7/24/2010

Tell-All, Chuck Palahniuk

Er schreibt und schreibt und schreibt.



Tell-All ist ein kurzes Buch - eine Novelle, sozusagen, die in Layout und Schreibweise ein Bühnenstück und somit eine (wenn nicht DIE) "letzte große Show" emuliert. Es geht um die heilige Öffentlichkeit der Unterhaltungsindustrie. Einer der letzten hellen Sterne am Hollywoodhimmel steht kurz vor dem Kollaps in ein schwarzes Loch und ihre Lebensberaterin|Zofe|Coach|Sidekick|Sklavin arbeitet dem entgegen (ja, Herr P. beachtet noch immer die Ruinen einer amerikanischen "Unterklasse" der Diener und Servierer - denn nur nah am Boden der Tatsachen ist Subversion eine echte Option?). Orientierung im eiskalten luftleeren Raum bieten für alle Beteiligten andere Sterne und vermeintliche Glanzansammlungen. BE Ellis schwingt mit. Freilich gibt es die Allgegenwart des Todes im "fame"-System, denn der macht schlank, hält wach und garantiert eine strahlende Zukunft.

Jeder Satz ist wie immer geschliffen und offenbart kalte Fakten, die romantische Leser als zynisch erachten könnten. Diese Leser möchte der Autor nicht irgendwo abholen, denn die sind eh verloren. Insofern wagt der Autor keine Revolutionen - er übertrifft auch nicht Rant, sein bestes Produkt und wahrscheinlich einer der Top5-Texte der 00er Jahre.

Sehr fix geht Tell-All zuende - es ist aber eine Punktlandung, die durch jene Kürze einen rostig-scharfen Charme entwickelt. Vielleicht traut sich Herr P. demnächst einen 400seiter zu? Die Chancen stehen gut, dass das grandios wird.

Native Tongue, Carl Hiassen

Uh, ja. Eine Komödie. Ehrlich! Hier. Damals akquiriert mit Stingray Shuffle und keine Reue stellt sich ein. Anders als bei Dorsey ist der Wahnsinn hier eher im System als im amoklaufnahen Protagonisten. Bei Native Tongue geht es um Murmeltierratten, die, um als Attraktion in der Vergnügungsparkwelt von Florida existenzberechtigt zu sein, eine andere Zungenfarbe bekommen.

Herrliche Menschen treffen aufeinander. Da ist der Unternehmer, der kopulierende Disney-Charaktere als Tätowierung hat und auch sonst kein wirklicher Tierfreund ist. Da gibt es den steroidabhängigen Knochenbrecher, der sich der Libido eines Tümmlers unterlegen fühlt. Und noch so viel mehr.

Was ist nur das Problem von Florida? Ist es die Hitze? Die seltsamen Sümpfe? Deutsche Touristen? Solange die Orangenrepublik solche Literaturen wie Native Tongue hervorbringt, darf sie weitermachen mit dem Wahnsinn.

7/19/2010

Die Jugend von heute, Joachim Lottmann

Die Zeit schreibt (via Perlentaucher), dass Lottmann mit einem Houllebecq-Status liebäugelt - das ist geradezu unanständig, letztlich aber auch nur Hörenlesensagen.

Das Romänchen kommt in bequemen Latschen daher und erzählt alltagssprachlich wie der Protagonist, selber laut Pass eher unjugendlich, versucht, aus Berlin zu entkommen. Alles easy, beziehungsweise knifflig. Dann wird tüchtig mit dem Neffen gefeiert, der als Paradebeispiel ebenjener Jugend herhalten muss. Drogen nehmen, umherreisen, unterstreichen, dass alte Menschen eher sterben als junge Menschen, und fertig. Banale Beischläfereien dürfen auch nicht fehlen, konkreter Matrizid bleibt aber aus. Interessant ist die Langhans-Connection, quasi die genealogische Verknüpfung mit einer einstigen politischen "Jugend" in voller Huld und Alternativhaftigkeit.

Kurzweilig, ja, aber substanzlos. Oh nein! Mag dies das vernichtende Urteil über die Jugend von heute sein? Achwas. Old skool + New skool = No skool, oder so.