6/19/2008

You Kill Me, John Dahl

Der Film will sich nicht entscheiden. Romanze oder Gangsterfilm oder Sucht-Kiste? Für das gute alte schabrackige Wort "Tragikomödie" fehlt allerdings die Schwere und die Gutmenschlichkeit.

Positiv zu vermerken ist die Darstellung der AA-Agenda - recht entspannt wird da auf die unverträgliche Leichtigkeit der Sucht hingewiesen. Ob das realistisch ist, bleibt dahingestellt.

Nicht der Höhepunkt des Kinojahres. Es ist aber immer schön, einen wie Ben Kingsley in Aktion zu sehen.

The Shotgun Rule, Charlie Huston

Hustons Räuberpistole von damals, als Metallica grade rauskamen und es Indy Jones erst in weniger als drei Filmen zu sehen gab und D&D frisch loskerkerte, unterhält wie erwartet.

Die Story kommt ohne Vampire aus: Teenager der Vorstadt fahren Fahrrad, machen Unfug und schlittern hinein in den schmutzigen Drogenverkehr. Freilich geht es um die Jugend, aber anders, nämlich örtlich begrenzt. Twains Huck schippert den Mississipi hinunter und Stephen Kings Protagonisten von Stand By Me (selbiger wird freilich als Referenz/Kaufgrund auf dem Cover genannt) brechen zur Leichensuche auf. Hustons Jungs hingegen brechen in ein Haus ein und bleiben erstmal dort. Rettung naht dann aus der unmittelbaren Nachbarschaft und von Vati. Doch, dies ist ein Thriller mit sympathischen Elternfiguren - man glaubt es kaum. Vati hat auch eine Keule mit Nägeln.

Huston hat sich furios dem Noir verpflichtet und zeichnet ein Bild von vergifteten Vororten und dem schutzlosen Zuhause. Und das macht er wie immer sehr, sehr gut. Abgründe überall: hinter der nächsten Haustür steht ein Crank-Labor und es gibt genug Gründe, zur Fahrradkette zu greifen. Riding Shotgun heißt eben nicht nur, dass man vorne sitzen darf sondern auch, dass man die Verteidigung des Gefährts übernehmen muss (Indianer, Postkutsche, "Hüah!", usw.).

Und somit endet das Buch wie viele Jugenden: die einen steigen in den Bus und entkommen, die anderen dürfen weiter mit dem Fahrrad im Kreis fahren.

6/15/2008

Shoot 'Em Up, Michael Davis

BANG! BANG! Die Wahrheit kommt einsilbig. Michael Davis' flinker Film ist eine Ode an die Schusswaffe und macht großen Spass.

In dieser Welt der faustischen Phallik können holde reine Mütter freilich nicht existieren - nur verruchte Zapfsäulen (dargestellt von der entwaffnenden Monica Bellucci) dürfen mitspielen.

Es kann zweierlei vermerkt werden:

Erstens. Die stilistische Referenz sind hier weniger düstere Comics wie bei Sin City sondern krachige Computerspiele. Max Payne (seinerzeit vor dem Aushub dieses Grabens konsumiert) wäre so ein Titel; hier hat der Protagonist auch eine derbe Jacke und wenig Gewissensbisse.

Zweitens. "Erstens" stimmt gar nicht, denn Shoot 'Em Up ist eben doch eine Comic Verfilmung, aber eine illegitime. DC hat einmal die Serie Hitman gemacht: hier stand ein Pistolero mit seltsamen Fähigkeiten im Mittelpunkt, der sich durch Gotham City schabt und dabei ein- und austeilt. Hier der Wiki-Eintrag dieses Produkts. Allerdings gibt es sehr viele Filme, die sich mit lärmenden Maskulinitäten am Markt positionieren. Da ist eine nachweisbare Urheberrechtsverletzung wohl doch eher unwahrscheinlich.

Der furiose Einsatz von Karotten macht das Werk in keinem Fall jugendfreier.

The Three Burials of Melquiades Estrada, Tommy Lee Jones

Dieser Film wird nicht zu dem Ruhm kommen, den er verdient, denn er hat einen großen Bruder im Nacken. Dieser Bruder ist der jüngst zu recht gepriesene No Country for Old Men. Der Konsument ist verwirrt: Tex-Mex-Drama? Mr. Jones? Cowboyhüte? Staub? Ist das ein Sequel?

Nein!

Three Burials ist klug, karg, und so erhaben wie NCFOM auch aber nicht der gleiche Film. Die Themen beider Werke (Schuld, Sühne, die Grenze als Nicht-Ort und das Gewicht von Leere) sind weit und mehrere Bearbeitungen in kurzer Zeit sind sehr willkommen. Beide Filme liefern ungelöste Plot-Linien - verwehende Spuren in der sinnfreien Wüste. Letztlich scheinen sowohl lebendige als auch tote Körper eine Qualität des Verwehens zu haben. Was nicht mehr blutet, kann immer noch faulen.

Vielleicht wird durch das Coen-Epos Tommy Lee Jones' Debüt als Regisseur nicht die Achtung erfahren, die es verdient.

Letztlich kann man den Film durchaus als Western (ohne Präfix) sehen, denn dieses Genre ist seit jeher zu solch existentialistischen Leistungen in der Lage. Eine infame Randbehauptung hierzu: Guillermo Arriaga hat sich McCarthys Gesamtwerk auch angeschaut. Die Szene, in der der geschundene Sünder in eine Höhle kriecht, weint und von der Schlange gebissen wird, erinnert durchaus an Child of God. Ha. Aber da generell jeder viel und oft McCarthy lesen sollte ist das schon OK.