6/27/2009

The Drowning Man, Michael Robotham

Ah, englische Kriminalliteratur.

Und so öde.

Der Protagonist ist zerlumpt und alt und ethnisch vorbelastet und humpelt und verliert sein Gedächtnis. Letzteres kommt zu dramaturgisch wichtigen Stellen wieder. Oh, wie innovativ.

Freilich soll am Ende ein kleines Mädchen gerettet werden... denn kleine Mädchen sind ja das tollste Symbol für Unschuld und so.

Öde.

Charlie Huston und Dennis Lehane sind besser, schicker, schneller, draller, praller, genauer, zielsicherer und vor allem haben sie einen Wiedererkennungswert - der charakterlose Ertrunkene von Michael Robotham ist nur einer von vielen.

Öde.

6/26/2009

RIP, Michael Jackson

Observe and Report, Jody Hill

Hierzulande "Shopping-Center King."

Supergut.

Spitzenfilm.

Ausgezeichnet.

Wirklich! Je öfter sich der Gräber an den Konsum dieses Werkes erinnert, desto besser wird es. Und desto gewisser wird es, dass der arglose sitcom-Konsument von diesem Produkt eher vor den Kopf gestoßen wird.

Diese moderne Komödiererei hat ja wenig mit Willy Millowitsch zu tun: die Pointen sind nicht seriell, keine Perlen an einer Kette. Da mag man sich nun denken, dass da nur noch die zynische Superinfektion bleibt, das schwarzhumorige lebensverteufelnde Hasswerk - aber nein, O+R ist anders.

Das Werk bedient eine Thematik, die den Konsumgraben schon länger durchtost, nämlich die der verkümmerten Individuen in der depatriarchalisierten Welt, die irgendwo ihre Hoden verlegt haben. Der Film besticht mit unumwundenen Realismus und verstellt sich nicht: die Heiligung der Schusswaffe, die ehrliche Hoffnung auf die göttliche Schrotflinte mit dem finalen, reinigenden Klang ist nachvollziehbar. Der soziopathische unliebenswürdige Protagonist führt nicht durch seine drollige Welt sondern macht seine Unheilbarkeit deutlich.

Es gibt Individuen, die er als Gegenentwürfe seiner selbst versteht und an denen er regelmäßig verzweifelt: er kann nicht Verbrecher sein, aber er kann auch nicht Polizist sein. Er steckt in der Mitte, bei der saufenden Mutti, und hält sich für einen weißen Shaft. Da ist es nur natürlich, dass diese verdammten Skater auf dem Parkplatz ordentlich verdroschen werden müssen - die Wichte haben den Moment der Entscheidung noch vor sich, bei dem der Held des Filmes versagte. Überhaupt ist Gewalt der einzige modus operandi, der diese Art der Existenz in der Gegenwart aufmöbeln kann.

Solche Gestalten muss man erstmal aushalten, in der Mall und sonstwo.

Bonus-Info: der Stoff der (oder gegen die) Träume ist hier Clonazepam.

Supergut.

Spitzenfilm.

Ausgezeichnet.

Patriots: Surviving the Coming Collapse, James Wesley Rawles

Seid bereit, immer bereit!

Ein schlimmes Ding: der Autor ist gar keiner, sondern ein Survivalist. Mit Worten kann er nicht. Jedenfalls bleibt eine irgendwie geartete Ästhetik des Textes dem Konsumgräber verborgen. Unfreiwillige Komik und ein hölzernes Universum ergeben sich und Itchy + Scratchy sind auch ohne Bild und Ton sehr viel interessanter.

Aber das kann ja nicht der Grund für die trotzdem gespannte Lektüre sein: Rawles berichtet von einem Amerika, dass so in Europa wenig bekannt ist. Seine Geschichte ist edukativer Natur: erst bricht die Welt zusammen, dann Anarchie aus, und schließlich verschanzen sich ein paar heldenhafte Amerikaner (mit einem großen 'A' vorn) in Iowa (oder Idaho? Jedenfalls weit draußen). Beim Erzählen der Geschichte verfällt er immer wieder in kleine Essays und klärt auf über die Dinge, die man nach der zivilen Apokalypse braucht: wie man Holz hackt, wie man Nahrung lagert, wie man Wunden behandelt, und wie man trotzdem ein guter Christ ist.

Das verstörendste kommt aber noch.

Das sind die Waffen. Große, kleine, dicke, dünne. Welche Pistole kann mit welchem Kaliber zu einem aufgesetzten Schuss gebraucht werden? Wie einigt man sich als Buschmiliz auf einen Munitionsstandard? Welche Patrone feilt man wie an um möglichst knallige Effekte zu erzielen? Und wie präpariert man Minen (!) im Wald? Und zwischendrin wird auch noch geheiratet und ein fingerloser Lustknabe gerettet.

Das Buch (man kann es kaum Roman nennen) ist weit jenseits aller Schmerzgrenzen und wenn es nur ein anderes Cover hätte, könnte man von einer großen Ironiekeule fürs Sommerloch sprechen. Das ist es aber nicht. Es stellt sich für Rawles nicht die Frage, wann der Bürgerkrieg kommt. Er und seine Gang sind auf jeden Fall vorbereitet. Was hat 9/11 und die FEMA da nur angerichtet? Gott ist Amerikaner und er hat Gewehre verteilt.

Man kann ihn hier besuchen.

Und hier ist die NRA.

6/22/2009

Transformers, Michael Bay

The New Colossus, Emma Lazarus

Not like the brazen giant of Greek fame
With conquering limbs astride from land to land
Here at our sea-washed, sunset gates shall stand
A mighty woman with a torch, whose flame
Is the imprisoned lightning, and her name
Mother of Exiles. From her beacon-hand
Glows world-wide welcome; her mild eyes command
The air-bridged harbor that twin cities frame.

„Keep, ancient lands, your storied pomp!“ cries she
With silent lips. „Give me your tired, your poor,
Your huddled masses yearning to breathe free,
The wretched refuse of your teeming shore.
Send these, the homeless, tempest-tossed to me:
I lift my lamp beside the golden door.“

Matrix Revolutions, Wachowski Bros.

Ja, das musste sein: jetzt, wo der Eine doch die Matrix beherrscht, ist deren Darstellung nicht mehr interessant. Also muss es um die reale Welt gehen, um Zion und die Höhlen.

Das ist übrigens ein sehr schönes Bild, das mit der unterirdischen Stadt. Normalerweise lungern ja nur gefesselte Griechen in Höhlen herum und bestaunen die Schatten, die eine hinter ihnen angebrachte Fackel an die Wand vor ihnen wirft.

Außerdem gibt es bei Dungeons & Dragons ja die Forgotten Realms, und hier hat das beliebteste franchise, nämlich das mit dem Dunkelelf, seinen Ursprung im Unterreich - ein endloser "natürlicher Kerker" mit schillernden Pilzen und Astraltoren und Mutantengnomen, Pilzmenschen ("Beware of the Fungi") und Balrog-Klonen.

Wer zu tief gräbt, landet im Kern - und niemand mag es dort.

The Black Veil: A Memoir with Digressions, Rick Moody

Kann Rick Moody mittlerweile vom Schreiben leben? Zu gönnen wäre es ihm. Bekannt dürfte er den meisten durch den Eissturm sein, welcher mit Kevin Klein und dem Hobbit verfilmt wurde.

The Black Veil ist kein Roman. Es ist eine Erinnerung. Eine Autobiographie, quasi - aber es ist noch mehr, denn Moody stellt nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das eines Urahns vor. Er bedient sich einer Kurzgeschichte von niemand geringerem als Nathaniel Hawthorne und dessen Protagonisten. Letzter ist nämlich auch ein Moody, ein Vorfahre des Autoren selbst, der eines Tages zum Schleier griff und seine Mitmenschen verschreckte. Oder vielleicht doch nicht?

Im Zentrum des Unterfangens liegt freilich das, was umgangssprachlich Depression genannt wird. Moody berichtet von seinen Problemen mit Menschen und Substanzen und beschreibt in schillernden Farben einen weihnachtlichen Zusammenbruch. Bei seiner Genesung (oder Regeneration) nutzt er dann Texte. Da ist das Symbol des schwarzen Schleiers: eine dunkle Sicht ergibt sich, aber auch eine Verhüllung des Gesichts und ein mehrdeutiger Appell an die Unverschleierten (hier kann man fix den Scharlachroten Buchstaben assoziieren). Dann ist da die Familie Moody: Rick, der Autor, untersucht, ob der Schwermut in den Genen liegt, ob seine Familie (die auch noch "moody" heißt, also "düster/gemüt-lich/verstimmt/verdrossen") eine Rolle spielt. Und schließlich ist da die Gegenwart: Moody versucht auch, mit der (ihm überlieferten?) Identität als Mann fertig zu werden. Er sucht den Kontakt zum Vater und zum Vorvater.

The Black Veil ist (obwohl Moody mit dem wohl furiosesten und wahrsten letzten Satz des Jahrzehnts endet) ein unfertiges Projekt. Der Autor bewegt sich vorwärts und rückwärts durch die Zeit. Vielleicht ist das eine der beruhigendsten Parallelen zur ausschlaggebenden Krise: die Zeit ist aus den Fugen, ein Vorher/Nachher, Ursache/Wirkung ist stets Konstruktion und Krücke. Wenn dann die Zeit zerbricht und die Gegenwart unausstehlich (un[er-]lebbar) wird, dann wird die Lebenswelt als Schein entlarvt. Eine neue Arbeit beginnt: eine Rekonstruktion der Krücke, aber kein verzweifeltes Flicken, sondern ein Erforschen ihrer Natur. Texte halten dabei als Werkzeuge und als Teilergebnis her.

Moody hat ein einmaliges Buch geschaffen und auch ohne letztgenanntes Geschwurbel ist The Black Veil keine Zeitverschwendung: da ist nämlich Humor drin, und zwar guter. Man könnte fast sagen, dass schwarze Schleier menschliche Wärme erst erkenntlich machen - literarisch gesehen ist Moody das gelungen.

Matrix Reloaded, Wachowski Bros.

Auweia, der zweite Teil, wo doch im ersten die dicke Marketing-Spoiler-Kuh vom Eis geschafft wurde. Also muss alles ein wenig hektischer ablaufen.

Die Lösung des Konflikts auf dem Highway ist immer noch eine Wucht. Gerüchten zufolge können diverse KFZ-Kennzeichen bei dem simultan erschienenen (gefloppten?) Videospiel Bonuslevel freischalten. Als ob das nötig ist.