1/30/2008

Bloggifizierung, Informationsmanagement und Mediascapegoating

Das hier kommt vom teils verstörenden Blog The Googlization of Everything. Der kurze Film beleuchtet die weiteren Schritte gewisser www-Platzhirsche.

Klick da.

Na, wenn das keine unbequeme Wahrheit ist, hu? Mit besten Grüßen freilich an den Platzwart dieser URL welcher bestimmt offen ist für derlei Kritik. Für alles weitere beachte man den bewährten Disclaimer am Ende dieser Seite.

My Blueberry Nights, Wong Kar-wai

Wong Kar-wai hat vor diesem amerikanischen Debüt den prachtvollen 2046 gemacht. Eine gewaltige Bilderflut hat sich da auf den Zuschauer ergossen, alle möglichen Farben haben sich mit matrixmäßigen Animationen in eine verstrickte Liebesgeschichte geschummelt.

Und auch hier ist alles schön bunt. Die Gesichter, die Theken, das Essen, der Himmel - alles bunt wie selten.

Norah Jones ist überraschend überzeugend - sie macht es sich ja nicht ganz so leicht wie Alicia Keys, die bei Smokin' Aces die überzogene Mörderbraut gab. Jones ist die herzgebrochene Elizabeth, die sich durchs Land kellnert und allerlei Menschlichkeiten mitbekommt. Die Farben fließen ineinander und auch ihr Name verändert sich stetig von Beth zu Betty zu Lizzy und zurück. Nach der Läuterung gehts dann zurück in Jude Laws Bar in NYC, aber als Gast.

Unter dem Zuckerguss liegen aber keine wahrlich originellen Geschichten. Die orgiastische Verschachtelung von 2046 sucht man hier vergebens. Aber lecker ist es.

Das wunderbare Gleichnis der Gastronomie. Aufessen, stehen lassen, abwaschen, Rechnung zahlen, wiederkommen, Verdauungsschnäpschen. Und ohne Dessert sind die meisten Mahlzeiten eben doch nur Nährstoffaufnahmen die einen nicht wirklich weiter bringen.

1/27/2008

The Omega Man, Boris Sagal

Boris wer? Natürlich ist der Regisseur dieses Filmes niemand geringeres als der Vater von Katey Sagal! Unglaublich. Und Charlton Heston war dieser Kerl aus Planet der Affen und dem ollen Ben Irgendwas. Der lange Film mit dem Heiland in einer Nebenrolle. Ja, genau, Wagenrennen und so.

Aber genug gescherzt. Die Sache ist ernst. The Omega Man ist die zweite Verfilmung von Mathesons I am Legend und geht der Version von Francis Lawrence mehr als dreißig Jahre voraus. Die Geschichte ist ähnlich, aber nicht dieselbe.

Zunächst einmal können die Infizierten reden. Nach dem durch B-Waffen herbeigeführten Untergang sind sie gegen Sonnenlicht allergisch und bilden einen anti-aufklärerischen Mönchsorden. Dieser Kuttenmob versucht nun, den immunen Omegamann zu kriegen. Die Modernisten sind ja für das Joch verantwortlich, dass die Überlebenden nun tragen müssen.

Da sind wortlos hechelnde Horden irgendwie spannender.

Der Verweis auf Woodstock und die großen (medial kommunizierten) Massenumwälzung der 1960er ist recht interessant. Der weiße männliche Karrierist kann da ja nur Beklemmungen kriegen. Da bleibt Mann einsam an der Spitze... der letzte seiner Art halt, wenn die Bälger nicht artig studieren wollen sondern Pillen schmeißen. Der Mob vereint das Grauen der konformen Anti-Masse und kann bestimmt als Hinweis auf Charlie Manson und seine family verstanden werden. Eine gänzlich andere Lebenskultur ist es, die da vom Rande heraus in die Mitte der Welt hineinwuchert und sich von allein reproduziert. Sozialrevolution dank genetischer Evolution.

Unüberbrückbare Gegensätze. Da fällt das Abdrücken nicht so schwer, wo man doch eh genug Munition dabei hat.

Der Film ist kurzweilig, aber selbstgefällig. Heston zieht fix und oft sein Hemd aus und das verstört gründlichst. Er kommt mit der farbigen Widerstandskämpferin zusammen - was als ungelenke Anbiederung an den Zeitgeist wirkt. Heston scheint zu sagen: Schau her, Kirk, ich hab auch eine Uhura. Der Omega-Mann bleibt aber stets das Alpha-Männchen (wie James ja auch). Und noch eine Anmerkung bezüglich der Hautfarbe: die Infizierten werden alle weiß. Aber der Oberschurke ist natürlich auch noch Anglo unter der Schminke und somit allen anderen überlegen. Heston macht einmal sogar Scherze diesbezüglich. Witzig ist das nur bedingt.

Infam ist der Score. Eine Art Softcore-Disco-Muzak passt einfach nicht zur Prügelei mit MP und Fackeln - zumindest nicht in diesem Film. Haben Starsky und Hutch etwa auch überlebt? Das muss an Los Angeles liegen. New York hätte diese vibrations bestimmt nicht.

Aber vielleicht kann man Heston heutzutage eh nicht mehr als Schauspieler sondern nur noch als unironisierbaren amerikanischen Teilaspekt sehen. In dieser Hinsicht gewinnt der frischere I am Legend auf jeden Fall. Smith ist weitaus sympathischer als Heston, obwohl auch letzterer mit Schaufensterpuppen spricht.

In dreißig Jahren kommt dann die nächste Version ins Kino. Wie wirken Hestons und Smiths Darbietungen wohl dann?

Carnival of Souls, Herk Harvey

Eine Perle von 1962. Mal wieder ist das Teil ein wenig unfreiwillig gruselig: neben groben Schnitten sind die schauspielerischen Leistungen recht fahrig und seltsam. Der gesättigte Konsument heutzutage wittert hinter dem Laienspiel freilich irgendeine zweite Ebene, doch da ist eigentlich keine. Soviel leiernder Dialog ohne Ziel? Unangenehm! Und dann auch noch schwarzweiß... nicht etwa wegen der Atmo, nein, eben weil's billiger ist. Brrrr!

Viele Bilder kennt man aus den schicken Goth-Anleihen diverser Musikvideos der 1990er, von den Smashing Pumpkins hin zu Reverend Manson.

Die Story selbst ist aber interessanter als man denkt. Eine blonde Ische überlebt einen Unfall und tingelt dann als alleinstehende Organistin (!) nach Utah (!!). Dann wird es langsam spooky, denn sie sieht finstere Gestalten. Freilich glaubt ihr keiner, denn blonde junge unverheiratete Frauen sind eh nicht recht bei Trost. Sie arbeitet (zunächst) in einer Kirche und fühlt sich von einem verlassenen Jahrmarkt magisch angezogen - beides sind Orte der Öffentlichkeit, und beides sind eher Orte für's Herz als für den Verstand. Wenn die Dame doch nur nicht so gefühlskalt wäre, wie es der nichtsnutzige Nachbar beklagt.

Auf infernalische Art und Weise erinnert jener räudige Nachbar an Logan Huntzberger. Das ist WIRKLICH gruselig.

Das Ende wartet dann doch noch mit einer kleinen Überraschung auf. Ganz mutige Zuschauer dürfen diesen Film als Vorläufer von The Sixth Sense beurteilen.

For Whom the Bell Tolls, Ernest Hemingway

Die Lektüre gestaltete sich überraschend zäh doch nach ihrem Abschluss kann vermutet werden, dass Mr. H. dies beabsichtigte. Der amerikanische Aushilfsguerilla und Dynamitexperte Robert Jordan harrt mit anderen spanischen Bürgerkriegern in einer Höhle aus. Er ist verantwortlich für den großen Knall doch weit über 400 Seiten gehen dahin mit kleineren Versteckspielen und Scharmützeln. Alle warten und warten... bis eben die Stunde (akustisch vernehmlich) schlägt.

Jordan liebt Maria. Nicht nur ist ihr Name schön gewichtig, nein, auch ihre Vergangenheit läßt nicht auf ein happy end hoffen: sie hat ihre Unschuld an die rape squads des Feindes verloren und ihr geschorenes Haar wächst gerade erst nach. Jordan nennt sie rabbit und sie wirkt wie die fleischgewordene Allegorie auf den Kriegswahnsinn. Rabbit wurde so stark ihrer Subjektität und ihrer Würde beraubt dass sie fortan nur noch als Objekt in der Höhle herumsteht. Ein Häschen halt, an der Wand oder im Schlafsack. Im krassen Gegensatz zu ihr steht Pilar, die angewelkte und recht derbe Frau des wankelmütigen Bandenchefs.

Hemingway hat eine frotzelnde Ader. Manchmal bricht es aus ihm hervor und er lässt Robert Jordan und die anderen fluchen und speien. Drollig dabei die plumpe Benutzung des Wortes "obscenity" an den entsprechenden Stellen. Dabei wird der Roman aber nie lächerlich oder gar hard-boiled: nein, er ist und bleibt ein reichhaltiger (mitunter polarisierender) Textbrocken.

Wie schon bei A Farewell to Arms ist das Ende hier wuchtig. War das nicht Tschechow mit der Pistolenregel in einer Geschichte? Wenn eine Waffe im Schrank versteckt wird, dann muss sie auch irgendwann einer abfeuern. Hier ist es halt Dynamit. Ei, wie drängend da doch die Verbindung zum Nobelpreiskommittee ist...

Dann schlägt endlich die Stunde: Jordan bombt die Brücke, eine Verbindung zwischen zwei Punkten reißt ab. Außerhalb der Höhle zeigt sich der Krieg endlich zwischen Trümmern, Pferden und Panzern. Zeit an sich verändert ihre Relevanz. In einer sehr schönen Passage kurz zuvor meditiert/fiebert Jordan über dem Jetzt: Come now, now, for there is no now but now. Yes, please now, only now... one and one is one. Der Amerikaner ist nach einem Fluss benannt und somit ist Stillstand der sichere Tod. Aus Jordans Handfläche können die gypsies jedenfalls keine Zukunft lesen. Da kann man dann weiter fabulieren bezüglich der Rolle von Brücken, die ja auch Flüsse überspannen.

Doch, die Lektüre lohnt sich. Auf jeden Fall macht sie neugierig auf die Filmversion. Gary Cooper als Jordan in einem Blockbuster von 1943.