8/05/2010

Beat the Reaper, Josh Bazell

Die Geschichte der Gewalt gegen Obdachlose ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Obgleich BTR damit beginnt, ist die Handlung sehr fix erzählt: Ex-Mafia-Scherge lebt im Zeugenschutzprogramm in der Fremde und wird auf einmal mit seiner finsteren Vergangenheit konfrontiert. In dieser Vergangenheit ging es um Schuld, Sühne, KZs, Haifischbecken, Knochenbrüche, Ladehemmung und plastische Chirurgie. Die Vergangenheit wird in gleichem Maße spannend erzählt wie sich die Gegenwart in eine unangenehme Menschenjagd verwandelt.

Und kurzweilig ist das Ding wie selten: jawohl, es ist Dr. House vs. Sopranos, da hat die Buchrückseite recht. Herrliche Abfahrten in den Splatter werden auch genommen, wenn der Protagonist (in dem sich vielleicht James Ellroy und Frank Miller spiegeln) einen Messerkampf mit dem Skalpell der Natur fechtet (der menschliche Körper hat zwei davon, sagt er).

Diese wenigen Filmsekunden sind recht treffend:



Hier steht es im Regal: [LINK].

8/04/2010

Inception, Christopher Nolan

Huch! Nolan hat sich mit Inception vom übergroßen Welterfolg von The Dark Knight (was ja für sich genommen eine erfreuliche Sache ist) freigeschwommen: er kann einen Oberliga-Thriller schaffen, der auch noch Elemente der Phantastik beinhaltet, ohne in schöne oder unschöne Klischees abzudriften. Inception ist näher an Memento dran und fragt, wie denn der suchende menschliche Geist Raum und Zeit verstehen und/oder sogar kontrollieren kann.

Im Konsumgraben standen die Vorzeichen für Inception eigentlich weniger gut. Mit Sleepless wurde das Thema Traumschlafterror schon (super) bearbeitet. DiCaprio hat kürzlich einen Kopf|Gefängnis|Mentalorientierungs-Film gemacht. Der verdammte Stern fand Inception super, was ja meistens verdächtig ist.

Vielleicht ist es die Humorlosigkeit, die das Ding so schön machen. Hier gibt es keine Rollen, die als Clowns für den comic relief sorgen... und in Ekelwelten muss auch nicht abgebogen werden, um Spannung/Affekte zu erzeugen: nein, die feiste Geschichte schafft das selbst schon. Ist das Realismus? Neo-Realismus? Nouvelle Vague? Die Erhabenheit kommt aus dem modernistischen Ansatz, der den Träumer als Gott und Opfer zugleich darstellt. Die pfundige Filmmusik und die grandiose Optik, die nie die Darsteller zu lauter Keanus reduziert, sind ein markiger Rahmen für die Geschichte.

Selbige ist ein Wunder: wenn man versucht, sie mit den drei (Traum-) Ebenen zu erklären, scheitern die meisten. Im Film macht das alles Sinn (DIY, do your self, your self does you, image of thought, sensory-motor regime...). Und es ist schlüssig und tritt ordentlich in Freuds toten kalten Arsch, so wie es sein soll.

Dank Inception freut man sich jetzt schon auf die Zeit NACH dem Sequel zu The Dark Knight, wenn Nolan wieder frei und unbekümmert eine neue Geschichte finden/erdenken kann und sie dann hoffentlich so souverän umsetzt.

Was ist schlimm an Inception? Vielleicht der Verlust von Gordon-Levitt für das versteckte Kino des Mittelstands (siehe das Juwel Brick und der unterirdische GI Joe - gut, dass er sich bei letzterem unter dem ganzen Latex versteckt hat... ein patentes Emetikum für Jung und Alt). Jetzt kann er auch die ganz dicken Dinger drehen. Schwerelos im Hotel, und das auch noch so eindrucksvoll. Da bekommt auch Newton sein Fett weg. Nimm das, Aristokratensau.

Dort bei IMDB.

8/02/2010

Sleepless, Charlie Huston

Uh. Ein sehr guter für sich allein stehender Thriller mit einem ziemlich dicken Haufen guter Ideen, die auch noch stromlinienförmig gestaltet Platz für eine innovative Handlung lassen.

Interessanter als die ferne Zukunft ist ja die nahe Zukunft, und die beleuchtet Huston in der Hölle auf Erden, nämlich im von Schlaflosigkeit infizierten Los Angeles. Die Unterscheidung zwischen Analog und Digital ist endlich überwunden und so vermengen sich hier Netz- und Straßenkulturen auf einzigartige Art und Weise. Der Teufel steckt im Detail, nein, in der Speisestärke und im MMORPG. Es ist seltsam, wie alles immer wieder auf nackte Information hinausläuft, ob nun in Genen oder (anderen) Medienservern. Vielleicht ist die grassierende Seuche der Schlaflosigkeit ein Informationsverarbeitungsdefekt: wer nicht schläft, kann weder träumen noch vergessen, alles häuft sich in der furchtbaren Halde des Jetzt an. Und wer sich vollends auf die Echtzeit bzw. Nicht-Zeit diverser Online-Welten einlässt, mag eine ganze Kultur entraumen.

Die Protagonisten spielen wunderbar zusammen und schenken sich nichts - auch keine versöhnlichen Posen, die aus Thrillern bekannt sind. Huston begnügt sich nicht damit, eine interessante Dystopie vorzustellen, er lässt sogar Dinge geschehen. Enorm. Der Konsumgräber hat nie etwas ähnliches gelesen - wenn True Grit nun ein zweites Mal verfilmt wird, dann kann David Fincher sich doch bestimmt Sleepless annehmen?! Zeit für eine Petition.

The Sea, John Banville

Hier. Frau stirbt langsam und dann wirklich, Mann erinnert sich an Badeurlaube vor vielen Jahrzehnten.

Mehr passiert nicht. Oder? Doch! Das ist Melancholie, die Scherzen und Klischees keine Angriffsfläche bietet. Der Tod und das Erinnern, also das Zerschellen am Zeitengetöse, für das das Wogen der See die unbezwungen beste Allegorie zu sein scheint, haben hier die Hauptrolle. Der Suff, der Tran, die Tränen, die Galle sind alles Nebenprodukte und Werkzeuge und Dekoration. Die Flut kommt rein und ihr ist das Schnappen der Synapsen egal, die da an irgendwelchen Stränden aufgeladen werden und vergehen.

Sehr gut. Das Buch hat den Booker Prize verdient, den es bekam.

Dragon War, James Wyatt

Finale von diesem hier und noch öder. So ein Quatsch. Total verfahren würgt sich das Ding dem Ende entgegen... Die Schwertstechereien nehmen nicht zu und unter lauten Gähnen des Lesers wird ein Oberdämonendings in eine Erdspalte gekloppt. Es sind einfach zu viele Gestaltwandler unterwegs. Wer will denn Spionagegedusel in der high fantasy? War das etwa eine Grundanlage der Eberron-Kosmologie? Nervig. Schade.