4/05/2007

# 1, Fischerspooner

Das Werk dieser beiden Herren habe ich total verpasst als es Anfang des Jahrtausends rauskam. Anscheinend war ich damals noch nicht bereit dafür... da waren die Smashing Pumpkins im Polo-Cassettendeck und ich hatte auch das Alkaline Trio noch nicht entdeckt. "# 1" kaufte ich vor Hot Chip und mit dem ersten Album von LCD Soundsystem.

Aber besser spät als nie. Fischerspooner werden mit einem mittlerweile wieder unmodisch gewordenen Unwort verknüpft, namentlich Electroclash. Hier trifft Fiepen und Rauschen aufeinander, die Beats sind freilich sehr kalt und man schwubbert zwischen C64, A2000 und anderen Funkenmariechen.

Ein stumpfer Hollywood-Produzent würde eine gelungene B.-E.-Ellis-Verfilmung (das allein ist ja schon unmöglich) mit diesem Soundtrack unterstützen. Das Panorama erstreckt sich zwischen New Yorker Avantgarde und Dystopia; es ist subversiv urbaner Anti-Rock mit genug Zähnefletschen um nachts gut gespielt zu werden. Auf der Bühne sind die Künstler laut DVD gern mal transenmässig unterwegs, aber nie kess-kokett sondern immer verstörend post-vulgär.

Ich kam von Richtung der diversen NIN-Remixe auf Fischerspooner zu, wahrscheinlich ist das ungewöhnlich. Ich fand einen sicheren Hafen und eine wichtige Sprosse auf dem Weg zur perfekten CD.

"# 1" beinhaltet einen Song über derben Stuhlgang in der Disco und im Allgemeinen. Auch das kann dem weiteren Konsum nur förderlich sein. Mit vollem Darm kann keiner tanzen.

4/03/2007

The Host, Regie: Bong Joon-ho

Die Effekte sind einfach wundervoll. Ein Monsterfilm braucht ein Monster und dieses Monster ist monströs in jeder Beziehung. Vom anatomisch, äh, interessanten Maul bis zu den Geräuschen von Schritten und Knurren. Besonders entzückend ist eine der ersten Szenen, in der das Vieh über die Promenade angelaufen kommt, Menschenleiber umherschubsend. Was für ein Auftritt.

Korea, wo der Film enorm erfolgreich war, ist weit weg von hier und doch hat man eine gewisse Erwartungshaltung an asiatische Filme, gerade die mit Monstern. Japan kann durchaus als postapokalyptische Gesellschaft erachtet werden, schliesslich wurden dort zwei Atombomben gezündet. Und da die entropische moderne Konsumkultur nationale Kategorien missachtet, wird dieser Aspekt auch gleich auf den gesamten Kontinent ausgebreitet. Das fällt leicht bei Ländern wie China: die haben sehr viele Menschen und auch besagte Bomben. Wundervoller Nährboden für katastrophale Szenarien.

Und die gibt es hier durchaus. Menschen schreien, rennen nach rechts, rennen nach links, schwitzen und mühen sich ab, dem Vieh zu entkommen oder es zu erledigen. Ein weiterer Feind sind die uniformierten Soldaten und Bürokraten und, freilich, Wissenschaftler in Gummi.

Es ist recht bezeichnend, dass Schusswaffen lange keinen Effekt haben (auch Pfeil und Bogen schiessen zunächst ins Leere) - eine gefüllte Spritze in der Hand eines frisch Sedierten ist viel nützlicher. Die Waffen der Zukunft haben keine Projektile, sie kommen aus Labors. Es sind Viren oder entsprechende Anti-Viren: so soll die Seuche, die das Monster verbreitet, durch "Agent Yellow" (sic!) bekämpft werden.

"The Host" verarbeitet durchaus gekonnt das Erbe von SARS, Tsunami-Debakeln und problematischen sogenannten Notstandsgesetzen. Wie ist dies im regionalen kulturellen Gedächtnis verwurzelt? Beschaut man den Film mal isoliert, dann kann man sagen, dass Mitteleuropäer anscheinend einen dicken Kokon aus symbolischer Sinnwelt haben, so dass sie keineswegs so in Schmerz verbunden sein können wie die Genossen in Asien. Also wieder der Trend zum physischen Erleben, diesmal in Asien statt Afrika. Aha.

Pain-ploitation? Wahrheit des Körpers? Hauptsache Glibberschleim. Eine kleine Frage mag bleiben: wieviel Korea ist in "The Host" und wieviel "The Host" ist in Korea?

4/02/2007

Pop. 1280, Jim Thompson

Ich hatte grosse Erwartungen an dieses Buch. Ich hoffte auf eine ruppige und in vielerlei Hinsicht schnelle Handlung mit einer eindeutigen Aura, die bestehende Noir-Direktiven bestätigt und auch erweitert.

Meine Hoffnungen wurden erfüllt. Das schlanke Romänchen bricht fast auseinander vor Gewalt, Sex, Gewaltsex und diversen Formen der Missgunst. Sheriff Nick drängelt sich durch sein Revier und hat ganz eigene Methoden. Verbrechensbekämpfung gehört nicht zu seinen Beweggründen. Es ist die Welt des White Trash in seiner finstersten Blüte. Die Leute sehen nicht nur ungut aus, sie haben auch nur ungute Dinge im Kopf.

"There were the helpless little girls, cryin' when their own daddies crawled into bed with 'em. There were the men beating their wives, the women screamin' for mercy. There were the kids wettin' in the beds from fear and nervousness, and their mothers dosin' 'em with red pepper for punishment. (...) You're already dead inside, and all you'll do is spread the stink and the terror, the weepin' and wailin', the torture, the starvation, the shame of your deadness. Your emptiness."

Mit Erstaunen muss ich akzeptieren, dass "Pop. 1280" 1963 erschien und ich frage mich, wo ich mehr von dem Zeug herkriege.

Ibrahim ist aber ein wenig verbittert: "Was soll denn das für ein Ende sein?" Und er hat ein wenig recht. Wenn Thompson hier einen rhetorischen Haken schlagen wollte, so kann dies dem Leser leicht entgehen.