6/25/2011

A Scanner Darkly, Richard Linklater

Hier. Weite Felder stehen außerhalb der Stadt, große Flächen die etwas im Unterholz verbergen. Die Geschichte von P. K. Dick wird optisch verstörend in Szene gesetzt und hat damals keineswegs ein neues Genre verursacht, so wie der behäbige Filmkritiker (der genau ein Telefon mit fünf Megapixeln besitzt) vielleicht vermutet hätte.

Ach, die Oberfläche. Was passiert, wenn die Polizisten keine Uniform mehr tragen und alle Gesichter gleichzeitig haben? Was passiert, wenn alle gleichzeitig und für sich allein auf Droge sind? Was ist das für ein Kalifornien und wer will da wohnen? Lebt ASD von der Verfremdung oder ist es nicht eigentlich eine Arbeit über Verfremdung und Kontrollverlust im Allgemeinen, eingebettet in den goldenen Staat im westlichsten Westen der nahen Zukunft?

Intertextuelle Bezüge lassen sich nicht nur zum Kristallbild sondern auch zu In a Glass Darkly erpressen. Scanner, Sensoren und Monitore sind aber auch viel zu allgemeine Begriffe beim Medienkonsum.

The Tree of Life, Terrence Malick

Hier. Uff. Hui. Herrje.

Mittlerweile haben sich die Glühwürmchen der Begeisterung ein wenig gelegt und der Zweifelnde kommt wieder durch, der zynische Konsument der eh nur auf Varianten der ewig gleichen Wiederholung wartet statt echte Innovationen zu erwarten. Contenance.

Bei Thin Red Line war die Revolution spürbar und das hat dementsprechend die Erwartungshaltung gestaltet. Vielleicht ist TOL deshalb so grandios: das Grandiose wurde erwartet. Malick musste den Konsumenten nicht erst gewinnen. Und dann wurde das Grandiose abgeliefert.

Orgiastische Bilder brummen voran und die kosmische Bandbreite erinnert ein wenig an 2001. Orogenesen vollziehen sich, wie im Himmel, so auf Erden. Zwei Schauplätze eines Lebens werden gezeigt, einmal die Kindheit in der Vorstadt und dann ihr Echo in der Großstadt, unterfüttert mit dem ganzen Universum drumherum. Einziger Link ist außer den Genen der Tod des Bruders... wie global kann Trauer also sein?

Ob nun innovativ oder nicht: die unhysterische Begeisterung bleibt. Das hier ist der beste Film des Jahres bisher, ob nun im Kino oder auf DVD oder sonstwie.

Zen Minimalism, Leo Babauta

Der erste Testballon ohne Papier drumherum.

Babauta ist einer dieser erfolgreichen Blogger, die Büromenschen das Aufräumen beibringt. Zen ist keine Religion und eigentlich auch nur ein Wort, das etwas bezeichnet, das nicht in Worte passt.

Jawohl, Minimalismus: kurz ist das Ding und enorm klar. Man kann nun sagen, es sei dünn... aber dünn ist gut. Dünner wird man nur, wenn man einen Ort fest einplant und der Ort heißt "weg" mit einem kleinen "w". Da kann man Dinge hinwerfen und sie kommen nicht wieder.

Konsum muss auch Abschied bedeuten. Abschied darf keinen Eventcharakter haben. Sonst muss man ungelenk aufwändige Entschlackungsaktionen starten und am Ende weinen alle und der Schornstein verstopft ob des vielen Brennmaterials. Raus mit dem Mist, bevor mehr Mist hereinkommt.

Die nächste Lektüre bezüglich angewandter Reduktion wird dies und dann dies. Die Tyrannei des Zuviel verdient Widerstand. Und dann was hippes Schuhzermalmendes, um die flüchtige Jugend zu verdecken.

6/24/2011

The Pornographer's Poem, Michael Turner

Länger hier. Wird da alles auf den Titel gesetzt? Eigentlich nicht. Es geht nämlich gar nicht so sehr um Gedichte. In präzisen Kapiteln gesteht der minderjährige Pornograph seine Machenschaften, die, wie sollte es anders sein, mit Technologie begannen: die Nachbarn tun etwas auf dem Balkon gegenüber und der Hund ist auch dabei und der Held hält drauf. Das Resultat kann dann bei privaten Filmvorführungen in grotesken Kreisen zum Geldverdienen und Zeitvertreib (es ist die Zeit vor dem Internet, 1970er) genutzt werden.

Das andere Fleischdrama, das der Roman dem Porno gegenübersetzt, ist Krebs. Der verschlingt nämlich die reale Freundin und ehemalige Komplizin.

Turner ist ähnlich überlegt in seiner Vorgehensweise wie Homes aber statt auf sprachliche Miniaturen setzt er auf variable Textsorten (Drehbuch, Brief, Dialog). Das tut dem Roman gut. Vielleicht ist das Beunruhigendste daran, dass seine Handlung gar nicht so abwegig erscheint und gar nicht in einer großen Lektion endet, einer großen Verurteilung oder Erkenntnis. Man muss wohl akzeptieren, dass es Kameras gibt und damit einen Raum vor ihnen und einen Raum hinter ihnen und einen Raum, in denen ihr Produkt dann vorgestellt wird.

6/20/2011

Kokain, Pitigrilli

Wer heißt denn so? Dieser. Jawohl, Italien, und mit dem Ausruf "Bunga-Bunga" hat hier alles und gar nichts zu tun: in den Zwanzigern ergreift die Leere den vor sich hin schreibenden Kosmopoliten und er ergibt sich in die Kreise ähnlich entwurzelter Menschen. Kokaina wird seine Geliebte und verdrängt reale Personen, er fleht sie an und schimpft mit ihr um dann wieder zurück zu kriechen. Ein paar Jahrzehnte früher und in London könnte der Text "Absinth" als Überschrift tragen.

Die Sprache ist eigenartig süffig, sowohl dicht als auch eingängig. Ist das so, wenn man Italienisch ins Deutsche übersetzt? Vielleicht kann man damit die Skandale rund um's Erscheinen erklären: hier schreibt einer ohne Gefangene zu machen und macht sich über alles und jeden lustig, ohne eine moralische Instanz einzuführen oder auch nur einigermaßen intakt zu zitieren. Die Menschen hier sind alle substanzlose Zeitfresser, die alles tun, um sich vom Zeitgeist zu isolieren. Und selbigen dann auch noch prägen.

Endet es gut? Nun ja. Überleben ist immer gut, oder? Und eigentlich endet es gar nicht.