9/17/2011

White Noise, Don Delillo

Alle Jahre wieder. WN bleibt eine Referenz nach all den Jahren weil es Grundthemen umreißt, die in vielen Formen die Mehrzahl der konsumierten Produkte hier durchweht. Und eigentlich geht es um Konsum im Allgemeinen und Speziellen: wie kann die sogenannte moderne Familie zu dem stehen, was reinkommt und was rausgeht? Wie hermetisch ist das Domizil eigentlich und wie nachhaltig kann man ideologische Diffusion und die Außenwirtschaft außen halten?

White Noise ist die muntere Kontamination und die leise beschriebene Alltagsverschleppung. Bemerkenswert ist auch, dass der Roman schon so alt ist. Seitdem sind viele airborne toxic events durch Schirme und Geister gewandert. Nachwievor bleibt der Wunsch nach nachhaltiger Buße durch Terroristenfabeln und Splatterfabriken - eine Erdung durch Moralitäten des vor-televisionierten Jahrhunderts. Delillo hat das auch in anderen Werken anschaulich zerlegt.

Community, Dan Harmon

Ausgezeichnet. Hier und hier. Ein schöner Moment in der zweiten Staffel: man macht sich über das seelenlose Cougar Town lustig. Das tut gut.

Community ist eine selbsterklärende sitcom: die seltsam diverse Lerngruppe an einer Feld-, Wald- und Wiesenhochschule reflektiert über sich selbst und auch über das gesamte Genre der Bildschirmunterhaltung und nutzt ihre Sendezeit optimal. Wer nicht mitkommt, konsumiert nicht genug: freilich ist das eine gerade in diesem Blog gern gesehene Prämisse. Community ist weniger aggressiv als erwartet und eher drollig.

Es muss eine dritte Staffel geben, ob nun mit oder ohne Chevy Chase... aber lieber mit. Hehe.

9/12/2011

The Pale King, David Foster Wallace

Hier.

Mit Wehmut begann der Konsum... DFW ist zu gut und dies ist der Rest vom Schützenfest, editiert von einem uneinschätzbaren Lektor und zusammengestellt aus Romanfragmenten, die in der Garage gefunden wurden.

Aber das muss ja nicht schlecht sein. Dies könnte das Phänomen namens Literatur weiter erhellen, indem es wirklich eine zerteilte Autorenschaft unterstreicht - bei TPK wird zumindest deutlich, dass Bücher Produkte sind, die sich verkaufen sollen oder müssen und die dementsprechend von mehr als einem Hirn gestaltet und (nach-)strukturiert werden.

Der Roman ist ein Sammelsurium aus Anektdoten und Geschicht(ch)en, die sich mit der Steuerbehörde der USA im letzten Jahrhundert, in der Zeit vor Internet und PDF, befassen. Es ist eine monströse Bürokratie, eine Urgewalt der Fussnoten und der abstrakten Evaluationsregeln: es ist auf unheimliche Art kreativ, aber eben absolut abstrakt da es sich mit dem Unding namens "Geld" in zweiter Ordnung beschäftigt. Formulare stapeln und falten sich ineinander, da wälzen sich Vorgänge mit kryptischen Anmerkungen und analogen Links durch Maschinen, die als Schreibtischkollektion mit menschlichem Anhang gestaltet sind.

Der Roman ist eine beklemmende Arbeit über Arbeit im Sinne von Job und Geldverdienen. Von wegen Kreativität und Selbstverwirklichung: hier geht es in einen Elfenbeinturm, der die Staatswirtschaft zusammenhält und dokumentiert. Es geht um Vorgänge, die nicht für Menschenaugen Sinn machen müssen sondern nur für ein Heer bürokratischer Systematiken. So kann Wallace wieder um die schon von Infinite Jest bekannten Kernthemen Stupor, Geistesleere und Langeweile, dem Mittagsdämonen, kreisen. "No word for the Latin accidia made so much of by monks under Benedict. For the Greek. Also the hermits of third-century Egypt, the so-called daemon meridianus, when their prayers were stultified by pointlessness and tedium and a longing for violent death."

Und das Unheimlichste ist das Brechen der vierten Wand. Wallace selbst (!?) schreibt von seinem eigenen Job in diesen Büros in Peoria, Il. Schmerzhaft genau bebildert er den Stumpfsinn dort und erläutert auch die juristischen Umstände seiner Berichterstattung. Eskapismus? Nein, kein Entkommen.

So weit, so seltsam. Warum sollte man TPK trotzdem lesen? Wallace schreibt unbarmherziger als im Infinite Jest und so finden sich Sätze wie "(L)ife owes you nothing; that suffering takes many forms; that no one will ever care for you as your mother did; that the human heart is a chump." Und: "Pain is a wholly subjective experience and thus ‘inaccessible’ as a diagnostic object. Considerations of personality type also complicate the evaluation." Ein unheimlicher Heroismus bringt das Leitmotiv auf den Punkt: "To be, in a word, unborable... It is the key to modern life. If you are immune to boredom, there is literally nothing you cannot accomplish."

Es gibt Einblicke in den Stillstand von Geist und Arbeit bzw. Geistesarbeit und wie einen selbst dieser Stillstand prägen kann: "and then unbidden came the thought that boring also meant something that drilled in and made a hole."

Ja, sicher, man kann TPK als überhebliche Nabelschau und als Schmähung der arbeitenden Massen abtun aber letztlich fängt der Roman erneut die Frage ein, die jeder halbwegs junge Mensch sich stellt: wie kann man in einer Welt voller Unfug etwas Sinnvolles tun und wie erkennt man das? Und selbst wenn man so existentiellen Schwermut nicht haben will, so ist TPK immer noch ein Wallace: sehr, sehr seltsame Menschen und Geschehnisse werden auf einmalige und maximalst unterhaltsame Art und Weise geschildert. Das Buch könnte also das Gegenmittel zu seinem eigenen Thema sein. Infinite Jest ist noch immer besser, aber selbst unfertig kommt TPK überraschend nah heran.

Außerdem: die Zitat-Folgen-Funktion des Kindle (dessen Preis letztens gesenkt wurde, harumpf) erweist sich hier natürlich als große Hilfe.