11/08/2011

The Reluctant Fundamentalist, Mohsin Hamid

Hier. Die Rahmenerzählung ist in der zweiten Person Singular gehalten, denn der vermeintliche Fundamentalist erzählt seine Erfahrungen als Nichtamerikaner im neoliberalen Getriebe einem westlichen (terrorisierten?!) Touristen.

Das Buch ist ein großer Erfolg, vor allem weil die Hammelherde der phantasielosen Schulmeister es gern in ihre Lehrpläne presst. TRF ist schön kurz und in den Oberstufenklassen muss man ja seit den Nullerjahren auch mit diesem Thema umgehen, das vermeintliche orientale Strategien gegen westliche Architekturen umweht. Ach, und da ist ja auch das böse Wort gleich im Titel. Wie praktisch! Der Name des Autoren kling auch fein fremd, so dass er ganz bequem und super PC als Autorität herhalten kann.

Das hat Hamid's Roman eigentlich nicht verdient. Kurzweilig ist er, aber die Symboliken sind schon arg bemüht: freilich ist sein love interest eine scheiternde verwestliche junge Dame, die an ihrer Vergangenheit erstickt ("Verdient hat sie es!" rufen die Lümmel aus der letzten Bank). Freilich ist alles ungerecht und von Rassismus durchzogen. Und die Jobs hier im goldenen Westen sind unmoralisch, unmoralisch, unmoralisch. TRF ist eine Globalisierungslektion mit der groben Kelle, darf aber nicht als einziges zum Thema im Regal stehen. Wenige Bücher sollten das, aber hier fällt es besonders auf. Ein schöner Kontrapunkt zu dem lustigen ausländischen Zersetzer in Palahniuk's Pygmy.

Am Ende ist der Tourist vielleicht doch kein Tourist. TRF ist aber kein Spannungsroman, so dass dies eher ein stimmiger Schlusspunkt als eine aufregende Enthüllung ist.

11/07/2011

Detachment, Michel Serres

Hier und vielleicht auch hier. Farmer, sailor, wanderer, friar. Serres ist Wasabi für's Überlegen. Da er seine Überlegungen literarisch darreicht, ohne esoterisch zu werden, können seine Konzepte nicht nur verstanden sondern auch erfühlt werden. Es bleibt einem ja auch kaum etwas anderes übrig. Skizzenhaft reihen sich die Schlagworte, die dann apfelmännchenmäßig ausgeführt werden.

Inhaltlich geht es um Raum und Rauminbesitznahme. Der Horizont der Ackerkrume schafft eine andere Außenwelt, eine andere (virtuelle?) Umwelt, als die des Ozeans oder des Versprengten oder des Gesetzten. Selbstverständlich sind Protagonisten Platzhalter für ganze Raumsysteme, die sich ihrerseits fortsetzen und Generationen ganz oder teilweise formen.

Serres ist vielleicht auch Kybernetiker. Aber statt den unseligen Roboter-/Cyborgbegriff immer wieder durch zu deklinieren ist seine Perspektive schon immer von parallelen und hybriden Prozessen durchzogen. Wahrnehmung, Materialität, und Prozessualität vermengen sich in einmaligen Entwürfen. Kaum jemand arbeitet so wunderbar gegen den Anthropozentrismus wie er, wahrscheinlich genau durch diese literarische Qualität seiner philosophischen (Algorithmen aufbrechenden?) Texte.