiphanie zu sein - er überlebte, nicht mehr und nicht weniger. Wenn der Magen ausgepumpt ist, wird der Kopf nicht zwangsläufig mit Neuem gefüllt. The Savage God ist ein kleines Buch aber gerade durch seine Bescheidenheit ermöglicht Alvarez eine interessante und ernsthafte Lektüre.

11/17/2008

Ring, Gore Verbinski

Dieser Film ist der Kino-Angstgegner. Der Erstkonsum vor einigen Jahren war überraschenderweise eine zermürbende Erfahrung, ein Ereignis der wundersamen Totalvergruselung. Ähnlich war das nur beim Exorzisten I, V2.0. Das Kino wurde gepriesen, der Masochismus wurde als Teil des Konsumvergnügens begriffen. Tolle Sache, das. Dann wurde auch die japanische Ring-Trilogie gelesen, die auch schauderhaft war, aber anders (vor allem äußert heterogen).

Jetzt, wo man eine Stopptaste und Sofakissen in der Nähe hat und das ganze Werk inklusive seiner Pointen bereits kennt, will sich der Supergrusel nicht recht einstellen. Aber sei's drum: Frau Watts bleibt wundervoll und die graublaukalte Optik benebelt wieder. Die zu erzählende Geschichte (genreüblich sexuell erzählt: Reiz hier, Reiz da, Enthüllung, Penetration, Ekstase, Abspann, Kippen holen) ist nunmal finsterschön. Gespenster und Gewalt gegen Kinder wurden selten so stimmig inszeniert. Die japanische Verfilmung harrt noch ihrer Beschauung, vielleicht ist die arg anders.