4/12/2012

Where the Buffalo Roam, Art Linson

Hier und hier. Und mit diesem Werk wird erst die Position von Hunter S. Thompson in der nordamerikanische Popkulturmythologie so richtig offenbar.

In dieser recht frühen Verfilmung der Abenteuer des wohl bekanntesten wahren Gonzisten (!?) gibt es einen paranormal jungen Bill Murray, der sich mit getönter Brille und Zigarettenspitze durch die nüchterne Restwelt drängelt. (Den Anwalt gibt Peter Boyle, der viel später als grantelnder Vater von Raymond in dessen Sitcom für Millionen Menschen Werktagsabendessen vor der Glotze ermöglicht.) Dieser Hunter ist aber kein einfacher Hallodri, war er ja nie. Erstens ist der Film arg auf den SNL-Veteranen selbst zugeschnitten und bemüht sich nicht, authentische Zeitgeschichte darzustellen. Passt schon. Bill ist ein Guter und bloße Geschichte ist eh nur etwas für nüchterne Nixonisten. Zweitens nimmt der Film den respektlosen (-freien?) Stil seines Protagonisten auf und versucht sich gar nicht in allzu berechnbarer Hurra-Komik: es ist eher eine Zurschaustellung eines letztlich ganz entspannten zivilen Widerstands, der nicht mit Argumenten sondern mit Konsumverhalten unterstrichen wird.

Die amerikanischen Büffel zeigen an, wo Amerika ist. Es gibt auch viele Fahnen in diesem Film. Mit Gilliams Re-Konzeptualisierung viele Jahre später hat das hier erstaunlicherweise wenig zu tun: vor allem ist dieser Film ziemlich spröde. Ohne die kleine Substanzmissbrauchshorrorshow taugt er als Stimmungsdokument der verkaterten 1970er - Fronten geklärt, Budgets verteilt, Meinung gebildet. Ab dafür. Vielleicht sollte man Thompson lieber lesen. Bald kommt das Rum Diary, wieder mit Herrn Depp. Ob Murray einen Cameo kriegt?

Fear and Loathing in Las Vegas, Terry Gilliam

Hier und hier. Die Phrasendreschmachine kommt auch gleich zum Einsatz: "Auch nüchtern konsumiert kann dieses Werk über den Rausch selbigen hervorrufen." Ist leider so. Gilliam benutzt Filmtricks wann er will und verlässt sich größtenteils auf das (zugegebenermaßen enorme) Talent seiner Hauptdarsteller.

Die Geschichte ist gar nicht so kompliziert und eigentlich auch das Gegenteil eines Epos (das eventuell in Heilung und Reue münden könnte): zwei Herren sind druff, druff, druff und geben fortwährend Referenzen zum Amerikanischen Traum von sich. Ob nun beim debilen Wüstenrennen, im sinnfreien Las Vegas oder der Verpflegungskapsel namens Hotelzimmer: ganz in Gonzo-Guerilla-Manier wird der Sittlichkeit widerstanden und man schaut, was man mitnehmen kann in der von Spießern verstopften Restwelt. Das ist schon eine Stufe jenseits expliziter Rebellion. Vielleicht Freiheit i. e. S.?

Ein fast schon unangenehmer Sog setzt durch diese Vereinzelung ein. Besteht das Leben etwa aus Reihe von Wach- und Traumphasen? Unterscheiden sich die Illusionen überhaupt oder muss man das anders nennen? Passen die Roten auf die Grünen und mit wieviel Adrenochrom könnte man noch fernsehen? Ein großer Spaß, der letztlich beunruhigt. Das machen aber alle Späße, die was taugen sollten.

4/09/2012

The Wild Bunch, Sam Peckinpah

Hier und hier. Ist ein breiter herber Schinken mit echten Kerlen und einer rücksichtslosen Zerschlagung bis dahin gängiger Genre-Geruhsamkeit. "Unbequem" ist noch zu wohlwollend ausgedrückt: der wilde Haufen ist fast vollkommen frei von konstanten Sympathieträgern und brummt mit einem wahren Stakkato von Schusswaffengebrauch.

Gewalt, Gewalt, Gewalt: Peckinpah geht seinem Leitmotiv gemäß ungestüm vor und inszeniert einen der wütendsten Filme der Welt. Hier wird keine Ranch eingezäunt oder der Frieden bewahrt oder ein Kälbchen gesucht: es geht um das verdammte Geld und die letzten Gewissheiten in der teilzivilisierten Enge des weiten Westens. Man reiche das Dynamit - zum Aufbau West sind wir nicht hier.

Der Showdown ist ebenso erbarmungslos, nicht nur von der Montage her: da rührt sich ein wenig Moral in den finsteren Gesellen und doch heiligt der Zweck nicht ihre Mittel. Ein ziemliches breites Brett, das. Solch ein Paradebeispiel an amerikanischen Anarchismus hat man im Western-Gewand nicht vermutet. Mit breiten Brettern kann man weit ausholen - sieht aber immer unelegant aus. So rauh kriegt das nur Peckinpah hin.


4/08/2012

Wild Thing, Josh Bazell

Hier und hier. Sarah Palin? Echt? Wunderbar. Da gehört sie hin.

Bazell hat dieses Geschwindigkeitstalent: im Großdruck des Taschenbuchs jagt er einen über die Seiten wie ein Irrer und jubelt einem sogleich die seltsamsten Szenarien unter. WT ist eine Variation der Monstersuche, der Expedition ins ungewisse unelektrifizierte Hinterland. Teilweise jedenfalls. Insgesamt gilt es diverse Komplotte zu durchleben um dann mit einem wuchtigen Sprung am Ufer zu landen.

Ein ganz dickes U. Warum macht man da kein feines schnelles 85-Minuten-Filmscript draus? Es muss auch nicht die echte Sarah mitmachen. Mit den richtigen Argumenten würde sie das aber bestimmt.

I Saw the Devil, Jee-woon Kim

Aus gegebenem Anlass. Hier und hier. Ausgezeichnet und entnervend. Hier wird gemordet ohne Sühne. Wer ein Grab gräbt, steht im Ende selbst drin. Wichtige Themen, zeitlose Themen. Einmalig abgeliefert. Der Film ist komplizierter als man denkt, und zwar auf mitreißende Art und Weise.

ISTD bietet ein harmonisches Gesamtbild aus Hass und Verlust. Rache ist schließlich ein großer Verknüpfer und Motivator und wird oft mit Gesetzen (höheren und inneren) verwechselt. Da soll etwas ausgewogen werden. Da verdient einer etwas und jemand anders hat es abzuleisten. ISTD stellt das in seiner Absurdheit sehr fein dar.

ISTD ist aber auch ein unberechenbarer Schocker i. e. S.: die Tat am Anfang nimmt in ihrer Drastik zuerst alles ein. Dann passieren weitere Dinge. Es peitscht weiter und nur langsam begreift man das Ausmaß des Nichtmenschlichen und die Kraftlosigkeit aller Beteiligten. Die Aktionssequenzen sind wohlproportioniert, bleiben überraschend und seltsam furchtlos. Messereinsatz im fahrenden Auto? Das ist beunruhigend neu, jedenfalls so.

ISTD kennt kein Erbarmen. Wenn man den Teufel gesehen hat könnte man solchen Quatsch ja auch endlich lassen.