3/19/2008

There Will Be Blood, Paul Thomas Anderson

Schon wieder Paramount Vantage, wie schon bei NCFOM. Als underdog-Marke kann sich
das Ding aber mit solchen Brechern wie TWBB nicht etablieren.

Andersons Film nimmt sich der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts an, eine Zeit in der der schwarze Saft aus dem Boden eine zentrale Rolle einnahm die bis hin zum Irakkrieg reicht. Dazu gesellt sich ein anderes Amerika, nämlich das religiös junge, das spirituell frisch aber fest verwurzelt ist. Kaum angekommen, füllen die Siedler ihre Baracken mit Kreuzen und klammern sich in den baumlosen Einöden an Kirchenbänke. Diese Zeit markiert eben auch die Geburt des show biz, primärer Exportartikel der Vereinigten Staaten. Denn wenn man nun Treibstoff fürs Auto hat, dann muss man ja auch wohin fahren - im Zweifelsfall eben ins Kino.

Eigentlich klar, dass so eine Thematik den Prämissen eines Gesellschaftsreflektionszirkus wie den Oscars nur entgegenkommt.

Auffallend ist die Abwesenheit von Frauen im Plot. Ob es etwas mit stumpfer Anthropologie zu tun hat? Die Herren vergießen eigentlich kein Blut und doch, wenn es um das schwarze Zeug geht, ist die Verschüttung selbiger Substanz durchaus sicher. Auch die Geburt der neuen benzinbetriebenen Welt wird nicht ohne Wehen, Schmerz und dem Verbrauch von sauberer Wäsche abgehen können. Nur sind die Wirtschaftsmänner eben kollektiv mit dieser Zukunft schwanger. Dabei entstehen Zerrbilder der Urkonstruktion namens Familie und neue Loyalitätsgewebe entstehen.

Die Leistungen von Day-Lewis im zu guter Letzt doch zu unentschlossenen Gangs of New York wirken im Vergleich mit dem hier Dargestellten wie Aufwärmübungen. Der Herr ist, mit Verlaub, beängstigend. Mit dem falschen Regisseur könnte Day-Lewis einfach nur penetrant wirken, doch Mr. Anderson gibt ihm angemessen Raum und Enge. Die Bilder selbst zitieren feierlich die ersten Fotoreportagen, die das soziale Gewissen der Nation damals zu formen begannen.

Es bleibt noch der Verweis auf die Symbolwucht des Öls und des Prinzips für das es steht. Es ist das Blut des Erdenkörpers, ein gewaltsam (menschenblutig) entrissener Saft. Wer leidet denn nun mehr? Man beachte dabei das religiöse Motiv, das TWBB zitiert. James Dean aus Giant ist der durch seine Bohrtürme Gekreuzigte und auch in Andersons Film gleichen die Konstruktionen Golgatha in vielerlei Hinsicht.

Gut, saftig, stückig. Und dann auch noch diese Bowlingbahn. BOWLINGBAHN! Ausgezeichnet.

3/17/2008

Undecided, Benjamin Kunkel

Besser leben durch Chemie. Wenn nicht mit 28, wann denn dann? Der schnittig-kurze Roman des Herrn Kunkel zielt auf die ganz sichere Lebenskrise kurz vor dreißig sowie diverse Klischees der amerikanischen Lebenswelt. So ein bisschen witzig, so ein bisschen bunt ist Unterhaltung durchaus gegeben.

Der Protagonist ist eine aktualisierte Version des slackers, als Philosophieabsolvent hat er bei Pfizer angeheuert und sich aus lauter Ironien ein Gefängnis gebaut. Seine Stimme bestimmt den Roman und der Leser sieht sich einem sehr gescheiten und Verdächtigungen-vorweg-nehmendem Erzähler gegenüber. Schön ist auch die Behandlung von 9-11: am Rande des Geschehens und doch von zeitgeistiger Wucht. Weniger clever die Aufarbeitung von Heilung/Medikament/Placebo, das gab es doch irgendwie schon einmal.

Die zentrale Bedeutung des Begriffs der Entscheidung erfreut, kennt man es doch aus so vielen anderen spannenden Sachverhalten wie Kierkegaards existentialistischen Vorwehen oder der Autopoiesis komplexer Systeme. Doch warum erwähnt Kunkel den Namen Heidegger (in einer recht überfälligen Enthüllung) erst am Ende seines Romans?

Das letzte Drittel des Romans überzeugt nicht mehr so sehr wie die vorangegangenen da die Kombination von Kotzen-Beischlaf-Klassentreffen doch zu sehr nach abgedroschenen Katharsismotiven riecht. Und Südamerika nervt irgendwie auch.

"Weiter, weiter ins Verderben. Wir müssen leben, bis wir sterben." Das ist nicht von Heidegger.