5/05/2010

Kick-Ass, Matthew Vaughn

'Twas about time to kick ass. Hier erstmal ein Bild von gamealmighty.com.

Der Film macht so viel richtig. Zum einen ist er fröhlich derb und herb und ist auch den Nicht-Nerds (die soll es ja auch geben, in ominösen Reservaten) eine Freude, so sie denn schwarzhumorig an ihre Freizeitbewältigung gehen. Zum anderen ist er eine mehrfach kluge Diskussion des Genres Comic in Bild und Kino.

Es ist anzumerken, dass der Held (Definition dieses Begriff steht im Filmkern) die gleiche Synchronstimme hat wie Frollein Maguire als Peter Parker. So kann sich den Germanen die Multiplizität des visuellen US-Popcorns gar nicht erschließen! Oder es ist ein interessanter Aspekt, der die Komplexität zwischen "Mimikry" und "Kopie" quer durch die Ebenenen aufdröseln kann.

Soviel zum Verschädeln des Vergnügens. Um nocheinmal letzters zu betonen: ARSCHTRETEN IST STETS EINE SCHAU. Vielleicht ist das die einzige Lektion, die eine Schule und ihr angegliederter -hof erteilen kann: wenn sich wer prügelt, schaut man immer hin, egal ob Helden gewinnen oder nicht. Im Kinosaal hat man lange nicht mehr soviel Raunen und Ächzen im Publikum gehört. Und die Kuschelpärchen haben sich endlich auf's Wesentliche konzentriert: den Film (mainstream Comicfilme schaffen das nicht).

Vor allem das fantastische kleine Mädchen, dass sich mit Shuriken und Hohlmantelgeschossen auskennt, begeistert. Hier wird die hoffnungslos überödipalisierte Comic-Torte wunderbar angeschnitten. Und Nicci Cage hätte man soviel ironische Freude kaum zugetraut: als Big Daddy ist er doch ein (manisch-suizidaler) Pfundskerl, der alte Haudegen.

Bitte, bitte: das Arschtreten muss in einem Sequel weitergehen. Teile von NYC stehen noch und es gibt immer genug Mafiosi zum Ausweiden.

Undead, Richard Lee Byers

Quasi "Die Zwei Türme" der Haunted-Lands-Trilogie. Hier. Warum rockt das Ding nicht so wie es sollte? Weil der Autor es übertreibt. Diese ganze Untotenalchemie ist irgendwie zuviel. Und wieso können Dämonen untot sein? Und wieso ist ein nicht abgetriebener Fötus der Zwischengegner für die viel zu schillernden Protagonisten? Fragen über Fragen. Vielleicht ist Byers eigentlich ein Zeichner, der Absonderlichkeiten in 2D anfertigt und der nun eine Geschichte drumrum strickte. Oder ist dieses Produkt eine Antwort auf die Spielerrasse der Untoten bei WoW? Noch mehr Fragen.

Glasshouse, Charles Stross

Hier. Stross hat auch Accelerando geschrieben und auch im Glashaus geht es um eine menschliche Zivilisation *nach* der Singularität. Das ist harter Stoff. Es gibt Körper-Geist-Uploads und Materie-Konverter/-Kopierer. Wem Star Trek zu utopisch ist, der wird von Stross restlos überfordert sein. Und das macht die Lektüre so spannend.

Die Protagonisten gehen mit Raum-Zeit-Verschiebungen und Generationsschiffen um wie gegenwärtige Kinder mit Schaukeln. Da muss man sich erst einmal dran gewöhnen: die Posen und Aktionen des Unterhaltungsgenres, wie beispielsweise ein Duell bei Morgengrauen, haben verblüffend wenig Relevanz wenn die Kontrahenten sich vorher geklont und ge-backup-t haben. In Glasshouse ist Spionage und Täuschung sehr wichtig: zunächst wird der/die Held/in (Chromosomen sind auch nur Fleisch) ohne Gedächtnis in eine art BigBrother-Show geworfen, um dann in einer amüsant Truman-mäßigen Scheinwelt (die zeitlich in der finsteren Dämmerung des 21. Jahrhunderts angelegt ist) diverse Uteri zu verteidigen. Der letzten Seiten sind trotzdem spannend. Folgerichtig, aber überraschend.

Sehr inspirierend. Danke, Herr Stross.

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UPDATE: Bei io9.com gibt es eine umfassende und hilfreiche Erläuterung des Konzepts der Singularität. All hail the posthuman!

5/03/2010

The Man in the High Castle, Philip K. Dick

Hier der wiki-Artikel.

Ja, was wäre denn nun wenn? Dieser Klassiker zeigt nicht genau, WAS dann wäre, sondern die Umstände einer solchen Frage. Alles nicht so einfach. Also: in dem Roman gibt es einen Roman, der das "WasWäreWenn" beschreibt, welches die Geschichte des Lesers ausmacht. Daher auch der seltsame deutsche Titel: das "Orakel vom Berge" ist der Autor in Dicks Roman, der die Dystopie eines besiegten Nazi-Deutschlands umschreibt.

Ach, Geschichte - die teils kristalline Kognition eines kulturellen Makrosystems. Dick hat keinen SciFi-Reißer geschrieben, bei dem Nazi-CybOrks die dem Leser genehme Weltanschauung bedrohen, nein: hier gibt es einige Gestalten, die sich mit dem Mysterium der Zeit insgesamt auseinandersetzen. Da wäre ein Antiquitätenhändler, der sich an der historischen "Aura" der Dinge bereichert und jene demensprechend zu maximieren trachtet. Da ist auch Spionage und Täuschung, denn die ist teil aller politischen Kontrollsysteme. Und da ist die Pilgerin, die in einer sehr schönen finalen Szene zum Erdenker einer vermeintlich besseren Weltordnung vordringt und sich eigentlich in seine Fiktion hineinwünscht und enttäuscht werden muss.

Wann bekommt Dick seinen festen Platz im schulischen Lehrbetrieb? Vielleicht ist er noch immer zu gefährlich für jene Kaste, die anderen die Welt erklären soll.

Und vielleicht ist ja Fatherland von Robert Harris ein wenig süffiger - besser ist er bestimmt nicht.