2/28/2008

Die alltägliche Physik des Unglücks, Marisha Pessl

Dicke Bücher sind verdächtig, so auch Pessls Debüt. Fast 600 Seiten robbt sich das Ding dahin und macht dabei eine seltsame Wandlung durch.

Erzählt wird alles von Blue, einer Art Rory Gilmore mit einem umherzigeunerndem Akademiker-Vater, der das gescheite Gör von Campus zu Campus schleppt. Blue findet eine peer group und der Tod der Lehrerin Hannah macht alles viel zu kompliziert. Die Geschichte wird somit vom College-Roman zum Klein-Krimi. (Zum Vergleich: Die geheime [und enorm erfolgreiche] Geschichte von Donna Tartt ist dabei mehr Spannungsliteratur als Pessls Werk.)

Und eben diese Wandlung passt wunderbar zum konsequenten Erzählstil der Erzählerin: fortwährend werden Abschweifungen in Weltliteratur und Popkultur vorgenommen. Hyperlinks in die Bibliosphäre, quasi. Blue wirft beständig alles je Gelesene in die Waagschale und durch allerhand Recherche versucht sie dann auch, den Tod von Hannah aufzuklären. Am Ende kann der Leser der präsentierten Auflösung durchaus skeptisch gegenüber stehen.

Pessl ist witzig und baut allerhand schillernde Figuren auf. Wahre Kurzweil kann sich aber über die ganze Textlänge nicht einstellen. Immerhin entspricht selbige Blues Naturell vom endlosen Textlabyrinth, somit steht Stil bei diesem dicken Ding über der Geschichte selbst. Das ist ja fast schon weise.

We Own the Night, James Gray

Wegen Wahlberg und der Werbung für den Film wurden die Hoffnungen ein wenig zu hoch geschraubt, denn die Assoziationskette führte zum grandiosen The Departed. Dann noch dem River sein Bruder dabei, der als Man in Black so ernüchternd gut war, und fertig war der Optimismus beim Kartenkauf.

Leider ist der Film insgesamt enttäuschend. Der Showdown im Schilf wirkt abgenudelt. Die Idee mit dem Rauch und das unprätentiöse Abhaken des bösen Russen ist nicht sonderlich spannend. Überhaupt: immer diese Russen, tstststs. Um die Normalität und das gute zu definieren, sind Barbaren ja recht hilfreich. Aber Eastern Promises hat das auf einem ästhetisch viel, viel höherem Niveau gemacht.

(Moppel-) Phoenix' Darbietung der Saulus/Paulus-Wandlung ist ansehnlich doch innerhalb der Geschichte scheint sie haltlos und gezwungen. Es gibt bei We Own the Night keine Szenen, die sich einfach mal Zeit nehmen, die Charaktere einfach nur darzustellen (jawohl: American Gangster ist besser). 1, 2, 3 und schwupp sitzen die Brüder kurz vorm Abspann und sind unfreiwillig komisch.

Schade.

Cloverfield, Matt Reeves

Uh, wie gut das funktioniert. Die Handkamera läuft und läuft und der Schrecken lauert unscharf und verwackelt am Rand.

Diegesis und Mimesis verschwimmen und der wohlige Grusel stellt sich ein wenn die angreifenden Kreaturen ohne Begleitmusik aus dem Finsteren heraushechten. Freilich ist die Geschichte ein wenig holprig erzählt: ständig muss einer einen Grund haben, die Kamera mit zu schleppen und laufen zu lassen. Doch insgesamt scheint Cloverfield eine gute Mischung aus Blair Witch Project (kann sich an das Ding eigentlich noch irgendwer erinnern?) und Godzilla (*gähn*) zu sein.

Die Definition von Schreckenserotik fällt bei Cloverfield leicht. Plakative Nacktheit kitzelt niemanden, es ist das Aufblitzen von Zähnen und Klauen, was einen in den Sitz presst. Gegen Ende des Films wird man dann endlich mit ein, zwei Totalen der Kreatur(en) belohnt, doch bis dahin wird viel gehetzt und gekeucht.

Die große Kulturkritik kann man aus Cloverfield nicht herauspressen. Allerdings fällt hier auf, wie viele unprofessionelle Bilderwelten eigentlich doch derweil den durchtechnokratisierten Alltag in der westlichen Hemisphäre beherrschen. Die wackligen Bilder, die Authenzität heucheln, dominieren die normale und die www-Glotze. Menschen wollen diese Bilder sehen und auch machen. Als Lady Libertys Köpflein durch die Straßen rollt und liegen bleibt machen sich die Menschen nicht ans Staunen, nein: sie zücken ihre Telefone und schalten den Blitz dazu. Große Bilder gelten nur etwas, wenn man sie konserviert und teilt.

2/26/2008

Fido, Andrew Currie

Diesmal trifft Wikipedia den Nagel mittig auf den Kopf:

"Fido is essentially a cross between several 'boy and his dog' movies, Night of the Living Dead and Pleasantville, only the dog is a zombie."

Also: es gab da diese Seuche und jetzt gibt es diverse guarded communities im Amerika der 50er Jahre. Nur hier kann die Reinheit bestehen und aufgeräumte Vorgärten garantieren ein herrlich steriles Leben. Dank ZomCon gibt es praktische Kontrollhalsbänder und Zombies können sich um Autowäsche und Grünflächenpflege kümmern. Darling, ich bin zu Hause! Hat der Zombie die Hecken geschnitten?

Und die Leute verschulden sich nicht für Häuschenhypotheken sondern für gesonderte Kopfbeerdigungen, damit Totes tot bleibt. Senioren an sich sind in solch einer Welt generell verdächtig: sabbert Opa im Schlaf oder will er uns gleich die Luftröhre rauskauen? Dinge, die man wissen muss.

Und die Schulhofrabauken können endlich erschossen und verbrannt werden. Eine Zombifizierung rechtfertigt solch direkte Lösungen.

Ein großer Spass ist dieser Film, und nebenbei ist er auch noch brav und adrett. Aber halt mit Untoten.

2/25/2008

The Number 23, Joel Schumacher

Lieber Jim, lieber Joel,

das ging daneben. Die deutsche Paranoia-Kiste aus den 1990ern ist der viel bessere Numerologenthriller, und das nicht nur wegen der aktuellen Bezüge zur niedersächsischen Einöde. Auch der grobe Film Pi bietet mehr.

[Beide Werke erschienen übrigens 1998... Wenn man die 1 zur 8 hinzuzählt und das ganze dann umdreht, dann... dann steht da 666! Uah! Der Teufel ist mit den Referenztiteln im Bunde! Da wird man ja irre im Kopf!]

Zumindest kann man mit diesem sich fix hinunterspulenden Werk auch den letzten davon überzeugen, dass Jim Carrey mehr sein kann als albern. Aber eigentlich war das ja schon mit Truman und dem Mondmann klar. Nun wäre es vermessen, alles in diesem Genre an David Lynch zu messen, denn selbiger ist ja durchaus auch in der Lage, schwer verdauliche Staubopern zu machen. Aber eine Messerspitze guter Lynch hätte Number 23 gut getan.

Insgesamt ist der Film eine kleine Unterforderung für Menschen, die ab und zu ein Romänchen lesen. Aber man kann ja nicht immer solche Perlen wie Batman & Robin produzieren, nicht wahr, Herr Schumacher? Uh, das ist gemein.