12/12/2007

Gone Baby Gone, Ben Affleck

Es wird schon deutlich, dass die Geschichte vom Verursacher von Mystic River kommt. Aber auch ohne Sean Penn ist Gone Baby Gone ordentlich.

Die Motive sind bekannt doch der Fokus liegt zwingend auf der Darstellung der traumfreien amerikanischen Unterschicht. Gone Baby Gone befasst sich sehr explizit mit weissem Müll und Affleck (verdammt, ja!) stellt die Bilder so zusammen, dass man das billige Plastik und den kalten Rauch fast riechen kann. Der Showdown muss dabei im Grünen stattfinden.

Aber obacht: Dies ist ein fast schon altmodisch-moralischer Film und das ist man (zumindest im Graben) nicht gewohnt. Hier gibt es auch Gangster aber es sind nicht die bösen Absichten, die sich verstecken, sondern die guten. Das macht die Sache nicht einfacher und das ist spannend zu beobachten.

Noch was zu Casey: Jesse James' größtem Fan gelingt die Wandlung zum außerordentlichen Ermittler durchaus. Die wässrigen Augen sind nicht nur zum Staunen gut und zusammen mit Michelle Monaghan wirkt er von Anfang an als geschundene, aber ehrliche Haut.

Es sei noch gesagt, dass Shutter Island auch von Lehane ist. Wer mag da wohl die Filmrechte dran erworben haben? Genau der.

12/10/2007

A Long Way Down, Nick Hornby

Der Abbruch kam auf Seite vierundvierzig. Konzept klingt gut, aber die Gier auf die anderen Titel im Regal ist zu stark. Bei High Fidelity war damals die Aufmerksamkeit schon auf Seite zwei gesichert.

Vielleicht später, im nächsten Jahr.

12/09/2007

American Gangster, Ridley Scott

Breitwand! 70er! Viel Budget! Ridley Scott und seine Mitarbeiter wollen einen Oscar. Oder mehrere. Die heimliche Hauptrolle hat aber mal wieder die Bühne: der New Yorker Sprawl ist der Ort an dem die Helden hausen. Hier ist der Schmutz und hier muss man mit verwischten Grenzen leben: Korruption hat den Asphalt unterhöhlt und macht die Herren grimmig und knirschend. Die Fasern sind toll. Alles ist abgewetzt und stumpf. Schweiß, Blut, H, Rauch, Pfützen aller Art und Kies. Man beachte außerdem, wieviel Zucker der schwarze Pate in seinen Kaffee macht!

Die Schwarz-Weiss-Semantik wird zugegebendermaßen sehr ausgespielt. Der schwarze Gangster, der weiße Cop. Der eine ist sauber in optischer Hinsicht, der andere in moralischer. Diese Gegenüberstellung wird aber nicht flach, denn Crowe beziehungsweise Washington spielen ernsthaft und füllen nicht nur ihre Kostüme aus. Vor allem aber rennt der Film nicht der wahren Geschichte hinterher beziehungsweise vergewaltigt sie auch nicht. Ja gut, diesbezüglich müsste man jetzt den echten Gangster fragen. Das Ding fließt jedenfalls voran.

Und der Gangster an sich achtet ja nicht wirklich auf PC, also auch dieser Film nicht. Dass der Alt-Mobster und sein drogendealender Nachfolger für manche mit MLK verglichen werden kann nur übel aufstoßen. Dass Uniformen nicht für Loyalität stehen verunsichert noch weiter. Blöd nur, dass der Film auf Tatsachen beruhen soll. Hell, yes: Geschichte ist noir und teils stockfinster. Beim American Gangster kommt's recht dicke.

Gleich in den ersten Minuten fliegt Blut auf Badezimmerkacheln. Das kann ja nur ein Verweis an den beängstigend auratischen Scarface sein. Tradition verpflichtet. Der Gangster ist mehr als ein gieriger Bandit, er scheint die amerikanischste aller Lebensstil-Ikonen zu sein, wie schon bei Jesse James hier angemerkt wurde.

Inland Empire, David Lynch

Uh, Mr. Lynch, seien Sie sanft. Au, nicht so doll. Au! Nein! Aufhören! Langsamer! Iiih, das schabt! Verflixt noch mal! Wieso machen Sie das immer wieder? Ach, verflucht.

Inland Empire ist vom Umfang her sicherlich ein Hauptwerk von Herrn Lynch. Er hat aber bisher immer bizarr-schöne Bilder aufgefahren, um das Interesse und die Faszination des Zuschauers zu wecken und zu halten. Er bot Szenen als Inseln zum Herumspringen. Hier geht das aber eher schlecht. Bei fast drei Stunden Spielzeit geht einfach alles unter. Der einzige optische Anker, den man hat, ist Laura Dern. Die macht das alles toll aber sie kann nicht zur Re-Vision des Werkes verleiten. Lynch hat sich selbst dekonstruiert, er hat aus mehreren Teilprojekten einen Film gebaut und absichtlich so viele Links und Klammern in den Plot eingefügt, dass er zum Ende hin zerfasert.

Vergleich zu Lost Highway: Hier geht es um klassischere Detektivromankonstruktionen, wenn auch in Fragmenten. Die Töne sind hier deutlich maskuliner (wenn auch als Klischee): Frau Arquette ist die Hyper-Ische schlechthin. Einer der Helden ist ein viriler Automechaniker, der andere ein Jazz-Mann mit offenem Kragen. Aggressionen werden mit Marylin Manson und Rammstein unterlegt.

Inland Empire hat jetzt Beck im Programm. Beck passt derweil allzu gut ins Nerd-Chic-Hollywood und ist weit weg von wuchtiger Plakation. Beck ist un-gothic und das ist schön für ihn aber auch schade.

Die Newtonisten wird Inland Empire mehr aufregen als die Derridarianer, aber selbst letztere könnten die Spielzeit auch nutzen, um ein nettes Buch zu lesen.

Beim Inhalt kann man (wie so oft) seine eigenen Wahrheiten finden. Hier eine Option: Laura/Nicki ist der Filmstar, die Ikone, die die eingangs gezeigte Zuschauerin benutzt, um ihr Unterbewusstes aufzuräumen. Probleme hat sie ja, denn polnische Oger kloppen sie ins Gesicht. Der TV-Schirm bzw. die Leinwand werden zum Spiegel (auweia, Lacanisten haben hier eh viel zu kauen), nicht nur für die Zuschauerin, sondern auch für die Schauspielerin. Ein Film im Film, gefilmt als Film mit filmischen Mitteln. Wer spielt, wer schaut zu? Das sind die üblichen Fragen, die gestellt werden. Hatte Lynch die Hollywoodhölle nicht schon in Mulholland Drive eindringlich dargestellt?

Symbolisch fallen hier vor allem Innenräume auf, die es zu erforschen gilt. Hallen, Zimmer, Flure, Gänge und Türen sind eine überdeutliche Metapher für erzwungenen und vorenthaltenen Zugang. Bei Lost Highway gibts Autos und der echte Mulholland Drive ist eine schlingernde Serpentine am Rande des Wunderlands. Inland Empire ist eine Totalität und führt somit zu Stagnation auf hohem Niveau. "Da ist mehr" wird an einer Stelle gehaucht. Wieviel "mehr" verträgt das Auge bzw. der suchende Blick?

Aber die Häschen rocken arg.