12/28/2009

I Am Legend, Francis Lawrence

Hass, Hass, Hass mit dem US-Präsidenten der 2030er.

Das Zuhause ist auch ein Gefängnis. Der Mob da draußen ist die Mehrheit. Die Mehrheit hat nur Fressen im Sinn. Die Mehrheit hat einen großen Hass auf die Marginalisierten, auf die einzelnen, auf die, die legendär werden können.

Und trotzdem ist der Rückzug gefahrvoll: irgendwann bittet der Verlorene die tote Materie, zu ihm Hallo zu sagen.

Die Hölle, das sind die Anderen nur bedingt: die Hölle ist es, wenn man in einer Welt der digitalen, binären Nähe lebt und jedwede analoge Gemütlichkeit verloren hat.

City of Thieves, David Benioff

Achja, Stalingrad: war das nicht der Ort, an dem es so kalt war? Benioff ist Hollywoodschreiber und hat die Odyssee/Mär seines Großvaters aufgezeichnet, der sich auf der Suche nach einem Dutzend Eier mit Nazischergen und Frostbeulen herumschlagen musste.

City of Thieves ist feiste Unterhaltung und beweist, dass Disney-Prinzipien die dicken Lettern WWII einholen können. Freilich gibt es hier Minen und Trümmer und Soldatenbrautpferche, aber das alles wird durch den drollig scheinjüdischen Protagonisten (ist er nun oder ist er nicht? Eine infame Unsicherheit!) und seinen han-soloesken sidekick supersüß serviert. Und wenn es doch ein wenig gruseln soll, dann werden einzelne Kinder oder ganze Familien gefressen (die Teile halten sich gut im Frost an der Decke) oder einem SS-Spielzeug der Fuss abgesägt.

Der Roman ist wie zuviel Cola an einem heißen Tag: schön für den Moment, doch nach dem Verzehr seltsam klebrig. Die Coens könnten aber einen akzeptablen Film draus machen - darauf spekuliert Benioff vielleicht.

12/21/2009

Marabou Stork Nightmares, Irvine Welsh

Der Autor traut sich mal wieder, die Seite zu verlassen. Drei Ebenen sind zu verzeichnen: da ist die Biographie des Helden, die episodisch erzählt wird und auch seine wüste Afrikaphantasie, bei der er auf Marabujagd geht. Das hier und jetzt ist ein Koma, dessen Ende er tunlichst herauszögern möchte. Jeder Traum ist besser als die Erinnerung an sein klumpiges Leben zuvor.

Welsh kennt sich aus mit Fremdscham: er schildert die dumpfen Eltern und den anderen Genmüll des mitleiderregenden und leidverursachenden Protagonisten in all ihrer fiesen Dumpfheit. Wenn Mama James-Bond-Medleys intoniert wird auch dem Leser übel.

Und deshalb ist Welsh auch nicht einfach nur schottischer Lokalkolorierer: er hat verstanden wie mannigfaltig Aggression sein kann und wie nachvollziehbar die Benutzung chemischer Substanzen somit ist. Der Edinburgher Frust ist der Frust des einzelnen, in den Mallruinen gestrandeten Einzelkämpfers, der zwischen geschwängerten Cracknutten und Bratfettfetischisten gefangen ist. Auch Hooligans wie der Protagonist der MSN wurde verursacht.

Schön auch die Erwähnung von Begbie am Rande: der soll jetzt Möbel verkaufen. Ja, dem Welshiversum darf man nicht entkommen. Und wenn die Schlampe n' Glas auf'n Kopf kriegt, was ist denn schon dabei?

12/16/2009

Zombieland, Ruben Fleischer


Hier.
Nicht ohne mein Banjo.

Dies ist ein herrlicher Film. Er ist genau, nicht zu laut und nicht zu leise, er ist bunt und dunkel und die Schusswaffensounds sind herrlich.

Selten wurde so offen gezeigt, wie realitätsnah die zombiebezogene Problematik doch ist. Die vorgestellten Überlebensregeln reichen aus, um die irdische Existenz einigermaßen erfolgreich zu begehen. Die Bedrohung Z ist da nur die Personifikation der geballten Dummwucht des Packs da draußen, das Tropenholzpappschachteln um ihre Hormonbuletten duldet und dergleichen.

Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Ein herrlicher, wunderbarer und dank des Banjos auch sehr musikalischer Film.

12/14/2009

Read Hard, Ed Park & Heidi Julavits, eds.

Whoa! Journalismus! So kann es auch gehen? Unerhört!

Also: Read Hard ist ein Schrank voller amerikanischer Essaykunst, die sich mit diversen Dingen mehr oder weniger journalistisch beschäftigt. Groteskes, Gehetztes, Vergessenes, Kerker und Drachen, Transsexuelle, Autofahren, schlechte Drogen, Biographisches, Menschen, Menschen, Menschen.

Die Sammlung ist eine multiple Kreuzung: in viele Richtungen kann nun weiter gegooglet werden. Brian Evenson wurde durch diese Texte gefunden, und arg persönliche Popkulturmelancholie auch.

Warum gibt es hier keine Zeitschriften, die sowas können? Qualitätssicherung und kreative Freiheit in einer ansprechenden Vielheit. Das System der Zielgruppendiktatur gehört filetiert. Kauft doch Bild und Neon, ihr Kunden.

Hier ein Link zum Believer, ihrem Verlag sowie dem konkreten Produkt.

The Open Curtain, Brian Evenson

Hier ist nicht die einzige Notizenhalde zu diesem Werk von Brian "Mormonenschocker" Evenson: da auch.

Jedenfalls enthüllt der offene Vorgang nur sich selbst, beziehungsweise die unerträgliche Vorhangsexistenz in eines jeden irdischen Leben.

Ja, hier werden Körper-Geist-Phänomene behandelt. Ja, es geht ruppig zu. Ja, es geht wieder um die Rolle des Glaubens der Christen und/oder Mormonen. Nein, es hat nichts mit Stephen King zu tun. Nein, es hat nichts mit Gottesvereumelung zu tun oder mit Mörderkult. Evenson unternimmt einen energiegeladenen Grenzgang und zeigt enorm viel Brüchigkeit bei Augen, Zeugen, Augenzeugen und irdischen Fleischgefängnissen.

Und wenn dieses Geschwafel nicht zum Lesen auffordert, hier die Kurzfassung: supergut. Dieser Text ist eine Freude, und dazu noch innovativ und vorsichtig weise.

Hier Evensons HP.

12/12/2009

The Steel Remains, Richard Morgan

Die Rumpelfantasy kommt ziemlich in Schwung. Und wie sie rumpelt! Die Sensation vorweg: einer der Helden ist ein schwertschwingender Hallodri, der nicht auf Frauen steht. Allerhand! Und dabei liefert er genug testosteronoide Barbarengesten ab, um als Held zu bestehen. Recht so! Nieder mit der Tolkienschen Asexualität und dem diesbezüglichen Schweigen im Genre! Wenn Leiber so divers zerhackt werden, dann können sich Leiber auch divers annähern.

Morgan hat das erste von drei geplanten Werken geschrieben (ja, das Genre neigt weiterhin zur Oper) und macht klar, dass in diesem erbarmungslosen Prügelkosmos auch Elfen-KZs erwartbar sein können. Genau wie Abercrombie steht dem Ding keine Weltkarte vor, so dass man sich die fiktive Geographie ableiten muss. Gut so. Fantasy-Karten sind was für asexuelle Axtschwafler! Sauron hat den Punk nicht verstanden, hu?

Girlfriend in a Coma, Douglas Coupland

Coupland ist wie ein guter Kuchen: nicht so öde wie Brot und nicht so wuchtig wie Torte, und es gibt immer interessante Fruchtstückchen und ein schönes Belag-Teig-Verhältnis.

Auch dieses Buch ist kurzweilig und lustig, doch das Ende nervt. Es ist eine Sache, respektlos mit Sci-Fi-Elementen umzugehen, doch eine andere, kurz vor Schluss doch noch artig zu kuschen. Mehr Konsequenz bitte! Es darf gestorben werden, hu? Hier arbeitet sich DC ein wenig zu krampfhaft an dem monströsen Schatten ab, den GenX immer noch wirft. Bei JPod ist ihm das besser gelungen.

DC hat sich nicht blamiert, doch für Einsteiger ist dieser Roman kein richtiger Einheizer.

12/07/2009

My Bloody Valentine, Patrick Lussier

Hier.

Das ist ein Probehäuschen, damit das schöne neue Baubesteck benutzt werden konnte. 3D heißt das reanimierte Schlagwort und Verkaufsargument bei diesem Produkt und es ist tatsächlich was drin, im Sinne von raumtief drin, was draufsteht.

MBV ist ein Slasher, bei dem optisch erträgliche Menschen in unansehnliche Fleischgarnituren verwandelt werden. Die Morde sind mit Bergbauästhetik versehen. Spitzhacken und so.

Das macht Sinn: erstens gibt es Stollen und Höhlen, welche die Möglichkeiten der Raumvertiefung gut nutzen können. Zweitens gibt es offene Wunden und Kavernen der Entleibung (quasi eingefaltete Gewalt am postlebendigem Subjekt).

Und es ist eine Schau: vielleicht liegt es an der Neuartigkeit der Technik, doch hier wird Kino deutlich extremer. Das Auge fliegt mit: nicht nur der Realitätsausschnitt wird nun durch sanfte Vergewaltigung durch den Kinematographen vorgegeben, nein, auch die Realitätstiefe wird nun vorgegeben. Fokus hinein, Fokus hinaus. Schön auch die handwerkliche Sauberkeit der Produzenten: oft wird per Bildsprache die neue Technik kommentiert und dadurch vorgeführt.

Avatar kann nicht so schlecht werden, auch wenn es nur um Blaue Wunder und Karl May geht, wie die Postillen behaupten.

The Yiddish Policemen's Union, Michael Chabon

Hier.

Dystopische Textunterhaltung in Cinemascope. Wäre da nicht diese Sache mit den Juden... Ganz vorweg: Chabon ist kein eindimensionaler Provokant. Aber die Welt, die er schildert, ist doch eigentümlich politisch geprägt. Zunächst entspannt die Lektüre die furchtbar komplexe Thematik namens Israel und dann macht Chabon doch den Sack zu, indem er beispielhaft mit seinen Protagonisten das Phänomen der Ortlosigkeit sichtbar macht. Alaska, temporärer Rückzugsort der Juden nach WW2, wird geschlossen. Wohin jetzt? Wer macht den Abwasch auf einem sinkenden Schiff?

Die Kerngeschichte ist ein wundervoll angenoirter Thriller mit Goldfingern und Octopussies, und der fabulöse Hintergrund lässt ihn glänzen. Letztlich ist das Thema ja ein altes, nämlich die Rechtfertigung von lähmender Verzweiflung. Zur Entortung kommt die Entzeitung, und so führt Chabon seinen Roman zwar nicht in ätherische Höhen wie seinen Kavalier and Clay, aber er bringt schon ordentlich Distanz zwischen ihm und dem Erdboden.

12/02/2009

Paranormal Activity, Oren Peli

Ja, war es denn nun gruselig? Ja? Voll so Huibu und Schock und Huch und "Aaaah!"?

Falsche Frage.
PA ist freilich das Blair Witch der 00er, aber der Fokus ist leicht verschoben. Die willigen Gruseljünger kennen ja besagten Genre-Urahn, deshalb musste es schon ein wenig innovativer sein: diesmal ist der Horror nicht da draußen, sondern da drinnen. Im Haus, im Heim, im Zufluchtsort hausen die Dämonen und die Protagonistin. Das junge Paar hat keine Kinder. Sonst müssen selbige immer dafür herhalten, den oder die Teufel über die Schwelle zu bitten.

Schön viel Medienreferenz übrigens in der Behausung. Ein gewaltiger Plasmaschirm verdeckt das Panoramafenster im Wohnzimmer, und die WWW-Recherche geschieht auch über elektrifizierte Sehfelder. A Scanner Darkly? Tja.

Die Emotion Angst ist ein seltsamer Begleiter. Gegen Geld will man sie rufen und wenn man sie dann bekommt, wie beispielsweise im vollbesetzten Kino inmitten von plötzlich verstummter Teenagermassen, ist sie doch nicht so genehm. Ist das Schicker Masochismus? Selbsthass? Sehnsucht nach dem Glauben an höhere Mächte?

Den Protagonisten passiert schlimmes. Dabei scheinen sie eigentlich nett. Warum passiert das nicht Mario Barth? Warum bricht bei ihm zu Hause nicht der Gehörnte ein, wieso steckt der ihm keinen Geisterphallus in den Kopf, warum reißt niemand ihm ein Küchenmesser mit Wonne durch die Rippen? Warum zeigt ihn mal keiner im Weinkrampf vor der Treppe? So verschieben sich die Emotionen.

Supergut. Herr Barth atmet vielleicht noch, aber der Film zeigt, was Bild und Ton können und wie irrational man als Konsument eigentlich ist. Der Hype ist annehmbar.

11/30/2009

Law Abiding Citizen, F. Gary Gray

Uh, schroff. "Gesetz der Rache" auf Germanisch.

66% des Films gefielen. Und dann ist das Studio eingeschritten. Das Ende ist dämlich, undankbar, verwüstend und einfach doof. Dabei ist keiner der Darsteller ein Unsympath, nein!

Was passiert bis dahin? Rache wird gefeiert, dieses Grundelement menschlicher Existenz und bald einziges Leuchtfeuer in einer enttraditionalisierten Welt. Rache spüren heißt, dass man eine Waage im Kopf hatte, die durch irgendetwas aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Man bedient sich dann des Füllwortes Gerechtigkeit und schüttet Kinder mit dem Bade aus.

Eigentlich ist das dann immer eine Schau, denn außer in Rachefilmen kann nur noch in Zombiefilmen die Zerstörung zuckender Leiber mit Wonne gefeiert werden (bei Kriegsfilmen ist das so eine Sache, denn da ist, uh-uh, immer ein wenig Pathos dritter oder zweiter Ordnung im Spiel).

Nee, unangenehmer Film. Alle sind gegen das System. Na hui. Wo bleibt die Konsequenz? Verflixt.

Shadowdale, Richard Awlinson

Teil eins des klassischen Avatar-Mehrteilers vom Forgotten-Realms-Franchise.

Auweia.

Schlüsselwort für den Konsum dieses Produktes (es wurde vor einigen Jahren zum Trümmerpreis erstanden und war Teil einer melancholischen Rückbesinnung auf die Jugend und die jugendspezifischen Freizeitbeschäftigungen... ja, es war auch eine Konfrontation mit der eigenen nerd-igkeit) war Avatar. Diese Vokabel wird bald vom Pöbel mit dem Blockbuster von James Cameron verbunden werden.

Auch hier geht es um die Fleischwerdung: die Fantasy-Götter haben beef und poltern hinunter auf die Erde (die hier Faerun heißt) und in menschliche Körper hinein (es geht ja auch um Menschengötter... Elfen- und Gnomgesocks hat das Nachsehen). Dann wird munter weitergeprügelt bzw. -konspiriert. Es geht nur einmal in einen Kerker, ein echter Drache tritt nicht auf.

Das ist wirklicher Fantasy-Porno: alle Schwertkampfstellungen werden durchdekliniert und am Ende wird nicht geheiratet. Noch nicht einmal Humor und Ironie bereichern das Werk, es gibt dem RPG-Opfer einfach ein paar Anreize für die weitere Freizeitbeschäftigung. Das Fantasy-Genre ist in der letzten Dekade sehr gewachsen und ist (ähnlich wie die Fleischschauen der Freikörperindustrie) recht krisensicher.

Muss man die nächsten Teile auch noch lesen? Och... Die neueste D&D-Kampagnenwelt heißt ja Eberron. Die soll erfrischend sein und der Virulenz der MMORPGs die Stirn bieten. Vielleicht wandert ja eine derart deklarierte Gebrauchsliteratur bald in den Konsumgraben.

11/19/2009

Father of Lies, Brian Evenson

Gerne machen sich feiertags aufgeklärte Europäer über den Glauben der nordamerikanischen Bevölkerung lustig. Fundamentalismus wird genannt und mit großem tststs wird die Bezeugung der Liebe zu Jesus dort belächelt. Vielleicht könnte deshalb ein kleiner Roman wie FoL hier nicht funktionieren. Muss er aber auch nicht.

Ein Gläubiger hat ein Problem. Er wütet in seiner Gemeinde und vergeht sich an ihren jungen Mitgliedern. Zum Arzt wird er geschickt. Den trickst er aus. Der Gemeindevorstand deckt ihn dabei, allerdings mit einer wahrlich bizarren Heilsrhetorik. Und dann reden auch noch seltsame Gestalten mit ihm, die nur er sehen kann. Das hat nichts mit dem filmischen Sakralhorror zu tun, der unter dem Chiffre 666 laufen könnte. Dies ist die Geschichte eines Vaters, der sowohl Opfer ist als auch Opfer produziert. Treudoofe Schafschristen und Thrillseeker stößt der Roman zwischen die (stumpfen) Hörner.

Evensons Sprache ist schnell und unbefangen, er wechselt mühelos zwischen der Perspektive des Triebtäters und des Vaters hin und her. Keine ist bequem. No line left behind. Vater unser? Vater derer.

Der Autor (hier online, hier wiki) selbst soll wegen eines Romans seinen Job in einer christlichen Institution verloren haben. Sei's drum - der kommt auch noch auf die Liste. Echt gutes Zeug, das. Die Neugierde auf The Open Curtain wächst.

2012, Roland Emmerich

PFFFRRRRRCH! Ka-PFRUCHCHCHCHCHCH! PRPRPRPRUUUFFFFFFFFF!

10.000 BC ist noch nicht verwunden, aber mit 2012 ist Herr E. auf einem guten Weg. Warum? Weil alles so herrlich kaputtgeht. Kaputt ist besser als heile, denn das passiert nur einmal. Raumzeitbruch, events deluxe. Hurra!

Die Schelme der FAZ und anderer morbider Medienhäuser mögen ein Wortspiel mit "Oberfläche" wagen: so wie die Erdkruste aufbricht und ihre Tiefe offenbart, so sehr dümpelt die Handlung des Filmes in stetiger Beschleunigung dahin. Mumpitz! Thema verfehlt, sechs.

Was viele von den gesellschaftlichen Bewahrern (FAZ-Beteiligte, Kindergärtner, Polizisten, nüchterne Kneipiers) nicht verstehen wollen: nur in der Apokalypse ist endlich was los, nur bei der rückhaltlosen Zerstörung hat der Betrachter die Chance, das Erhabene zu erleben. Deswegen ist wahrscheinlich auch das Panorama des WW2 so ein Evergreen. Das ist mehr als Flucht, das ist auch Selbstauflösung.

11/16/2009

Der Informant!, Steven Soderbergh

Vielleicht ist das ein Neidfilm. Brad und George haben den famosen Burn After Reading gemacht und die Groteskereien der Coens ausgelotet. Soderbergh benutzt also den dritten Ocean's-1X-Stern und macht seinerseits einen Film über seltsame Begebenheiten und noch seltsamere Menschen. Nagut, das muss nicht stimmen.

Der Informant! verteidigt Paranoia als Status Quo und befreit sie aus der Spinner-Ecke. Freilich ist alles verknüpft und ein jeder belügt jeden und freilich muss ein jeder sein eigenes Lügennetz spinnen, um den Unwahrheiten der unsichtbaren Feine kühn zu begegnen! Der Humor ist dabei weniger HAHA als eher drollig, aber sehr sympathisch. Das hätte schiefgehen können. Ist es der Bezug auf eine reale Geschichte, der die größten Faxen verhindert? Aber vielleicht ist selbst diese Geschichte nur eine ausgeschmückte Halbwahrheit, die von den Intentionen dutzender Erzähler durchdrungen in den Seilen hängt. Und vielleicht beweist Soderberghs Film, dass man ein Komplott nicht durch Schweigen, sondern durch wahnhafte kommunikative Störfeuer zur Implosion bringen kann.

Radikale Materialentfremdung: es beginnt mit Mais und endet in virtuellem Finanzgeschacher. Dazwischen? Ein als "gestört" bezeichnetes psychisches System, das vom Schnauzbart kommt und zur Plautze wird.

Herrn Damon hätte man das nicht zugetraut. Welch uneitle Rolle, die dann auch noch so treudoof und angemessen gespielt wird! Das hat das Marketing schon berücksichtigt, aber trotzdem. Sehr gut. Jetzt darf er sich auch wieder als Bourne herumschubsen.

11/10/2009

The Omen, Richard Donner

1976! Und doch anders als erwartet. Der Exorzist legte drei Jahre zuvor den Standard fest, der bei Rosemary's Baby noch nicht abzusehen war.

Wieder das Motiv des bösen Kindes, im Falle vom Omen aber mit besserem Marketing, da der Signifikant "666" so schlüssig wie auch prägnant durch die marketing-Hallen driften kann. Diverse Fortsetzungen hat's gegeben, doch keine soll so sein wie das Original mit Gregory Peck.

Zwei Horrorelemente sind zu nennen. Zum einen freilich das böse Kind. Da ist die verfluchte Familie, eine sich durch Zeit und Raum fortsetzender Gen-Stamm, der irgendwann sabotiert weil infiltriert wird. Der ultimative Andersartige von Ultra-Draußen, der Teufel, schleicht sich in den Kern des Menschengefüges ein und erobert das zukünftige Potential. Kinematographisch wurde das sehr subtil eingefangen und der gegen Ende zerbrechende common sense kann lange auch vom Zuschauer mitgetragen werden. Die sogenannten "Schock"-Szenen sind wohldosiert und sitzen. Ist ja auch kein Splatter, hu?

Zum anderen gibt es den Horror der 1970er. Diese Zeit ist ekelhaft in jeder materiellen Beziehung: Haare, Mäntel, Telefone, Autos - WIDERLICH. Wie konnten die Menschen in einer so erdrückend anti-ästhetischen Gegend überleben? Dieses Jahrzehnt (und kein Atomkraftwerk) rechtfertigt das Anlegen von unterirdischen Endlagern. Der ganze Mist von damals muss einfach versenkt werden, so dass kein Auge mehr von derartiger Hässlichkeit vergewaltigt wird.

The Brief Wondrous Life of Oscar Wao, Junot Diaz

Pulitzer-Preis, Ethno-Atmo, big business. Warum sollte das gute Literatur auszeichnen? Diesmal passt es aber: Diaz entstaubt den altbackenen Terminus der "Tragikomödie" und schildert in eindringlichen Worten und mitreißendem Tempo eine mehrere Generationen und Ären (Ähren? Wohl eher Zuckerrohre! Ha!) durchfließende Geschichte.

Mehr Informationen freilich beim wiki.

Genetik ist dabei nur ein Teil der Verbindung. Der andere Kleister ist Popkultur: Oscar ist ein Nerd deluxe. Er kennt den ganzen SciFi-Ramsch und bekommt keine Lady ab. Als Latino-Tolkien will er über Dynastien und große Opern schreiben und so seine raumzeitliche Isolation überwinden. Pech bei den Ladies, Glück an der Kinokasse und im Buchladen. Oscar ist eine genetische Sackgasse. Ein patriarchalischer Endpunkt, der der zerfallenen Macho-Dikatur in der Dominikanischen Republik entspricht, welcher seine "Blutslinie" nur knapp entkam.

Eines der besseren und überraschendsten Bücher dieses Jahres.

11/03/2009

Totems Flare, Clark

Endlich fand dieses Ding seinen Weg in den Graben, und der Gräber ist begeistert. Somit stimmt er der Fachpresse zu. Klingt so die Zukunft? Nein, die gibt es ja gar nicht. Clark klingt noch frischer als auf dem letzten Album.

Mit diesem Soundtrack ist die Welt eine andere.

Hier bei Warp.



10/30/2009

Pattern Recognition, William Gibson

Oioioi, einen dicken Wiki gibt es dazu.

Gibson ist vielleicht so wichtig wie Philip K. Dick und dazu auch noch lebendig. Deshalb erhalten seine Werke auch so viel Aufmerksamkeit. Pattern Recognition war sehr süffig, allerdings keine Revolution. Schaurig ist es nur, dass einige Mitkonsumenten das Ding vielleicht konsumieren und erst dann wirklich mit anderen Augen auf ihre Umgebung schauen.

Es geht freilich um die Mustererkennung im technokratisch-kapitalistischen Makrosystem, welches die globalisierte Welt als Spielplatz nutzt und die Protagonistin (die eine verblüffende Psi-Kraft bezüglich marketing hat) auf eine detektivische Queste setzt. Vielleicht ist PR (uh! welch doppelbödige Abkürzung!) so ein Erfolg geworden, weil Genre-n00bs jetzt auch einen Gibson lesen können und der ihre kleinen mainstream-Geister nicht mit echter science-fiction überfordert.

10/26/2009

Matrix Reloaded, Wachowski Bros.

Ja, schon wieder. Es war ein Unfall.

Was bleibt im Gedächtnis? Die graublaue Staubromantik von Zion, die im dritten Teil so fulminant mit orangenen Flammen harmoniert. Und die Oberflächlichkeit: der Auserwählte ist charismatisch wie ein Joghurt und nur die Geschichte um ihn herum macht ihn zu dem, der er sein soll.

Genial wie immer das Duell auf dem Highway: eine Linie mit zwei Richtungen verschwimmt zu einer tödlichen Umwelt. Es gibt nur Vorwärts oder den Tod und am Ende verpufft die gesammelte kinetische Energie in schöner Zeitlupe: sie kann in keine dritte Dimension entkommen, das können nur die Menschen/Reisenden.

10/22/2009

Go-Go Girls of the Apocalypse, Victor Gischler

Go-Go ist beschleunigte Fleischbeschau, und somit ist die Maxime dieses Romänchens auch schon genannt. Sehr kurzweilige Apokalypsenmischpoke mit flachen Charakteren, einer hinkenden Logik und Kannibalen. Maccaroni mit scharfem Käse. Mad Max mit D&D. Einhändig zu konsumieren, hu?

Gischler ist zu wünschen, dass einer der jungen Splatter-Regisseure sich seines Oevres annimmt und einen netten 90-Minüter konzipiert.

Away We Go, Sam Mendes

Zuerst hat man den Begriff "Kindheit" erfunden. Dann den Begriff "Jugend". Dann stritt man sich ob der chronologischen Grenzen und um die Restbedeutung von "Erwachsensein". Konsens scheint nun zu sein, das derjenige erwachsen ist, der Kinder bekommt. Dieses Ereignis lädt zum Rekapitulieren ein, der Beginn eines neuen Menschen ist ein biographischer Höhepunkt.

Junges Paar bekommt ein Kind und checkt die Familienmodelle von Freunden und Verwandten aus, um danach den offensichtlichen Schluss zu ziehen. Eine Odyssee mit dickem Bauch, quasi.

Sam Mendes, der kinematographisch arbeitende Familientherapeut der USA, hat AWG eher analog und knarzig und klein gefilmt. Die prominenten Nebendarsteller wirken da zum Glück nicht befremdlich, alle lassen sich auf das unabschließbare Projekt "Familie" ein. Ein schöner Film. Kein Eimer Weisheit, sondern eine Einladung zum Weiterleben.

10/20/2009

Tricks, Ridley Scott

Im Original "Matchstick Men".

Vielleicht ist das einer dieser Filme, bei denen Herr Cage Bock zum spielen hatte, die soll's ja auch geben. So könnte man erklären, dass er den ultraneurotischen Tagedieb so sympathisch spielt. Die Pointe des Films ist ein wenig wie Fight Club oder Sechster Sinn, aber das ist auch richtig so: bei jedem Trickbetrug gibt es ein großes Finale.

Sam Rockwell hätte mehr Spielraum verdient. Er ist einer von den Guten und hat das schon oft bewiesen.

You Don't Love Me Yet, Jonathan Lethem

Um Tiefe zu haben, braucht man auch eine Oberfläche. So kleinlaut huldigt Lethem diesmal der emotionalen Wahrhaftigkeit der menschlich aufgeladenen Kulturindustrie. Kleinlaut? Naja, dezent: Bei der Festung der Einsamkeit ging es um das Erhabene im Alltäglichen. Lumpige Comichelden haben den lumpigen Lebenskosmos in New York in eine epochale Mannwerdungsgeschichte und deren Schilderung geadelt. Die Festung ist ja auch ein ziemlich dickes Buch, das sich über mehrere Jahre erstreckt.

YDLMY spielt zwar nicht in NY sondern in LA aber Lethem beschreibt wieder, dass Pop eben nicht bloss ein Platzgeräusch am Rand "echter" Existenzen ist sondern deren Mörtel. Zwischen Hipness, Bandkultur und Galleriensnobbereien strauchelt die Protagonistin über die schon von Coupland geschilderten urbanen Alterszwänge. Teils ist das sehr witzig und teils infam. Aber am Ende wird alles gut, denn Lethem ist kein Zyniker. Er versucht, Tiefe aufzuzeigen, ohne dass er sie hinter allzu austauschbaren Oberflächen versteckt. Auf drollige und kurzweilige Weise schafft er das hier.

10/14/2009

Oben, Pete Docter

Geflasht hat's.

Die Kinder haben es nicht wirklich verstanden, aber zurecht: es sind ja nur Kinder und Oben ist kein Kinderfilm. Nein, wirklich nicht! Das hat man bei den anderen Animationsfilmen vielleicht auch gesagt, aber damals meinte man eigentlich nur, dass Kinder niiiiieeeeee die Rechenleistung hinter den Wasser-/Fell-/Fleischoberflächen würdigen können.

Oben ist freilich technisch perfekt und eine optische Orgie. Aber die Geschichte übertrifft Disney-Drolligkeit und Ablenkungsamnesien: so archaisch der Titel, so zeitlos die Geschichte. Es wird gelebt und es wird gestorben. Jung und Alt schildern eine überraschend poetische Geschichte über und für sich. Und Dirk Bach nervt nicht. Puh, da hatten wir aber Angst.

Oryx und Crake, Margaret Atwood

Schlimmes Cover.

Ah, die Zukunft. Aber SciFi von einer Frau? Das ist ja unheimlich! Hat die Zielgruppe nicht eher Angst vor Frauen? Aber Schalk beiseite: Atwood ist schon eine ordentliche Hausnummer, nicht nur in Kanada. Mit Oryx und Crake bringt sie dem geneigten Leser die Gentechnik und ihre Möglichkeiten nahe. Die Ohrenmaus führt zum Organschwein und dann auch zum hühnerfleischigen Baseball.

Gentechnik ist ja eine Zukunftstechnologie, will heißen: ihre Resultate sind erst in der Zukunft absehbar. So wie blind backen. Und in diesem Roman ist es auch fix um die Welt geschehen, da eine systemerschütternde Mixtur aus Konsumwut, Pharmakologie und Fleischdesign die Evolution beschleunigt/verlangsamt/beeinflusst/umherknautscht und den armen Jimmy als letzten Menschen im posthumanistischen Urwald stranden lässt. Genetik bringt außerdem ja stets eine Frage nach Geschlechtlichkeit mit sich. Atwood kokettiert dabei mit Halbbewusstem, ohne dabei zu kokettieren: so kann vielleicht nach dem Unterschied zwischen Mutter Natur und Mutternatur und Vaternatur gefragt werden.

Atwoods Stil ist wunderbar direkt und ihre Erbarmungslosigkeit scheint nie augenzwinkernd/aufgesetzt. Sie weiss, was sie tut und sie verschwendet keine Kapitel. So, und jetzt geht es bald an die Magd, von der der Konsumgräber bereits viel Gutes hörte.

10/09/2009

Carriers, Àlex & David Pastor

Ein Slasherfilm ist es nicht. Eher ein lo-fi-Roadmovie. Vielleicht schwimmt Carriers schon auf der Bugwelle von The Road, welcher ja demnächst mit Viggo Mortensen die Kinos schwärzen wird?

Die heruntergedrehte Lautstärke steht dem Film aber gut. Wieder geht's um Männer und Frauen und die (Wahl-)Verwandschaft selbiger. Eine Seuche hat das Menschenvieh tüchtig dezimiert und die Straßen leergefegt. Das ist ja immer schön. Aber so spannend die Handlung "danach" auch ist: zu gern würde man das Zerbersten der Welt wirklich sehen! Welche Städte fielen wann wie zuerst? Welche Prominente reagierten wie? Gab es Massenhysterie? Der vom famosen Kirk dargestellte große Bruder in der Mad-Max-Mär spricht von Leichenbergen und zuckenden Leibern im Schlamm... die will man doch aber auch irgendwann einmal sehen! Somit gibt der Konsument zu, dass er eine Nachfrage für den guten, alten Katastrophenfilm ohne Jugendfreigabe generiert. Wo bleibt so ein zeitgemäß cinemakroskopische Katastrophenfilm? Sind wir dazu verdammt, in Ewigkeit allein Roland Emmerich diesen Bedarf in Ansätzen stillen zu lassen und uns die Splattereien dazuzudenken? Die Daumen bleiben für Zombieland gedrückt.

10/05/2009

30 Days of Night, David Slade

Ach, schon wieder eine Comicverfilmung. Aber eine der besseren: die Physis der Widersacher war neu, denn sie waren leicht angewolfte Vampire mit Sprunggelenken und keine rachenspeichelnden Zombies wie bei 28 Days/Weeks oder schlurfende Hoschis wie in der Urform. Die Splattereffekte waren unerwartet drastisch, aber durchaus schlüssig. Müllmahlmaschine. Coooool! So viele Ideen, so wenig Zeit.

Positiv hervorzuheben ist das Setting: die Vorstellung, dass es in Alaska oder sonstwo einen Ort gibt, der tatsächlich einen Monat in eisige Düsternis versinken kann, bestürzt. Die Kamera hat die Winzigkeit des Menschenfleisch in der Tiefkühltruhe auch ordentlich eingefangen. Das Sequel ist wohl schon unterwegs, aber das war zu erwarten: 30DoN stellt sich breitbeinig hin und gibt keinerlei Auskunft über Herkunft, Sprache und Esskultur der vielzähligen Vielzahnigen. Das gilt es noch zu erledigen - allerdings leider ohne den souveränen Herrn Hartnett.

10/03/2009

Very Bad Things, Peter Berg

Und alle sagen so: "He, du musst VBT schauen, wie, den kennste nich, was solln das, schaun dir an, los". Peer hype ist das wohl. Der Konsum, der dann endlich vollzogen wurde, war dann also noch spannender: warum wird mir gesagt, dass ich den Film bestimmt gut finden werde? Was sagt das über mich aus? Welches Beuteschema (Beuteschämer) vermittelt der Gräber nach draußen?

Kurzum: dralles Ding. Unerwartet. Herb wurde bestellt, herber stellte es sich ein.

Inhaltlich geht es um Hysterie, die eben doch eine Infektionskrankheit ist. Früher haben Frauen umhergekreischt (wo eigentlich genau?), nun sind es weiße Männer. Die armen amerikanischen Mittelschichtler wollen einmal kurz ausbrechen und nutzen das Ventil namens Las Vegas und dann hat eine doofe asiatische Kuh (optisch aber schade drum, obgleich sie's bestimmt provoziert hat, irgendwie) 'nen Haken im Hirn und blutet die Kacheln voll. Dann zwingen sich die blassen Versager zu Gewalt am schwarzen Mann. Die nervöse Meute verschlingt sich schließlich selbst: erst ist freilich ein Jude dran. Zum Schluss eine Erkenntnis: lieber ein sabbernder Krüppel sein als eine Existenz mit Soccer-Mom in Suburbia zulassen. Na, wie unerzählbar kann man ein Drehbuch schreiben?

VBT hat bestimmt mehr losgetreten als er eingespielt hat und den beteiligten Personen (der Hauptdarsteller bescherte uns Iron Man und wird das noch zwei mal tun!) ist zu danken. Schön auch, dass endlich eine Wahrheit kundgetan wurde, von der nun die Konsumenten zehren können: die wichtigen Parties im Leben enden nicht mit Katerchen im Morgengrauen sondern mit Spaten in der Wüste.

Tja. Bis einer heult. Und dann weiter.

10/02/2009

The Coming Insurrection, The Invisible Comittee

Franzosen kennen mehr Farben links. Dieses kleine Pamphlet beweist das. Schön ist dabei die Gratwanderung, die zwischen Anarchie und Appell gelingt.

Die Instruktionen lesen sich dabei wie Verhaltensregeln für den in Depressionen erstarrten EinZELLmenschen. Vielleicht ist das eine der frohen Botschaften: es gibt kein draußen mehr, da ist kein Privatraum und da ist keine Unterscheidung möglich zwischen Konsument und Regent. Also, organisiert euch. Es geht schon längst los.

Selberlesen macht wütend, befruchtend ist der Vergleich mit Hakim Bey.

Short Cut to Hollywood, M. Mittermeier & J. H. Stahlberg

Jaja, die Schmerzgrenze. Kino ist ja eigentlich ein Ort, an dem man das Leiden anderer gegen Bezahlung betrachten kann. Manchmal gibt es ein bisschen viel für's Geld: das erste Viertel von Short Cut to Hollywood ist so voller Fremdscham und Sehleid, dass es quietscht. Erst, als der erste Finger (zwar nur ein kleiner, aber immerhin) dran glauben muss, geht es ein wenig angenehmer voran. Allerdings bleibt dieser deutsche Doku-Stil, diese schreckliche Nah-Ästhetik - vor allem, weil hier auch originelle Originalamerikaner auftreten. Ziemlich einmalig, diese Kombination.

Ist es also ein antiamerikanischer Film? Nein - es geht gegen die Schaulust selbst, die das Leiden anderer nicht verhindern will, sondern fördert. Die Selbstzerstörung und die Gier nach dem letzten "echten" steht im Gegensatz zu Menschlich- und Freundlichkeit. Und da in den USA die Bedienung der Schaulust traditionell am lukrativsten ist, musste das Ding hier stattfinden. Gut so.

Short Cut to Hollywood fragt, was Film darf. Als Zuschauer fragt man sich aber auch, was Film kann: wird dieser Film zu einer Abschaltung von RTL2 führen und zu einer Internierung der Bohlenklone? Kann der Film etwas anderes hervorrufen als eine Bestätigung der sowieso schon gefestigten Misanthropie? Hauptsache, das Pack bleibt unter sich und bleibt so schön offensichtlich doof, dann kann man es leichter meiden.

9/28/2009

Cloud Atlas, David Mitchell

Das ist einer der ersten allgemeinverständlich (also ordentlich und trennscharf) durchschachtelten Romane im Konsumgraben. Kein unheimliches Metaebenen-Gehusche wie bei House of Leaves oder so, nein: sechs Geschichtchen erzählen sich fast von allein und werden reihum ineinander eingewoben und dann unterbrochen. Das Label "Sci-Fi" kommt ins Spiel, weil zwei Ebenen jenseits vom Jetzt spielen.

Gut so, schön flüssig! Aber irgendwie zahm. Wo bleiben die Weltraumschlachten? Wo sind die Organkriege, die postapokalyptischen Kartographien? Wo sind die detaillierten Strategien gegen Architektur(en)? Mitchell hat eine Welt erschaffen, die Lust auf mehr macht, trotzdem bleibt der Leser an der kurzen Leine.

Das Thema selbst ist wahrlich episch: es geht um die Ausschlachtung des Menschen und seiner Materialien. Von der Maori-Versklavung bis zum geklonten Klon-Futter ist alles dabei. Die Welt ist ein Ozean voller verschieden großer Raubfische und allein die Gier einer Menschenmasse nach diesem Meer/mehr bleibt bestehen. Recht so. Was mag de Landa davon halten?

Obacht:

"Film Adaptation - In 2009 it was announced that the Wachowski Brothers had bought the rights to the novel, and that writer/director Tom Tykwer would be working on a screenplay."

9/23/2009

Infam! Wer nennt sein Kind schon 'Bruce'?

Da kann er ja seit nunmehr 60 Jahren nichts für. Und er hat es lange ausgehalten und wird wohl auch weiterhin in Außeramerika einer der unverstandendsten Musikanten bleiben.

Hier ein enormes Brett vom famosen "Nebraska":



Und eben jenes mit den genialen Arcade Fire:



Lieber Herr Boss, bitte machen Sie weiter.

District 9, Neill Blomkamp

Alle mögen District 9. Und es ist so leicht, ihn zu lieben! Ordentlich abgemischte Apartheitsproblematik, interessant gemacht durch grobmetallene UFOs und insektoid-verfleischlichte HD-Aliens mit ziemlich cooler Sprachausgabe. Dazu auch noch in Südafrika angesiedelt. Da war doch was, hu?

Zu bemängeln ist die inkonsequente Nutzung der Wackelkamera. Der Pseudojournalismus ist hier nur Dekor, nicht mitreißender Kern wie bei REC oder Cloverfield.

Aber das war es auch schon mit dem Gestänker: es gibt keinen Hollywood-Helden, der die Probleme für uns löst, sondern einen erfrischend unsympathisch-überzeichneten Infizierten, der langsam die Seiten (und die Fleischlichkeit) wechselt. Geile Waffen gibt es auch und es wird jacksonesk gespritzt und gekotzt.

Dralles Vehikel.

Penny Dreadful, Will Christopher Baer

Wie schade.

Mit Inbrunst wurde in den letzten Monaten eine Komplettausgabe der Neo-Noir-Texte von Herrn Baer gesucht und nicht gefunden. Nun wurde der zweite Roman des Phineas-Poe-Zyklusses einzeln erstanden und konsumiert.

Warum war der Name des Autoren so lange auf der ToDo-Liste? Wegen der Internetpräsenz The Velvet, die sich der Fans der Herren S. G. Jones (woohooo!), Craig Clevenger (wooohooohoo-hurra!) und eben auch W. C. Baer annahm.

Die Vorfreude war nicht gerechtfertigt. Insgesamt ein ordentlicher Mix aus Dark City und The Warriors jenseits aller Teengoth-Klischees, aber nicht viel mehr. Die düsteren Popkulturreferenzen beinhalten zwar Dungeons & Dragons und lykanthropische Elemente, aber Sex und Gewalt wollen nicht so recht zueinander finden.

Schade.

9/17/2009

Antichrist, Lars von Trier

Ah, das Böse ist also die Schwerkraft und die submolekurale Drift der Teilchen. Alles hat eine Halbwertszeit und was Dich und Architekturen nach unten zieht und zermalmt ist der Teufel. Und Frauen sind von Natur aus böser als Gene Simmons.

Antichrist ist kein Horrorfilm, sondern eine sehr überlegte Meditation über das Unwort "böse", welche in die allzumenschlichen binären Geschlechtskoordinaten führt. Niemandes Mutter lutscht hier Schwänze in der Hölle, obgleich der nicht jugendfreie Film drastische Bilder beinhaltet.

Eine mögliche Deutung ist folgende: Aber es geht mal wieder um die archaischste Form des Menschenlebens, nämlich die Familie, wie auch beim Exorzisten und so vielen anderen Filmen mit Teufelsbezug. Die Frau ist das böse und muss (vom Mann/Priester/Therapeuten/Polizisten) bekämpft werden, denn sie ist nicht an einer Abnabelung vom Nachwuchs interessiert. Auch in diesem Film spinnt die Mutter ein Netz, um ihren Status nicht zu verlieren. Sie schränkt die Mobilität ihres Sohnes und ihres Mannes ein. Sie will, dass die Zeit stehen bleiben, diese böse Kuh! Männer suchen sich genetisch bedingt 4 Jahre nach Erfolgreicher Begattung eine neue Partnerin, um ihren Samen weiteren Uteri einzupflanzen. Der Nachwuchs kann nämlich spätestens mit vier (der Mama davon-) laufen. Männer sind Distanziermaschinen. Sie sind fleischmobil. Werdende Mütter müssen sich schonen und gebären schließlich unter Schmerzen ein Kind - welches sie dann wieder eines Tages verlassen wird. Diese finstere Existenz der Frauen macht sie böse. Zum Antichristen, der die männlichen Stars der Bibel "in Versuchung" führt und ihnen den Weg (weg von der Frau und vom Heim und dem ganzen Geraffel) verbaut.

Die beiden Darsteller trauen sich was und rumpeln spannend umher, und keiner denkt mehr an den Green Goblin. Die schönen digital bearbeiteten slo-mo-Aufnahmen wirken etwas fehl am Platz - die hätten mehr Raum verdient.

9/13/2009

Danke, Appetit

Die tollsten Produkte wurden freilich hier gesichtet.

Sehr viel, aber sehr lecker.

9/03/2009

The Brothers Bloom, Rian Johnson

Huch! Fast verpasst, dieses Produkt. Sein Konsum war ein Unfall, aber gut so. Johnsons Film ist ein sympathischer Familienfilm mit leisem Humor und Tragik, und dazu auch sehr ansehnlichen außeramerikanischen Landschaften. Assoziationen zu Wes Andersons Oevre kommen auf (leider wurde der Darjeeling Express immer noch nicht konsumiert, verdammt, auf die Liste damit).

Die Brüder machen fiese Dinge und sind anfangs eins: einer mag das Geschäft, der andere nicht. Einer will voran, ein anderer zur Seite. Am Ende zerreißt es beide. Wie bei einem epochalen Scherz bleibem beim gelungenen Trickbetrug am Ende nur rauchende Trümmer.

Zum Glück ist das schöne Auto gelb und somit nicht superschön, da schmerzen die Schrammen nicht allzusehr. Rachel Weisz hat aber eine tolle Farbe und ist auch sonst eine wahre Pracht.

9/01/2009

The Dark Knight, Christopher Nolan

Ja, schon wieder. Immer wieder. Wieder und wieder und wieder. Fanboys haben einen Hunger, der in keinem Verhältnis zum Magen zwischen den Ohren steht.

"Wir haben die Dinge für immer verändert"... "Du brauchst mich"... "Ich kann diesen Bleistift verschwinden lassen". TDK ist einer der wichtigsten Filme des Jahrzehnts und bedient klassische Themen.

Vor Weihnachten wird das Ding bestimmt wieder konsumiert werden. Und wieder. Und wieder. "Wir müssen ihn jetzt jagen."

The Eden Express: A Memoir of Insanity, Mark Vonnegut

Mark ist der Sohn vom berühmten Kurt. Ja, der. Sein Wiki ist hier.

Mark war ein Hippie: seine Haare waren lang und seine Absichten easy. Mit einem Bachelor in Religionswissenschaft wollte er aufs Land, nach Kanada, und dort in einer Kommune die neue Zeit leben.

Doof nur, dass Mark an Schizophrenie leidet. Die so offene Alternativgemeinschaft hält ihn irgendwann nicht aus. Immer wird betont, dass die Leiden eines Menschen nur das Symptom einer gesellschaftlichen Erkrankung sind und somit sogar "gesund" und "vernünftig" sind. Doch irgendwann können die Freunde den lallenden Mark nicht mehr aushalten - und er selbst sich auch nicht.

Wortgewalt ist erblich: Wie auch Kurt weiss Mark zu schreiben. Allerdings ist er kein Romancier, sondern ein Erinnerer. Sein Text gewinnt an Fahrt, weil er die erste Person Singular so rein und klar verpackt. Mark vermeidet Mitleidspornographie durch Humor, Anstand und Ehrlichkeit; seine Absicht ist es, sowohl seine Geschichte zu erzählen als auch in verdauliche Brocken zu hauen. Das gelingt.

Am Ende des Buches wird alles gut. Das Nachwort überrascht: hier schreibt Mark, dass seine Schizophrenie heutzutage als manische Depression diagnostiziert werden würde. Er lobt die Errungenschaften der modernen Pharmaindustrie. Der ehemalige Patient hat sich die Haare geschnitten und ist heute etwas Wunderbares, nämlich Kinderarzt.

8/30/2009

Inglorious Basterds, Quentin Tarantino

Hu, da trauta sich was, hu? Ja und nein. Herr T. macht schon lange Filme über ein einziges Thema: nämlich sich selbst. Eines seiner Werke zu sehen heißt, sich ihm anzuvertrauen und einen groben Kontrast zum kinematographischen Einheitsbrei zu erleben. Es geht also vor allem um Gewalt, Frauen und die Füße derselben.

Kreativ? Ja. Lustig? Auja. Revolutionär? Nö - denn dafür müsste Tarantino einen nicht-Tarantino-Film machen. Seine Selbstdarstellung beinhaltet den Griff ins moralische Gedärm, da kann auch der olle Nazi-Schranz nichts dran ändern.

Die Verdauung der faszinierend un-postmodernen Faschistenwelt schreitet mit IB weiter voran. Erst wird geschindlert, dann gebunkert und nun also gesplattert. Denn letztlich ist Hitler nur ein Endgegner von vielen. Es geht eigentlich nur um die stylischen Bonuslevel, die Seitenarme im groben Plot.

Herr Pitt und vor allem Herr Waltz sind wirklich gut. Schön, dass es Herrn T. gibt und sie so zusammenführte.

Das ist ein Bingo. Neues Spiel, neues Glück.

Der Fremde in uns, Arno Gruen

Gruen mag Psychologe sein, aber zuerst ist er Humanist. In seinem leidenschaftlichen (und vielleicht auch deshalb preisgekrönten) Buch beschuldigt er lieblose Menschen, vor allem Eltern, leidende und fremdgesteuerte neue Generationen großzuziehen. Dabei nennt er zahlreiche Beispielbiographien aus der Ära des Nationalsozialismus - die schlimmsten Mörder waren einst die ärmsten Kinder. Gruen entschuldigt niemanden, zu keiner Zeit. Es geht ihm vielmehr darum, das Eindringen des Fremden in gesprengte Kinderseelen aufzuzeigen und wie leicht dann eine humanistische und gesellschaftliche Katastrophe wie das Dritte Reich begünstigt werden konnte. Sowohl Führer als auch Mitläufer werden nicht geboren, sie werden in Kälte und Einsamkeit herangezüchtet. Der (oder das) dann herrschende Fremde verdrängt dann die authentische, aber zerfrorene Seele des Menschen.

Der Autor zieht absolut nachvollziehbare Schlüsse: die gründliche und liebevolle Fürsorge muss Vätern und Müttern ermöglicht werden. Klingt gut. Mit polemischem Gekreisch nach Kindergartenplätzen und Verhütungsmitteln ist es aber nicht getan. Ein Staat, der seine Bevölkerung wie Vieh existieren lässt, ermöglicht das Auftreten der massenhaft Verfremdeten.

8/24/2009

Rage Against the Meshugenah - Why it Takes Balls to go Nuts, Danny Evans

Ein atemberaubend kurzweiliger Text über die depressive Erkrankung eines eigentlich funktionierenden Familienvaters. Ungelogen: zumindest in den ersten zwei Dritteln stehen gloriöse Sätze, die den nachvollziehbaren Todeswunsch mit begeisterndem Humor ausdrücken.

Besonders interessant ist der autobiographische Aspekt und das Wissen, dass der Autor das alles überlebte, um dann ein mitreißendes Buch zu veröffentlichen. Ist das besonders amerikanisch? Unter anderem bleiben die geschilderten Erfahrungen mit den diversen Psychopharmaka in Erinnerung, die das Fleischgefängnis von einer Grenzerfahrung in die nächste stürzen.

Irgendwie erinnert die Schreibe an die Leichtigkeit des Rennens mit Scheren.

Absolut empfehlenswerte Lektüre für sonnige, sehr helle Tage.

Hier der Autor online.

Zack and Miri Make a Porno, Kevin Smith

Der Titel ist durchaus auch das abstract. Gut so! Sehr ökonomisch. Ökonomisch sind auch die Gründe für Zack und Miri, einen Schritt in die erotische Unterhaltung zu wagen.

Das schlimmste an dem Film: er spielt nicht im gewohnten Smith-Universum. Jay und Silent Bob gibt es nicht - der Schauspieler des ersteren spielt sogar jemand anderes. Das gute: Ben Affleck spielt nicht mit, aber Superman.

ZMMP ist durchaus sympathisch und richtet sich an Menschen, die das Wort "ficken" häufiger als fünfzig mal pro Minute ertragen. Drastische Sprache ist bei Smith Programm, aber nicht mit Ziel sondern als realistische linguistische Prägnanz. So spricht man halt, verficktnocheins.

Freilich finden die platonischen Freunde zusammen und alles wird gut - aber am Ende stört die Harmonie doch ein wenig. Wie schon bei Hangover wird man zunächst auf die böse Schiene geleitet, auf die Rücksichtslosigkeit, die zumindest Rogen mit der Kaufhaus-Cop-Klamotte Observe and Report so trefflich darstellen konnte. Aber wie Hangover wandelt sich Zack and Miri von der rauhen, rachenputzenden, bitteren Medizin am Ende in einen eher süßlichen Weihnachtsgrog. Knocked Up war ein wenig frischer. Anders, aber frischer.

Insgesamt ist festzuhalten, dass sich einiges an der Komödienfront, jenem erbarmungslosen Ort, der durch ein schweigendes Publikum in ein Totenhaus verwandelt wird, ändert. Es war ein langer Weg von Day und Hudson zu Rogen und Banks. Wo mag er hinführen?

8/12/2009

Public Enemies, Michael Mann

Hunde, wollt ihr ewig leben? Hinein in die Kostüme mit euch superteuren Schauspielern! Nein, so ganz wie ein Errol-Flynn-Film schmeckt Public Enemies nicht. Aber ein wenig.

Herr Mann kennt sich aus in der kalten Nacht und weiss genau, wie er sie in Szene setzen kann. Einige Dinge kann nur er: eine eindeutige und nicht übertriebene Verbrechensästhetik einfangen, zum Beispiel. Sogar Miami Vice konnte er zu einem guten Film machen, trotz des cheesy franchise-Schattens. Wie auch bei Heat und Collateral hat Public Enemies zwei Über-Schauspieler zu bieten.

Aber hier geht was anderes: Mann hat einen Kostümfilm gemacht. Mann hat nicht vergessen, dass Dillinger und seine Mär so amerikanisch ist wie Cash und Presley. Und der Depp-Fan will auch den Depp sehen. Also stehen viele Sensibilitäten im Raum und Mann darf es sich mit dem Studio nicht verscherzen. Eigentlich erwartet man so etwas von Spielberg (bei dem wären die ruppigen urbanen Feuerwaffen aber bestimt ähnlich). Richtig spannend (und weniger nüchterner Kostümfilm) hätte das ganze bei Terrence Malick werden können.

Zum Kostüm kommt auch eine kleine Geschichtsstunde: wie war das mit der Depression, wie ungenau ballerten die Tommy Guns (die Akustik beeindruckte - vielleicht gute Sitze im Saal) wirklich und kann es sein, dass die damals erwachenden Massenmedien auch heutzutage definieren, was ein Feind und was ein Verbrechen sei?

Wäre der Film in Schwarzweiss besser gewesen? Das kann man dank DVD herausfinden. Aber doch, er gefiel. Ein anderer Mann, aber er gefiel.

8/11/2009

The Lazarus Project, Aleksandar Hemon

Was war das denn? Ok, die thematischen Eckpunkte sind zeitlos und könnten für eine gute Geschichte taugen: Diaspora vor 100 Jahren und heute, amerikanische Exilexistenz, Erinnerungen und Wiedergeburt in biologischer und sozialer Hinsicht. Dazu der wilde Osten. Hier riecht es wirklich, als ob alles erleuchtet ist und als ob ukrainische Traktoren in der Garage stehen. Aber auch DBC Pierre hat ja sein OstQuest zeitgeistig abgeliefert.

Immerhin sitzt mal jemand im Plumpsklo, das rockt. Aber ansonsten ist der Roman duselige Verklärung des alten Unterhaltungspferdes namens Antisemitismus. Ja, wir sind ja alle so betroffen. Ethnologie ist kniffelig. Wen bringt das weiter? Der nächste, bitte.

Fleckenteufel, Heinz Strunk

Mit Freude wird der lange Schatten von Charles Bukowski zur Kenntnis genommen. Das wird hier auch gleich explizit gesagt. Gut so. Thema des Fleckenteufels ist freilich die pubertäre und omnipräsente Sexnot und die Funktion der unterschiedlichen Verdauungssysteme.

Ansonsten ist Fleckenteufel ein niederschmetterndes und wahrhaftiges Buch und es ist sehr schade, dass der Verlag Herrn Strunk anscheinend gegen Frau Roche ankämpfen lässt. Das hat er nicht verdient. Ekel ist ein wichtiger Teil der menschlichen Existenz und wer ihn nur zum Zwischengrusel zulässt mag eines Tages zerbrechen wie antiker Katzenkot auf einer Wüstenstraße.

Lake Placid 2, David Flores

Lake Placid wurde unter anderem von David E. Kelley produziert und es spielten Bill Pullman, Bridget Fonda, Oliver Platt und Betty White mit. Es wurde als kurzweilige Horrorkomödie konzipiert und es geht vor allem um Krokodile und Sümpfe.

Das klingt schon mal gut.

Doch leider hat Lake Placid ZWEI damit nichts zu tun. Nur Titel und Thema wurden beibehalten. Der Konsum dieses Nicht-Sequels war ein Unfall und vollzog sich auch wie einer: charmlose grottenstumpfe Kleinstunterhaltung mit pixeligen Alligatoren, humorfrei abgefilmt und schlampig durchgerumpelt.

Ärgerlich. Diese anderthalb Stunden kommen nie wieder.

Eagle Eye, D.J. Caruso

Ein sehr beklopptes Ende. Das Hal9000/Skynet-Ding bekommt was ins Auge und geht unter. Das ist bei Sauron auch nicht so gelaufen. Jaja, das Auge und seine Gewalt.

Ansonsten: die Invasion der Dinglichkeit. Was Transformers (ja, danke, Shia) mit Kirmesschwung macht, versucht Eagle Eye anhand bekannter U- und E-Maschinen. Also eher durchschnittliche Explosionskost, obgleich da wenigstens was für's Auge (s.o.) abfällt. Außerdem ist ein Film, in dem Billy Bob dran glauben muss, verdächtig und unprämierbar.

8/01/2009

The Zombie Survival Guide: Complete Protection from the Living Dead, Max Brooks

Man kann es gar nicht genug betonen: auch heute noch geben sich einige Menschen der Illusion hin, dass sie die Invasion der wandelnden Toten einfach so überleben werden. Ganz ohne Vorbereitung! Wie soll das gehen?

Endlich hat sich ein junger Patriot und Humanist namens Max Brooks ein Herz gefasst und für all diese Lämmer einen Wegweiser verfasst, der über die Do's und auch die Don't's im kommenden Zeitalter der Verteidigung des lebendigen Fleisches aufklärt. Die einzelnen klaren Kapitel decken alle Fragen ab, die sich im Falle kleiner und großer Zwischenfälle mit den verdauungslosen Fressmaschinen ergeben können. Kampf unter Wasser! Der Segen eines Mountain Bikes! Ein Kettenhemd - ja oder nein? Warum gehört ein Kartenspiel in den Rucksack? Wieviel Munition braucht meine Machete?

Also: Seid bereit! SEID IMMER BEREIT!

Das Bild stammt vom Blog blackpoliticalthought.blogspot.com.

Flood, Andrew Vachss

Noiry Thrillerkost, dessen Titel von den Fanseiten des Herrn Palahniuk stammt. Und ein wenig Enttäuschung macht sich schon breit: die Femme ist fatal und kann Karate, der Haudegen-Held ist freilich grob und minimalst moralisch und die Widersacher sind außer bösartig nicht viel mehr. Was soll da so besonderes da sein? Die Nutten? Die Transen? Die Transennutten? Nee, das ist doch nichts neues. Charles Himes kann das besser.

In Büchern wie Flood beginnen die Pädophilen damit, auch den Leser zum Opfer zu machen: dank ihrer gnadenlosen Eindimensionalität. Kinderschänder sind immer egal, deshalb ist ihr gewaltsames Ableben auch weder kathartisch noch feierwürdig. Es ist ja nicht schlimm, wenn ein Genrewerk genretypisch simpel sein will... aber es muss stilistische Schärfe und Eindeutigkeit besitzen, einen dekorativen Mehrwert. Tarantino verstand dies. Einst.

Herr Vachss hat aber eine coole Augenklappe. Immerhin.

7/28/2009

The Rebel Sell, J. Heath & A. Potter

Untertitel: How the Countercultural Became Consumer Culture.

Das wurde ja auch Zeit. Endlich bekommen diese dumpfen Globalisierungsgegner, die sich von ihrem Antiwelthandelstreffen gern einmal ein Tshirt mitnehmen und die wegen bolivianischer Esel nur Fairtrade-Bohnen kaufen, hochwertige Informationen vorgesetzt. Heath und Potter entzaubern diesen chicen Hype des "alternativen" Lebens, des sogenannten politisch motivierten Einkaufens und bringen die simplen Zwänge der Verbraucheritis auf den Punkt. Von den Beats über die Hippies zu den GenXers: immer war der eigene Narzissmus Grund für das komplexe Gerödel an der Kasse.

Die Schreibe ist sehr schick: in fixen Kapiteln reiten die beiden Autoren durch die Konsumentenwelt und klatschen Alanis Morissette und Starbucks-Gegner ab, ohne auf ihren zerstörten Leibern herumzuwalzen. Muss ja auch nicht sein. Aber diese verkackten PR-Aushilfen mit ihren Biokarotten und Soja-Surrogaten nerven schon lange. Heath & Potter hätten sich aber an manchen Stellen auch kürzer fassen können, teils zerfasern die Kapitel in interessante, aber wenig apellative Episoden. Dankbar darf man für die Nennung von Thorstein Veblen sein, dessen Schriften weitere Perspektiven erschließen könnten.

Und es muss gestanden werden, dass der Konsumgräber sich freut, denn er fühlt sich bestätigt: Kalle Lasns Adbusters sind freilich ein guter Anfang, da sie die Warenströme des Lebens bemerkbar machen. Doch auch in diesem Blog wurde nach der Lektüre von Culture Jam bemerkt, dass Lasn irgendwie zu wenig Radikalismus an den Tag legt. Man könnte fast meinen, er ist noch in der Ästhetik gefangen, während er den erhabenen Anblick des totalen (wertneutralen) Kapitalismus vermeidet.

Auf zu Burger King. Wir brauchen mehr Transformers-Bausätze aus blindmachenden PVC-Derivaten. Der Feind ist kein Subjekt. Die Revolution wird nicht in Büchern angekündigt werden.

7/27/2009

Period, Dennis Cooper

Der letzte Teil von fünf. Da Herr Cooper nicht Agatha Christie heißt, gibt es auch keine "Auflösung" oder solchen Kinderkram. Vielmehr wird George noch mehr zum Gespenst, er hat irgendetwas mit dieser Geschichte um Satansanbetung und Verstümmelung zu tun. Was? Er ist nah, sein Schatten flackert durch das Fenster.

Die unvergleichlichen Cooper-Texte laden freilich zum wilden Fabulieren ein.

Wenn Charaktere in einer Geschichte ein Stück ihrer Selbst verlieren, dann ist das ein Gewalt-Event. Da ist ein Punkt der Abhackung, so wie ihn männliche Teenager erleben könnten. Wer tat was wem wie an? Aber wenn die Charaktere schon bei Beginn der Geschichte unvollständig sind und bereits (adoleszenzinduzierte?) Amputationen erfuhren, wie real ist dann dieser vergangene Abhackungspunkt?

Etwas eigenartiges geschah kurz vor dem letzten Lektüre-Akt: der Konsumgräber sah den Trailer zu Tron2 in HD und bekam die Bilder bei Period nicht aus dem Kopf. Cooper macht also Cyberwelten? Nunja: in dem Trailer gibt es vielerlei glänzendes Schwarz und einen leeren Himmel, einzelne Neonsterne beleuchten nur sich selbst und da unten, auf einer endlosen Ebene jagen die Partikel (Avatare, Protagonisten, Algorithmen?) dahin und teilweise auch einander. So nah sind die Arenen. Dennis Cooper und Disney, Facetten eines Ganzen.

Whoa, das kann es doch noch nicht gewesen sein.

Bild von SciFiCool.

He Was a Quiet Man, Frank A. Cappello

Capello hat auch Constantine gemacht. Soso! Das hilft bei einer Notiz zu HWAQM aber auch nicht weiter.

Das ist ja so eine Sache mit der schlechten Laune. Die muss ja auch verteidigt werden. Und wenn einem, der eigentlich fertig hat, doch etwas gutes widerfährt, dann folgt dem Erstaunen die Verunsicherung.

Ein verhinderter Amokläufer muss feststellen, dass er sein Leben nicht so beenden kann, wie er will: da sind noch Überzeugungen in seinem Kopf, deren Schlagschatten ihn irgendwie zum Weitermachen bringen. Phantom-Emotionen. Außerdem ist da die Liebe, gefangen in einem verkrüppelten Körper. Hier treffen geschundenes Inneres und Äußeres aufeinander und vermischen ihre Kontaktzone.

Beworben wird das Produkt als Mischung von Falling Down und Fight Club. Ja, gut. Mit denen hat es mehr zu tun als mit dem Teufelstänzchen Constantine. Aber für die Blockbuster-Liga ist HWAQM zu spröde. Gut so.

JCVD, Mabrouk El Mechri

So wird das gemacht, jawohl. Man muss sich eingestehen, dass Filme auf Basis von Echtzeit, -raum, -personen schon vor längerer Zeit das Kino erreicht haben. I'm not there, aber wo denn dann? Authentisch soll es sein - und weil Filme wie Karate Tiger (oder überhaupt Actionfilme) nicht mehr ohne weiteres für die Masse funktionieren, kann sich der Platzhirsch des Genres auch mal etwas so feines wie JCVD überlegen.

JCVD ist keine Satire, keine Angst - ein zweiter Last Action Hero musste von der UNO nicht verhindert werden. Nein, der Film lässt einen B-Movie-Bolzen einen B-Movie-Bolzen mit identischem Namen spielen. Und der macht das gut. JCVD ist auch kein Epos, eher ein Kleinstadtthriller. Aber immerhin kommt der entheldete Held zu einem wirklich guten Monolog, Authenzität (Authentismus?) hin oder her.

Monsieur Van Damme, hatten Sie die Idee zu diesem Film selbst? Kann nicht sein! Auf's Maul!

Hangover, Todd Phillips

Erfolgreich ist dieser Kater ja - wahrscheinlich weil er so sehr sommerlich daher kommt. Und wenn es warm wird, dann verdunstet mehr Flüssigkeit und der Elektrolytehaushalt gerät ins schlingern. Irgendwann ist dann nur noch zerknüllte Alufolie zwischen den Ohren.

Ein schöner Film. Aber brav. Doch, brav: hier ist alles zu vorgezeichnet. Las Vegas als Touristenattraktion der Mittelschicht, die sich ein Jahr in einem eierquetschenden Drecksjob abplagen muss um dann 32 Stunden orgiastisch zubringen zu dürfen. Las Vegas, das Ventil. Wo wäre man denn ohne? Wahrscheinlich bei einem ausgewogeneren Alltagsleben... aber egal. Hangover ist ja keine Sozialklamotte, sondern eine Komödie. Und das geht ok. Teils werden die herben Scherze aus dem Judd-Apatow-Kosmos simuliert, aber nur teils. Zumindest geht das Produkt in der zweiten Hälfte ein wenig von der Bremse.

Brav kann schön sein. Voll in die Fresse, ja, aber das Produkt hat freilich wenig mit Leaving Las Vegas gemein. Schön.

P.S.: Den Vegas-Wahn fängt Very Bad Things viiiiiiel besser ein. Da erreicht man den Abspann nicht so entspannt wie im klebrig-menschelnden Hangover.

7/23/2009

T.A.Z. - The Temporary Autonomous Zone - Ontological Anarchy - Poetic Terrorism, Hakim Bey

Auf, auf, Piraten, johoo. Hakim Bey ist eine jener Persönlichkeiten, die wohl nie in Geschichtstexten über das dämmernde dritte Jahrtausend erwähnt werden wird. Er ist belesen und engagiert und man kann sich vorstellen, dass er in einem zu engen Zimmer mit enorm viel Druckwerk unterschiedlichster Art haust. Vor einer antiken Schreibmaschine hackt er seine Texte und erhellt den Teil der Welt, der ihn findet.

Es geht um nichts geringeres als Freiheit, jawohl. Wie frei ist gut? Sehr frei ist noch zu wenig! Anarchie muss her, im Kopf und außerhalb. Trotzdem ist Bey kein schicker Grundschulpädagoge (die grölen das ja manchmal auch).

Nur Freiheit ermöglicht lustvolle und sinnerfüllte menschliche Existenz. Deshalb preist Bey das Piratentum. Man bilde eine Bande und begebe sich auf Fahrt. Man suche sich einen Hafen und sehe ihn als zeitweise Zuflucht vom Rum-saufen auf See. Mit den Landratten und ihren Mauern und Türmen und Banken und Starbucksen kann man sich nie einigen - also meiden.

Bei aller Feierei muss eines aber geschaffen werden: nämlich die T.A.Z. Ein gähnendes Herumzecken langt nicht. Die Bedingungen für etwas echtes und bewegendes sind immer endlich - und doch müssen sie immer neu erarbeitet werden. Nur wo Kräfte roh walten können, kann auch etwas entstehen. Innovation kann nie durch Gehorsam erlangt werden.

Beys Text befasst sich unter anderem mit Geschichte, dem Teufel und dem Internet. Er kann an viele Themen der Gegenwart andocken: flash-mobs, nomadische Existenz, zwanghafte Individualisierung und Systemgrenzen der herrschenden Autoritäten. Sein Text läuft aber dem Zeitgeist nicht modisch hinterher sondern offenbart ein erdige und hoffnungsvolle Sicht auf die herbe Welt da draußen. Sehr empfehlenswerte Lektüre.

Hier auf deutsch umsonst.

Hier auf englisch gegen Geld.

Und hier der Verlag.

7/22/2009

Und Nietzsche weinte, Irvin D. Yalom

So ein Haufen Mist. Ein Ausflug auf die Rosi-Pilcher-Farm. Endlose Dialoge toter Charaktere. Die historischen Personen werden textuell rundgelutscht, damit sie hübsch ins Regal passen.

Gähn.

7/19/2009

A Thousand Years of Nonlinear History, Manuel de Landa

"Materialismus" ist ein hartes Schlagwort und hat eigentlich wenig mit Kaufrausch zu tun. Hier geht es auch weniger um die Akkumulation von Krempel, sondern um seine Produktion, Emission und den Krempelfluss im Allgemeinen und Speziellen. Geschichtsphilosophie also. Es gibt auch einen wiki zu dem Produkt.

Warum wird sowas im Konsumgraben erwähnt? Weil es unter anderen auch zur Unterhaltung beitrug.

Es geht um das zweite Jahrtausend. De Landa untersucht den Gang von drei Arten von Materie: geologische, ökonomische und linguistische. Ja, das nennt er alles Materie, obwohl man nur ersteres vielleicht direkt im Laden in Form von Kohlenbriketts oder Verlobungsringen kaufen kann. Also: alle drei Materialien wurden im letzten Jahrtausend gehörig durcheinander gewirbelt. Sie wurden an alle Enden des Globus getragen, verknüpften diese miteinander und ermöglichten die Schaffung neuer Abhängigkeiten und Zusammenhänge. De Landa betont dabei die vielschichtige Dynamik: er fängt bei der Energie der Sonne an und landet irgendwann beim Joghurt, aber er malt keinen einzigen schwarzen Pfeil zwischen beide. Sinnvollerweise setzt er um das Jahr 1700 einen kleinen Punkt: da waren die Systeme so vielschichtig verwurzelt, dass sie sich selbst erhalten konnten (obwohl diese Meinung eigentlich eher furchteinflössend ist).

Inhaltlich geht es (wie "nonlinear" schon impliziert) um die deleuzianische Perspektive, inklusive Emergenz, Werden statt Sein, Komplexität und Bifurkationen. A Thousand Years ist keineswegs düster grollend oder provokativ aber es entzieht jeglichem Anthropozentrismus oder sonstwelcher Romantik den Boden. De Landa schreibt sehr klar und verständlich und auch von Verlagsseite (Swerve) wurde durch das gute Layout eines der besseren geisteswissenschaftlichen Taschenbücher geschaffen. Hier ist es zu erstehen. De Landa ist kein Peter Lustig. Er erklärt nicht die Welt sondern argumentiert für eine bestimmte Sichtweise auf selbige. Sein Schlusswort ist, so wie es sein soll, am erhellendsten: einige Schlüsselbegriffe seiner Disziplin werden von De Landa einleuchtend kontextualisiert. Fragt sich nur, ob das so bleibt.

Friday the 13th, Marcus Nispel

Macheten sind wundervolle Werkzeuge. Verwunderlich nur, dass die von Jason offensichtlich auch an der Spitze scharf ist - bei einem bloßen Werkzeug wäre das nicht so. Voll gruselig!

Dieses Produkt ist eines von vielen nach vielen - die ganzen Slasher-Remakes bedienen sich an einem enormen Fundus solcherlei B-Movies der 80er und verpassen der Optik ein Update. Inhaltlich wird nicht viel verändert. In dem vorliegenden Beispiel wird die Handlung allerdings komprimiert. Sei's drum: Heranwachsende der Westlichen Zivilisationen nutzen erst Micky Mouse, dann Superman und schließlich Jason (und Freddy und Michael...) als Unterhaltungswerkzeuge. Warum? Weil sie es können. Die stumme Todesmaschine darf mit Tabus herumspielen, um deren Gewicht sich jeder vor dem Erwachsen-Sein einen Kopf machen sollte. Ach nee, streicht das, das klingt voll pädagogisch.

Wer sich mit den Schock-Mechanismen und dem Lo-Fi-Unterhaltungskosmos weiter beschäftigen will, der sollte unbedingt die Dämonentheorie von Herrn Jones lesen. Welch ein Brecher.

The Blair Witch Project, Daniel Myrick & Eduardo Sánchez

Und wieder sind es die jungen Menschen, die scheitern. Dummheit muss bestraft werden. Los, leidet - leidet für die Schwäche euresgleichen.

So soll es sein. Zwar ist das hier ein Produkt, dass damals durch gemeinen Pseudorealitätsanspruch beworben wurde, aber auch mit dem Wissen ob der Existenz von Regisseuren kann der Grusel aufkommen. Denn letzterer ist ja das, was im Köpfchen entsteht und durch beiläufige Bilder und Geräusche stimuliert wird.

Es sind diese kleinen Dinge am falschen Ort, die erst Verwunderung stiften und dann eine unheilvolle Narration erzwingen, die das ganze verknüpft. Zuerst die Ereignisse: Geräusche im Dunkeln, plötzliche Gesteinsformationen, Kinderrufe. Das Zuschauerhirn kann diese Dinge nur in Reihe schalten, indem es den zuvor arglos gestreuten Gerüchten um menschenmordende Waldbewohner Glauben schenkt. Horror macht den Zuschauer zum Opfer und ist deshalb eines der wahrheitsstiftenden Filmgenres wo gibt.

Freilich sind die verschleimten Nasenlöcher mittlerweile überall kopiert worden, aber sei es drum. Die Hexe von Blair darf in ihren Wäldern bleiben. Der Film hat die Art des Filmemachens in Hollywood nachhaltig beeinflusst.

Broken Angels, Richard K. Morgan

Die zerbrochenen Engel sind eigentlich fossile Marsianer. Huch, war das jetzt ein Spoiler? Nein!

Warum wurde dieses Produkt konsumiert? Weil der Vorgänger sehr unterhaltsam war. In Altered Carbon war der Detektivroman noch das ferne Vorbild, bei Broken Angels ein wenig Indy Jones, Rambo und Buck Rogers. Aber steht ihm gut, dem Roman.

Freilich ist die ferne Zukunft düster: Fleisch ist immer noch billig und austauschbar. Die Menschen hausen in Speicherchips am Rückgrat und bewohnen ihre ablebbaren Körper nur zeitweise. Solange die Chips existieren und aus den verkohlten Leichnamen gepult werden können, solange ereilt einen auch nicht der Echte Tod. Morgan macht einem klar, dass das Besiedeln anderer Sonnensystem eigentlich nur gelingen kann, wenn die widerliche Fleischfessel, die die so gloriöse menschliche Seele einkerkert, durchschnitten werden kann.

Beim Konsum schwand dann aber langsam die Geduld. Gegen Ende wird alles doch irgendwie Tom-Clancy-mäßig und eine öde Militärschau untergräbt die Erbarmungslosigkeit extraterrestrischer Kriege und strahlenverseuchter Temporärkörper. Das nächste Mal bitte auch mehr Raumfahrt und weniger seltsamen VR-Beischlaf im Wellness-Center.

Waren es nicht einst Knorkator, die sangen "Ich lass mich klonen..."? Recht haben sie. Wer nicht mitmacht, der muss sterben.

7/16/2009

Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens, H. R. Maturana & F. J. Varela

Eine empfehlenswerte griffige Abhandlung über das Leben, das Erkennen und das Unterstellen von ersterem. Hier zu kaufen.

Die Herren Wissenschaftler haben eine angenehm sachliche Schreibe. Einige schöne Bilder und Grafiken vereinfachen das Verständnis enorm (das tollste Bild ist der Affe, der einer Katze die Maus wegnimmt).

Vom Baum der Erkenntnis kann man fix in Begrifflichkeiten wie Ewige Wiederkehr, Rhizome und Konstruktionsprozess der Wirklichkeit springen - belassen wir es an dieser Stelle mit dem Terminus, der als Hauptgrund für den Konsum des Buches herhielt, nämlich dem der Autopoiese. Maturala und Varela machen klar, dass Organismen und sonstige Entitäten (vom Pantoffeltier bis zum Regenwald) in der Zeit existieren und ihre eigene Struktur solange erhalten, wie sie es können. Dabei nehmen sie die Welt nicht passiv wahr und sind ihre "Opfer", nein, sie nutzen ihre Sensorik, um einen für sie relevanten Realitätsausschnitt zu erzeugen. Erkennen ist eine Aktivität. Jeder Beobachter (also auch der Leser jener Zeilen) muss sich seiner Position bewusst sein: eine endliche, unabhängige und objektiv wahre Welt ist eine schöne Illusion. Zwischen sich selbst erhaltenden Entitäten können strukturelle Kopplungen entstehen, die darf man dann Symbiose nennen. Oder Ursprung komplexen Lebens.

Ein sehr lesbares, erhellendes Buch, das einmal eine große Runde macht: von der Geologie zur Genetik, von der Sprache zum Bewusstsein und (vor allem) wieder zurück.

7/15/2009

Der Ekel, Jean-Paul Sartre

Wer sich für den ganzen literaturwissenschaftlichen Kram interessiert, darf hier klicken und bekommt griffige Oberflächlichkeit mit anzweifelbarem Schlusswort.

Denn so verhält es sich ja mit grimmigen Klassikern, oder? Woran erkennt man eigentlich einen grimmigen Klassiker? Ganz einfach: dass er nie direkt verfilmt wird aber eben doch ein Hauptbestandteil aus dem mainstream nicht mehr wegzudenken ist. Beim Ekel wäre das die Verzweiflung.

Eigentlich sollte der Ekel Melancholie heißen. Warum die Umbenennung? Wahrscheinlich weil Ekel ein griffigeres Gefühl ist. Beim bösen M-Wort denkt man an seufzende Weiber auf Balkonen und impotente Männer vor dem Medizinschrank. Ekel ist da anders: hier ist ein Reiz, der durchs Gedärm geht, etwas, das ein Ereignis verursachen kann - das kann dann ekstatisches Erbrechen, Suizid und/oder Genozid sein (und somit eine Schau).

Und wie gestaltet sich der Konsum des Ekels (welch vokabulär interessanter Satz! Ursache und Effekt als Gegenstand einer Prozesslichkeit... exorbitanter Schwafelfaktor!)? Dünnflüssig und eher seicht. Da gibt es einen Protagonisten und der liest und schreibt den lieben langen Tag und er haust in einer bedeutungslosen Stadt, umgeben von bedeutungslosen Menschen. Sein Leben ist so uninteressant, dass einen der Hype um das Buch (seine "Klassiker"-Aura) weiter vorantreibt. Belohnung sind Sätze, die enorm schlicht und wahr erscheinen, dabei keineswegs die Erbauung des Leser beabsichtigen und wahrscheinlich nur zwischen zwei Weltkriegen geschrieben werden konnten. Historisch ist der Ekel nah an der angloamerikanischen Noir-Tradition und man könnte hier einige Bezüge herstellen. Einer gegen alle. Einer unter/über allen. Das All in dem Einem. Alles in einem.

Ein kleiner Tipp: Camus ist zwar auch Franzose, aber er kann etwas besser schreiben als der hauptberuflich als Philosoph tätige Sartre. Und wer meint, dass ein kleines Hobbyblog aus Germanien hier die Wucht, den Nachhall und das gegenwärtige Wiedererstarken des Existenzialismus umreißt, der hat sich noch nicht genug geekelt.

Matrix, Wachowski Bros.

Der erste Teil wurde diesmal nach Reloaded und Revolutions geschaut. Warum? Weil sich ein Verdacht bestätigen musste.

Dieser Verdacht ist nicht sehr originell und bestand darin, dass der Originalfilm viel mehr Strahlkraft hat als seine Fortsetzungen Reloaded und Revolutions. Das hat der Konsum sehr leicht bestätigt. Mit Wohlwollen erinnert sich der Gräber an die Zeit zurück, als das Produkt für das Kino beworben wurde und auch URLs dabei eine tragende Rolle spielten. Und als Morpheus dann den VR-Kram erläuterte wusste man, dass der mainstream einmal mehr ein bekanntes Motiv eskapistischer Unterhaltung erobert hat. Noch dazu kann jeder verlauste Lebenskunde-Schüler mit der ollen Matrix seine graupeligen Lehrer beglücken. Wir busten die blocks mit einem empiristischen Cerealien-Gericht und Zeitlupe.

Ein wichtiges Produkt, welches in vielerlei Hinsicht Folgeprodukte inspirierte. Titanic hat das nicht geschafft, oder?

The Haunting in Connecticut, Peter Cornwell

Ektoplasma?

Auf germanisch ganz stur "Das Haus der Dämonen" genannt. Gähn.

Es ist seltsam mit den Menschen: sie lachen nur, wenn sie in entsprechender Stimmung sind, wenn sie quasi die Beine spreizen und die Penetration durch die Rhetorik zulassen. Aber beim Erschrecken ist das nicht so: wenn ein "Buh!" richtig sitzt, zuckt auch der verkrampfteste Zuschauer noch zusammen. Gerade im Kino, wo sonst ja eh wenig Reize aufs Gehirn trommeln.

Cornwell versteht das wie auch die Trilliarden Gruselregisseure vor ihm: zeitgemäß setzt er Schatten und aufrüttelnde Akustik ein, um die finstere Geschichte zu erzählen. Wieder gilt es, eine Geschichte innerhalb der Rahmenhandlung zu entschlüsseln und das kathartische Finale darf wie immer erst eintreten, wenn Gegenwart und Vergangenheit gleichförmig aufgelöst werden.

Eines der klassischen Themen des Horrors ist die Familie und ihr etwaiges Ende. Es sind die schmerzhaften Risse in dieser kleinsten vom Staat weiterhin geheiligten sozialen Einheit, die in Gruselschinken wie The Haunting ihren Ausdruck finden. Am einleuchtendsten ist das kranke Kind, also die Investition in die Zukunft, die sich für die Eltern als (wahlweise körperlich oder auch seelisch) fehlerhaft erweist. Man denke nur an den Exorzisten mit dem verstörenden weil unhygienischen Töchterlein. Auch The Haunting nähert sich den bekannten, wenig hinterfragten Standards des Familienlebens nicht auf innovative Art und Weise. Der interne Druck wird aber verstärkt, da der kranke Matt, der Fokus der "bösen" Mächte, ein Teenager ist, der sich eigentlich eh gegen Mutter und Vater auflehnen sollte. Mehrfach wirft er dem jüngeren und auch noch blonden Bruder böse Blicke zu, denn dieser könnte die Rolle des Kronprinzen bald übernehmen. Leider fehlt dem Film die Zeit, um mit diesem Konflikt noch etwas mehr zu spielen.

Ein schöner Film, der sich des großen Themas Familie|Haus|Knotenpunkt auf klassische Art und Weise annähert. House of Leaves geht da freilich "tiefer", aber das ist ja auch ein Buch und eh viel cooler.

jPod, Douglas Coupland

Von wegen OneHitWonder. Coupland bezaubert erneut, indem er aus Autismus, Sportschuhen, virtuellen Schildkröten und Heroin einen süffigen Cocktail braut.

Für eine detaillierte Inhaltsangabe sei die entsprechende wiki-Seite empfohlen.

Warum gefällt das? Weil es schnell ist. Beim fixen Durchblättern fallen zunächst die typographischen Experimente auf und man fragt sich, ob Coupland mit übergroßen Lettern oder sonstwie gestalteten Textkonvoluten nur Seiten verbrauchen will, um auf ein verkaufsoptimierendes Taschenbuchformat zu kommen. Doch nein! Die kleinen Ausflüge ins Plakative sind mit Bedacht platziert und machen somit Sinn. Freilich kann sich ein dumpf-satter westlicher Konsumgräber keine chinesischen Schriftzeichen merken - es ist aber schön, sie an situativ angemessener Stelle vorzufinden.

Coupland baut einen kleine Ellis: wie letzterer im Lunar Park spielt ersterer mit sich selbst als Charakter in der Geschichte. Das macht er auf drollige Art und Weise: "Coupland? Oh I hate that hyped writer!"

Gut so. Mehr, danke.

7/09/2009

Ice Age 3, Carlos Saldanha

Lasst es uns noch einmal tun, für die Kinder. Nein. Natürlich für die Kohle! Stört das? Nö.

Kommen wir zum Kern der Geschichte: der Kern ist die Hülle, nämlich das Fell, das die Protagonisten an sich haben. Im Abspann werden mehr als zwei Dutzend "fur"-Verantwortliche genannt und das sieht man auch. Das Mammut ist anders bepelzt als der Säbelzahntiger und die Frisuren der am Ende drei Mammute (Mammuts? Mammuti?) versprechen allesamt eine unterschiedliche Haptik. Der Konsumgräber streckte im Kino die Hand aus. Mit offenem Mund wollte er die haarigen Flächen betasten. Die Häute der Dinosaurier sind stattdessen eher öde, weil kahl. Sterbt doch aus, ihr lahmen Flächen.

Bei South Park ist es ja so, dass da dauernd Winter ist (oder war), weil Weiß ein guter Hintergrund sein kann, da es so simpel zu konzipieren ist. Ice Age hat diese Farbe nicht mehr nötig. Zu recht begibt sich der Trupp also in die Unterwelt, um dort allerlei Gebüsch zu schütteln. Alles wackelt gleichzeitig.

Es wird auch mehr gespuckt und geschleimt als in den Teilen davor. Welchen pädagogischen Nutzen mag das haben? Teil 4 kommt bestimmt auch bald, voller Farn und Haar und Schleim, und alles besser als das reale Ding an sich.

7/07/2009

Bullets, Archive


Die Standardbeschallung des Monats kommt aus England. Stetige Begeisterung bringt sie mit sich, und sogar das Video ist schön. Das ganze Album heisst Controlling Crowds und ist auch mit einer netten Bonus-CD zu erstehen. Bleibt nur zu hoffen, dass da kein dicker Hype kommt und Archive in der Brandung versenkt werden.

7/05/2009

Winterbirth (Godless World), Brian Ruckley

Die erste Hälfte ist ein wenig schnarchig. Dann unterhält das dritte Viertel sehr, bevor im letzten dann alles auf Sequel geschaltet wird und die Spannung ob ihrer Unerlösbarkeit schwindet.

Winterbirth wurde konsumiert, weil Joe Abercrombie mit seinem Last Argument of Kings so einen guten Eindruck machte und die Werbung der Verlagshäuser den Konsumgräber anscheinend täuschte. Ruckley ist etwas behäbig und steuert sein magiearmes Fantasy-Theater eher in die staubige "Rad der Zeit" Ecke.

Klar ist das Genre-Literatur. Aber muss die denn so trocken sein? Abercrombie hat vorgemacht, wie der Fantasy-Schinken saftig und knusprig zugleich bleibt. Der nächste Ausflug geht wieder auf die SF-Schiene. William Gibson, irgendwer?

7/02/2009

Transformers: Revenge of the Fallen, Michael Bay


Immer wenn sich die Roboter kloppen, denkt man an die Lackschäden. Deshalb sitzen die Tritte, Würfe und Poltereien so gut. Und noch dazu wackelt die Kamera. Die Giganten toben über variable Oberflächen und transformieren munter umher. Die Bilder sind immer ein wenig zu schnell, so dass man sich den Kram durchaus auf DVD nochmal anschauen kann (vielleicht auch ohne Ton).

Das bringt einen dazu, sich die Konferenz bei Hasbro vorzustellen, auf der Anfang der 1980er (?) dieses Produkt erfunden wurde. "Roboter!" -"Fahrzeuge!" -"Nein, Roboter, du Sau!" -"Ach, Quatsch, Fahrzeuge!" -"Dann eben beides, verdammtnochmal!" Aber gab es nicht auch einen Transformer, der sich in eine Faustfeuerwaffe verwandeln konnte? Urig.

Die Überlänge ist in Ordnung. Wenn man einmal ganz Auge geworden ist, dann scheut man Abspann und Tageslicht umso mehr. Erhaben ist das, was Verstand und Vernunft im Ringkampf erstarren lässt. Das junge Menschenfleisch, dass die Mär zusammenhält, macht seine Sache gut, also vor allem flux Platz für Autobots und Decepticons. Toll auch der Humor: richtig knuddelig, dieses Produkt. Ein Fest von einem Happy Meal.

Was würde wohl entstehen, wenn ein manischer Regisseur wie Mr. Bay einen Film ohne Elektrik oder Kerosin machen würde?

6/27/2009

The Drowning Man, Michael Robotham

Ah, englische Kriminalliteratur.

Und so öde.

Der Protagonist ist zerlumpt und alt und ethnisch vorbelastet und humpelt und verliert sein Gedächtnis. Letzteres kommt zu dramaturgisch wichtigen Stellen wieder. Oh, wie innovativ.

Freilich soll am Ende ein kleines Mädchen gerettet werden... denn kleine Mädchen sind ja das tollste Symbol für Unschuld und so.

Öde.

Charlie Huston und Dennis Lehane sind besser, schicker, schneller, draller, praller, genauer, zielsicherer und vor allem haben sie einen Wiedererkennungswert - der charakterlose Ertrunkene von Michael Robotham ist nur einer von vielen.

Öde.

6/26/2009

RIP, Michael Jackson

Observe and Report, Jody Hill

Hierzulande "Shopping-Center King."

Supergut.

Spitzenfilm.

Ausgezeichnet.

Wirklich! Je öfter sich der Gräber an den Konsum dieses Werkes erinnert, desto besser wird es. Und desto gewisser wird es, dass der arglose sitcom-Konsument von diesem Produkt eher vor den Kopf gestoßen wird.

Diese moderne Komödiererei hat ja wenig mit Willy Millowitsch zu tun: die Pointen sind nicht seriell, keine Perlen an einer Kette. Da mag man sich nun denken, dass da nur noch die zynische Superinfektion bleibt, das schwarzhumorige lebensverteufelnde Hasswerk - aber nein, O+R ist anders.

Das Werk bedient eine Thematik, die den Konsumgraben schon länger durchtost, nämlich die der verkümmerten Individuen in der depatriarchalisierten Welt, die irgendwo ihre Hoden verlegt haben. Der Film besticht mit unumwundenen Realismus und verstellt sich nicht: die Heiligung der Schusswaffe, die ehrliche Hoffnung auf die göttliche Schrotflinte mit dem finalen, reinigenden Klang ist nachvollziehbar. Der soziopathische unliebenswürdige Protagonist führt nicht durch seine drollige Welt sondern macht seine Unheilbarkeit deutlich.

Es gibt Individuen, die er als Gegenentwürfe seiner selbst versteht und an denen er regelmäßig verzweifelt: er kann nicht Verbrecher sein, aber er kann auch nicht Polizist sein. Er steckt in der Mitte, bei der saufenden Mutti, und hält sich für einen weißen Shaft. Da ist es nur natürlich, dass diese verdammten Skater auf dem Parkplatz ordentlich verdroschen werden müssen - die Wichte haben den Moment der Entscheidung noch vor sich, bei dem der Held des Filmes versagte. Überhaupt ist Gewalt der einzige modus operandi, der diese Art der Existenz in der Gegenwart aufmöbeln kann.

Solche Gestalten muss man erstmal aushalten, in der Mall und sonstwo.

Bonus-Info: der Stoff der (oder gegen die) Träume ist hier Clonazepam.

Supergut.

Spitzenfilm.

Ausgezeichnet.

Patriots: Surviving the Coming Collapse, James Wesley Rawles

Seid bereit, immer bereit!

Ein schlimmes Ding: der Autor ist gar keiner, sondern ein Survivalist. Mit Worten kann er nicht. Jedenfalls bleibt eine irgendwie geartete Ästhetik des Textes dem Konsumgräber verborgen. Unfreiwillige Komik und ein hölzernes Universum ergeben sich und Itchy + Scratchy sind auch ohne Bild und Ton sehr viel interessanter.

Aber das kann ja nicht der Grund für die trotzdem gespannte Lektüre sein: Rawles berichtet von einem Amerika, dass so in Europa wenig bekannt ist. Seine Geschichte ist edukativer Natur: erst bricht die Welt zusammen, dann Anarchie aus, und schließlich verschanzen sich ein paar heldenhafte Amerikaner (mit einem großen 'A' vorn) in Iowa (oder Idaho? Jedenfalls weit draußen). Beim Erzählen der Geschichte verfällt er immer wieder in kleine Essays und klärt auf über die Dinge, die man nach der zivilen Apokalypse braucht: wie man Holz hackt, wie man Nahrung lagert, wie man Wunden behandelt, und wie man trotzdem ein guter Christ ist.

Das verstörendste kommt aber noch.

Das sind die Waffen. Große, kleine, dicke, dünne. Welche Pistole kann mit welchem Kaliber zu einem aufgesetzten Schuss gebraucht werden? Wie einigt man sich als Buschmiliz auf einen Munitionsstandard? Welche Patrone feilt man wie an um möglichst knallige Effekte zu erzielen? Und wie präpariert man Minen (!) im Wald? Und zwischendrin wird auch noch geheiratet und ein fingerloser Lustknabe gerettet.

Das Buch (man kann es kaum Roman nennen) ist weit jenseits aller Schmerzgrenzen und wenn es nur ein anderes Cover hätte, könnte man von einer großen Ironiekeule fürs Sommerloch sprechen. Das ist es aber nicht. Es stellt sich für Rawles nicht die Frage, wann der Bürgerkrieg kommt. Er und seine Gang sind auf jeden Fall vorbereitet. Was hat 9/11 und die FEMA da nur angerichtet? Gott ist Amerikaner und er hat Gewehre verteilt.

Man kann ihn hier besuchen.

Und hier ist die NRA.