12/12/2009

The Steel Remains, Richard Morgan

Die Rumpelfantasy kommt ziemlich in Schwung. Und wie sie rumpelt! Die Sensation vorweg: einer der Helden ist ein schwertschwingender Hallodri, der nicht auf Frauen steht. Allerhand! Und dabei liefert er genug testosteronoide Barbarengesten ab, um als Held zu bestehen. Recht so! Nieder mit der Tolkienschen Asexualität und dem diesbezüglichen Schweigen im Genre! Wenn Leiber so divers zerhackt werden, dann können sich Leiber auch divers annähern.

Morgan hat das erste von drei geplanten Werken geschrieben (ja, das Genre neigt weiterhin zur Oper) und macht klar, dass in diesem erbarmungslosen Prügelkosmos auch Elfen-KZs erwartbar sein können. Genau wie Abercrombie steht dem Ding keine Weltkarte vor, so dass man sich die fiktive Geographie ableiten muss. Gut so. Fantasy-Karten sind was für asexuelle Axtschwafler! Sauron hat den Punk nicht verstanden, hu?

Girlfriend in a Coma, Douglas Coupland

Coupland ist wie ein guter Kuchen: nicht so öde wie Brot und nicht so wuchtig wie Torte, und es gibt immer interessante Fruchtstückchen und ein schönes Belag-Teig-Verhältnis.

Auch dieses Buch ist kurzweilig und lustig, doch das Ende nervt. Es ist eine Sache, respektlos mit Sci-Fi-Elementen umzugehen, doch eine andere, kurz vor Schluss doch noch artig zu kuschen. Mehr Konsequenz bitte! Es darf gestorben werden, hu? Hier arbeitet sich DC ein wenig zu krampfhaft an dem monströsen Schatten ab, den GenX immer noch wirft. Bei JPod ist ihm das besser gelungen.

DC hat sich nicht blamiert, doch für Einsteiger ist dieser Roman kein richtiger Einheizer.

12/07/2009

My Bloody Valentine, Patrick Lussier

Hier.

Das ist ein Probehäuschen, damit das schöne neue Baubesteck benutzt werden konnte. 3D heißt das reanimierte Schlagwort und Verkaufsargument bei diesem Produkt und es ist tatsächlich was drin, im Sinne von raumtief drin, was draufsteht.

MBV ist ein Slasher, bei dem optisch erträgliche Menschen in unansehnliche Fleischgarnituren verwandelt werden. Die Morde sind mit Bergbauästhetik versehen. Spitzhacken und so.

Das macht Sinn: erstens gibt es Stollen und Höhlen, welche die Möglichkeiten der Raumvertiefung gut nutzen können. Zweitens gibt es offene Wunden und Kavernen der Entleibung (quasi eingefaltete Gewalt am postlebendigem Subjekt).

Und es ist eine Schau: vielleicht liegt es an der Neuartigkeit der Technik, doch hier wird Kino deutlich extremer. Das Auge fliegt mit: nicht nur der Realitätsausschnitt wird nun durch sanfte Vergewaltigung durch den Kinematographen vorgegeben, nein, auch die Realitätstiefe wird nun vorgegeben. Fokus hinein, Fokus hinaus. Schön auch die handwerkliche Sauberkeit der Produzenten: oft wird per Bildsprache die neue Technik kommentiert und dadurch vorgeführt.

Avatar kann nicht so schlecht werden, auch wenn es nur um Blaue Wunder und Karl May geht, wie die Postillen behaupten.

The Yiddish Policemen's Union, Michael Chabon

Hier.

Dystopische Textunterhaltung in Cinemascope. Wäre da nicht diese Sache mit den Juden... Ganz vorweg: Chabon ist kein eindimensionaler Provokant. Aber die Welt, die er schildert, ist doch eigentümlich politisch geprägt. Zunächst entspannt die Lektüre die furchtbar komplexe Thematik namens Israel und dann macht Chabon doch den Sack zu, indem er beispielhaft mit seinen Protagonisten das Phänomen der Ortlosigkeit sichtbar macht. Alaska, temporärer Rückzugsort der Juden nach WW2, wird geschlossen. Wohin jetzt? Wer macht den Abwasch auf einem sinkenden Schiff?

Die Kerngeschichte ist ein wundervoll angenoirter Thriller mit Goldfingern und Octopussies, und der fabulöse Hintergrund lässt ihn glänzen. Letztlich ist das Thema ja ein altes, nämlich die Rechtfertigung von lähmender Verzweiflung. Zur Entortung kommt die Entzeitung, und so führt Chabon seinen Roman zwar nicht in ätherische Höhen wie seinen Kavalier and Clay, aber er bringt schon ordentlich Distanz zwischen ihm und dem Erdboden.