7/29/2008

Sieben Tage, Jonny Glynn

Schon wieder ein Mörder, diesmal schizophren und englisch. Eklig wird es da auch recht oft (Stampfgemüse, Amputationen, Menschenhass, Stuhlgang), aber nach Hogg ist das alles eher zahm. Sorry, Jonny. Interessant ist die Oszillation der Erzähler: der Mörder und der Verzweifelte wechseln sich ab. Darum und wegen des kompakten Zeitplans (eben genau eine Woche) stellt sich ein flinker Konsumprozess ein.

Die Nutzung des Themas Terrorismus gefällt und fügt sich gut in die Geschichte ein. Allerdings muss gesagt werden, dass der übermächtige B. E. Ellis und sogar Michel Houellebecq die absurde zivile Existenz in dieser Epoche besser umschreiben. War das nur eine nachträglich hineingeschriebene Anspielung, weil Terror so en vogue ist, Mr. Glynn? Man weiß es nicht.

Ansonsten gut, mörderisch und schnell, das Teil. Irgendwie erinnert dieses Debüt an Tim Staffels Terrordrom, nicht nur wegen des Titels. Dessen Konsum ist aber viel zu lange her.

7/27/2008

Invisible Monsters, Chuck Palahniuk

Bang-Bang statt Gang-Bang, und das auch noch zum zweiten Mal. Die Heldin ist hier ein Model, doch sie hat nur noch die obere Reihe ihrer Zähne: ein Gewehrschuss verteilte ihren Unterkiefer im Inneren eines Wagens. Dann wurden die Fragmente von Vögeln aufgepickt. "Birds ate my face," sagt sie. Lady Jawless ist auf einer Mission, die zu großen Teilen auf Rache basiert und mit Verwirrungen garniert ist.

CP wäre nicht CP, wenn dies seine einzige seltsame Idee für diesen Roman wäre. Es geht außerdem noch um das Reisen, den Aufbau und den Fall diverser Kreuzzüge, es gibt AIDS, es gibt Transvestiten, es gibt die Schauerlichkeit des Badezimmers an sich, es gibt Medikamentenge- und -mißbrauch. Es gibt viel zu lachen, aber immer nur kurz. Wer ist unsichtbar, wer ist das Monster? Das lässt sich im Zeitalter der body modification nicht mehr wirklich sagen.

In diesem Roman entwirft CP außerdem wahrscheinlich die unangenehmsten Eltern-Figuren seiner Welt. Geschwindigkeit ist dabei ein Thema: es bleibt die Erkenntnis, daß niemand den entstellenden Narben entkommen kann, die daheim entstanden sind.

Hogg, Samuel R. Delany

Delany soll als engagierter Literat mit seinen Arbeiten die Grenzen von Sci-Fi ausloten, so liest man. Auf Bildern wirkt er wie die hawaiianische Version des Weihnachtsmanns. Bei der Lektüre von Hogg denkt man da aber weniger dran: es handelt sich um einen brutalen Roman, ein erschütterndes und geradezu schmerzhaftes Stück Text welches den Leser angeekelt, entnervt und fragend in die Leere entlässt. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Sci-Fi-Opera-Gemütlichkeit à la Hyperion zu tun.

Zur Sache, Schätzchen: ein blonder Junge, der Erzähler, wird von einigen widerwärtigen männlichen Subjekten als Sexsklave missbraucht, erniedrigt, verkauft, verprügelt und sonstwie besudelt. Hogg ist dabei der Schlimmste und eine Inkarnation der Ekelhaftigkeit sondergleichen. Als er einen Schuh verliert, wird die Ähnlichkeit zum Pferdefüßigen besonders deutlich. Geld wird durch Vergewaltigung verdient, und man ergeht sich in etlichen Formen der Paraphilie.

Zermürbend ist die Farbe der Hautfarbe. Bei aller Zügel- und Wahllosigkeit bleibt sie für die Charaktere ein Thema. Alle haben diversen Verkehr miteinander, aber die Frage nach dem Genom bleibt für alle relevant.

Nicht weniger erschreckend ist die Bereitwilligkeit des Protagonisten. Er wird nicht gekidnappt, er ist freiwillig bei Hogg und vermisst ihn sogar. Er zeigt weder Anzeichen eines Stockholm-Syndroms noch einer ironischen Schilderung der Dinge. Er findet es gut, da unten auf den Knien. Bezeichnenderweise bleibt er bis auf die letzte Zeile stumm: das eine Wort, das er schließlich äußert, ist für einen Roman wie Hogg *das* Schlusswort schlechthin.

Man könnte eine kulturgeschichtliche Einordnung des Romans versuchen. Er entstand gegen Ende der 1960er, also nach JFK's Tod und vor Deep Throat. Hogg könnte als weitere Attacke auf die Hautfarbe Weiß verstanden werden, ein versteckt-wütendes Zu-Ende-Denken von Anarchie. Vielleicht ist Hogg eine Meditation über veränderte Körperbildlichkeit in einer umstürzenden Gesellschaft. Der naive Ungeduldige aus der letzten Reihe ruft jetzt "Aber was hat das denn mit diesem Schund zu tun?" und hat nichts verstanden, den Schund ist längst überall.

An einer Stelle wird Hogg deutlich und bemerkt, dass alles, was er anstellt, "von Herzen" und bewusst getan (verbrochen) wird. Dies sei etwas ganz anderes als in Japan eine Bombe fallen zu lassen. Somit führt er die (letztlich schmerzhafte) Kümmerlichkeit einfacher Lebensethiken ganz gut vor.

Als Referenzen können Clockwork Orange und freilich Story of the Eye herhalten (bei Hogg wird allerdings noch mehr uriniert als bei letzterem). Außerdem wäre der furchbare Herr Pasolini zu nennen. Es muss allerdings auch vermerkt werden, dass ekelhafte Dinge (wiki nennt dazu den Hype um 2 girls 1 cup) seltsam oft auf vielseitiges Interesse stoßen. Nur gibt es bei Hogg keinerlei humoristisches Element, welches den Abstand zu dem Grauen gewährleistet.

Also kommt jetzt Dhalgren auf die Liste. Delanys gepriesenes SciFi-Werk, etwa zur gleichen Zeit wie Hogg entstanden.

Get Smart, Peter Segal

Whoa, "Action-Komödie" - was für eine Drohung. Zum Konsum überhaupt überredete dann Steve Carell, weil er bei der 40jährigen Jungfrau so überzeugte. Insgesamt kann von Reue keine Rede sein.

Der ganze Agentenquatsch ist freilich sehr leicht zu persiflieren. Get Smart schafft dies, muss dafür aber nicht gelobt werden. Was erfreut, sind die Dialoge, die nicht auf Pointen aufbauen sondern die drollige Schädeligkeit der Charaktere herausstellen. Höhepunkte sind die Probleme mit der Mini-Armbrust im Flugzeug und die Bemerkung bezüglich einer auf Fäkalien surfenden Ratte. Humor wächst mit seinen Aufgaben. Und der Mini-Auftritt von Bill Murray tut da freilich sein übriges. Glück gehabt, Mr. Segal.