3/01/2012

Dead Space 2, Visceral Games, Electronic Arts

Hier und hier. Endlich wieder ein Spiel, das einen beschämt: bei völliger Dunkelheit und über Kopfhörer ist es teilweise unspielbar. Spannungs-Splatter im toten Raum ist immer noch so beunruhigend, dass entnervt das Eingabegerät weggeworfen wird und man sich vor dem eigenen Juchzen erschreckt.

DS2 ist noch besser als der prächtige Vorgänger und schließt nahtlos an ihn an. Was es zu optimieren galt, wurde auch optimiert. Endlich eine Harpune! Und sie kann Elektroschocks! Man kann die Fleischbiester also an die Wand tackern und dann in Blitzgewittern durchgaren. Der Kunde verlangt diese Option und nutzt sie gern.

Richtig fein sind die kleinen Rätsel- und Geschicklichkeitssequenzen zwischendrin, die die Hintergrundgeschichte vorantreiben. Und stets steht auch die Körperwelt des Helden im Vordergrund im Vordergrund. Er ächzt, er schleppt sich, er schlägt verzweifelt um sich. Die spärliche Munition lässt einen bangen und hetzen: genau das, was man allein im Dunkeln gern tut.

2/28/2012

A Scanner Darkly, Philip K. Dick

Hier und hier schon die Filmversion konsumiert, nun zur Gänze das 1977er Original auf Papier.

Dick ist keiner zum Kuscheln. Seine Romane sind krümelig und haben keine großen Gesten - sie stellen nicht das Spektakuläre in den Mittelpunkt sondern erdenken sich eine fast normale Alltagswelt, die irgendwie seltsam ist und die die Protagonisten seltsame Dinge tun lässt. Dick stellt auch keine Parabeln an: es gibt keine große Lehre, die man am Ende abgreifen kann. Dick ist keiner für den Urlaub.

Auch mit ASD macht er sich an beunruhigend komplizierte Dinge. Hier ist es das Hirn und seine Aktivität mit und ohne Augen. Paranoia? Schizophrenie? Die Welt der kalifornischen Slacker hat beides zu bieten und man fragt sich, ob das nun an dem vertricksten Überwachungsstaat liegt oder an den Drogen oder an den Verflechtungen eben jener Umstände ineinander. Wo ist der Geist? Wie kann man Geister erkennen und gibt es eine Geistwirtschaft? Schwere Konzepte stehen im Raum. Vielleicht ist der Denkprozess einer ähnlichen Mechanik unterworfen wie die Rennradschaltung, um die sich die Rabauken in der Mitte des Romans streiten: die Ganganzahl vorn und die Ganganzahl hinten ergeben keine Summe, sondern Möglichkeiten. Konstellationen bedingen Geschwindigkeiten. Kein Urlaub für niemanden.

Red Dead Redemption: Undead Nightmare, Rockstar Games

Hier, freilich das Add-on zu diesem hier.

Wenn die Büchse leer ist, muss er maulen: viel zu kurz! Ja, "Add-on" heißt soviel wie "Zugabe" aber so fix ist man selten durch die Prärie geritten.

Jetzt also alles untot. Genre ist Genre und bietet Geschmackssicherheit. Aber ist der Western wirklich auch nur ein Klischee unter vielen? Und ist das Zombie-Mem nicht viel zu subversiv als dass es einfach so hineingepoltert werden kann? Hier klappt es jedenfalls, und das muss zugegeben werden, ganz hervorragend. Warum nur?

Die Zombifizierung der sand box hinterlässt hier ganz speziell einen unangenehmen Nachgeschmack. Vielleicht hat man die Charaktere aus dem Hauptspiel zu sehr ins Herz geschlossen und möchte nicht, dass sie durch die Untoten veralbert werden. Vielleicht denkt man an die Zielgruppe, die einen ja stets umringt in diesem Zeitalter der Masse, und erkennt dass es denen zum Teil nicht wirklich um ein gutes Erzählen geht und die die krachenden Colts vorziehen. Das sind wohl auch jene, die diese ganzen Punktesammelaktionen mitmachen. Schon bei GTA war dem Konsumenten das ein wenig zu doof. Stunts gern, aber einfach nur hinbewegen und abkassieren? Naja. Aber nur Mehrheiten machen Produkte groß, also muss das akzeptiert werden.

Besser als nichts. Aber ein richtiges und ganzes Sequel wäre noch besser.

2/27/2012

The Marbled Swarm, Dennis Cooper

Hier und hier und sehr gut auch hier. Cooper zerdeppert das Genre der gothic fiction und baut sich aus den aufgesammelten Scherben eine hübsche neue Karaffe. Die er dann mit Absinth füllt und ganz, ganz nah an die ledergebundenen Marquis-de-Sade-Prachtausgaben und eine abonnierte Einrichtungszeitschrift stellt.

Es geht um Falltüren und Burgen und Kavernen und Höhlen. Paris. Gucklöcher. Die typische Pädophilie, der Masochismus und auch Kannibalismus sind bei Cooper immer da - der Ultraekel wird aber nur ein Element von vielen. Vielleicht ist der Konsument schon abgestumpft (auweia!).

Aber obacht: die tiefste Höhle ist die Sprache. Der Schwarm aus dem Titel ist eine bestimmte Art des kunstvollen exaltierten Sprechens, des blasierten Dahingeplauder eines Sprechers, der niemals nur Butter und Brot auf dem Tisch hatte sondern immer nur Menüs zusammenstellte. Ein Mensch der Qualitäten, nicht der Quantitäten. The Marbled Swarm ist das Gegenteil von Abstumpfung. Es ist das ständige Gefasel, das sonore Beschreiben einer Welt mit zuviel Detail. Also doch wieder Stümpfe. Diese Einsicht kommt... unerwartet.

In früheren Werken von Cooper war der Abgrund viel präsenter. Das schmerzhafte Gelaber von TMS lässt den Leser früher oder später mit den Augen rollen. Der murmelnde Schwärmer deckt die Tiefe zu, er leuchtet alles aus. Er serviert lieber Tee mit Keksen (sieben Sorten!), anstatt auch nur ein wenig ernsthaft seine Lust auf Jungenfleisch zu deuten.