8/05/2011

Shaping Things, Bruce Sterling

Hier und hier. Sterling ist eigentlich SciFi Autor und hat hier eine sehr kompakte Arbeit über Design geschrieben, über Warenästhetik und "Zeug" im Allgemeinen. Er umschreibt die verwirrende postindustrielle Welt, die sich nicht mehr mit Produkten oder Artefakten sondern mit Gizmos und irgendwann mit Biots beschäftigt - alles Namen, die er tollkühn entwirft und verwendet. Und er tut gut daran, denn nur so werden die fundamentalen Umbrüche in der Konsumwelt deutlich: längst ist das einzelne Produkt mit Chips und Daten ausgestattet, längst spannt sich um jeden Einkaufswagen ein "Internet of Things" auf. Märkte ragen viel weiter in die zeitgemäße Lebensführung herein als je zuvor. Alles, was in den virtuellen malls und plazas gekauft und verschachert wird, trägt Daten, die mit der Umwelt in regem Austausch stehen. Längst dreht es sich nicht nur um sogenannte lifestyle-Produkte sondern eher um den den lifestyle oder -cycle der einzelnen Produkte. Blendworte wie "Nachhaltigkeit" und "Effizienz" erhalten dabei Relevanz.

Auf sehr wenigen Seiten erklärt Sterling tatsächlich moderne Wirtschaftskreisläufe. Oder er tut etwas, das den interessierten Laien davon überzeugt.

Nein, hier geht es nicht um plastisches Gestalten. Töpferscheiben bleiben im Keller. Niemand huldigt das Runde oder die Verpackungsökonomie skandinavischer Sperrholzverkäufer. Shaping Things beschreibt eine sehr mysteriöse Tätigkeit: die Gestaltung des Alltags einer Zukunft jenseits des "Like"-Buttons durch die Vernetzung von Verbrauchsgegenständen. Und der Berufsstand der Designer steht in der Mitte der Entwicklungen, laut Sterling bald mehr als je zuvor.

Endlich ein Materialimus, der frei von politischem Karneval die Welt erhellt - ähnlich erfreulich wie bei den Tausend Jahren Nichtlinearer Geschichte.

Dabei vergessen werden sollte nicht:



8/01/2011

Super Sad True Love Story, Gary Shteyngart

Dieser Herr schrieb also einen Science-Fiction-Roman. Sehr verwegene Themen kommen darin vor: die Menschen verbringen nur noch Zeit in in Echtzeit implementierten sozialen Netzwerken. Unvorstellbar! Die Wirtschaft der USA ist im Service-Labyrinth aufgegangen und die Kreditfähigkeit der Bürger wird von Straßenlaternen beim Vorbeigehen angegeben. China stützt den Dollar, fängt den Dollar. Wie vermessen! Da stehen Panzer in Manhatten und die Bürger werden gezwungen, dies zu ignorieren.

Und die Menschen verlieben sich. Und Michiko Kakutani findet's töfte.

So eine Spielfreude ist dem Konsumenten selten untergekommen. Zum einen Immigranten-Gehusche ("Hach, was engt mich doch die Diaspora ein! Und wie toll war die Suppe in Zagreb/wherever! Und voller Trä-hä-hä-hänen!"), zum anderen urbane Eventual-SciFi wie A Scanner Darkly. Und freilich auch eine Liebesgeschichte: sowohl Er als auch Sie sind recht zerschmettertes Treibgut ihrer Zeit. Sie zeigt ihre wahren Absichten eigentlich nur im virtuellen Schutzraum von Mail und Chat und ist schon vollends von der hypersexualisierten Konsumwelt vereinnahmt. Er hadert mit seinem faustischen Job der industriellen Lebensverlängerung und der Frage nach Arbeitswert und -sinn. Beide treffen Chefs, Freunde und Verwandte und es ergeben sich die einen oder anderen Stadtneurotiker-Verflechtungen.

Also eigentlich sind das recht konservative Rollenverhältnisse, die da ihre Schatten werfen. Aber sei's drum. In dieser grotesken neuen Welt (die in der zweiten Romanhälfte auch noch von einem "internationalen Zwischenfall" erschüttert wird und doch nicht den Weg aller Spielberg-FX-Feste geht) macht diese groteske Geschichte in all ihrer Bitternis große Freude.

Dies ist ein Modebuch. Beim virtuellen Bahnhofskiosk liegt es im Schaufenster und sogar die verpeilte Neon hat es in ihren Rezensionen. Dies ist der Mainstream. Willkommen. Dies ist außerdem der 300ste Eintrag mit dem Label "Buch". Er ist auch unter dem Label "Kindle" aufgeführt. Dies könnte der Beginn einer anderen Super Sad True Love Story sein.