2/19/2009

The International, Tom Tykwer

Jaja, die Bänker. Früher gab es noch slawische Flüstertypen oder einarmige Butzemänner in der Widersacherriege der Thrillerei - heute sind sie alle geleckt und die teuren Anzüge sind keck aufgeknöpft. Wie immer ist Clive Owen knautschig und erinnert manchmal an den sehr schönen und viel witzigeren Shoot 'Em Up.

Der aufgeräumte Film ist weder erhellend noch innovativ, aber auch nicht unbedingt Zeitverschwendung. Die sogenannte Finanzkrise kann der routinierte Herr Tykwer nicht erklären, aber nur Schelme erwarten sowas von derlei Filmen.

2/16/2009

Der Verschollene (Amerika), Franz Kafka

Ganz schlimme Menschen sind ja Deutschlehrer. Die haben Herrn Kafka ihr eigen gemacht und warfen seine Werke nach jungen Menschen, die das Adjektiv "kafkaesk" fortan als Synonym für "verkopft und nutzlos" erlernten.

Freilich alles falsch. Wenn man den Autoren K. erst mal auratisch entkrustet hat, bietet er starke Lektüreerlebnisse.

Der Verschollene ist unvollendet. Die Reise des jungen Protagonisten (ein proto-Holden?) bricht nach diversen obskuren Erlebnissen ab und in der vorliegenden Ausgabe folgen nur noch einige Fragmente. Kafka selbst hat den Roman als "ins Unendliche angelegt" beschrieben - und behält recht. Die Uferlosigkeit ist nicht nur faktisch gegeben (Ende fehlt) sondern in den Seiten zuvor schon sichtbar: Karl Rossmann ist jung und naiv und seltsam passiv und schlägt sich durch dunkle Räume. Diese Räume sind im Inneren eines Schiffs oder in einem seltsam gigantischen Hotel. Dann steckt er mit zwei Halunken in der Wohnung einer fetten Frau fest und tastet sich durch vermüllte Salons. Karl weiß nicht, wo seine (Ausbildungs-/Lebens-)Reise hingeht. Weder er noch der Leser können in diesem fiebrigen Pseudo-Amerika keine richtigen Pläne erkennen oder schmieden. Karl ist mit der Freiheit scheinbar überfordert. Sein Herz/Willen könnte ein ebenso unbeleuchteter und somit beliebig tiefer Raum sein.

Verschollen kann also heißen, dass man räumlich und zeitlich entrückt ist. Klingt sogar recht gut. Welch treffliche Bezeichnung der Jugend.

Was ist in der Jugend auch noch wichtig? Sex, Sex, Sex. Somit könnte dem Roman auch eine sexuell aufgeladene aber unerotische Stimmung unterstellt werden: der arme Karl ist Matrosen, seinem Onkel, reichen Herren, einer Köchin, Tippsen, Küchenhilfen, einer halbtoten Fetten und zwielichtigen Gestalten immer hemmungslos unterlegen. Karl trifft niemanden auf Augenhöhe und letztlich findet sich kein Tom Sawyer, um diese geheimnisvolle Welt zwischen Jung und Alt mit Karl zu erkunden. Vielleicht ist es aber nur der korrumpierte Konsument, der den Roman mit dieser Sexualisierung vergewaltigt.

Der Verschollene an sich ist ja eh das machtloseste aller Objekte, der aus sich heraus nie (mehr) diverse Häfen erreichen kann.

The Ultimates, Mark Millar & Bryan Hitch

Die Ultimativen sind speziell. Millar und Hitch haben sich der Avengers angenommen, also einem der ersten All-Star-Teams von Marvel. Allerdings ist das hier keine reguläre Serie, sondern eine isolierte Neuerzählung des Themas/Teams. Somit begeben sich die Autoren nicht in den RetCon-Sumpf und müssen sich nicht durch die komplizierte Marvel-Vergangenheit tricksen.

Wie frisch sind diese umgetauften Rächer also? Sehr frisch. Captain America wird aufgetaut und ist ein zackiger nazijagender GI und Thor ist ein ominöser europäischer Hippie. Dr. Banner ist der ent-hulk-te Nerd und Iron Man schnoddrig wie immer. Wasp und Giant-Man prügeln sich tatsächlich.

Das reicht aber noch nicht, The Ultimates geht weiter: in einer merkwürdig ent-phatos-isierten Welt wird ein plausibles/aktuelles (?!) New York zerbolzt/gerettet. Der Präsident tritt auch auf (das ist nicht neu) und Betty Ross ist bezeichnenderweise PR-Agentin. Der Hulk will Freddie Prinze Jr. den Kopf abreißen (das ist neu). Die Charaktere reden über die Umsetzung ihrer Taten in Hollywood (!). Nick Fury will von Sam Jackson gespielt werden (was er ja in Iron Man auch wird).

The Ultimates zeigt, in welcher Tonlage ein Marvel-Blockbuster im Kino funktionieren könnte. Die Grenzen von Superheld und Superstar verschwimmen. Von innerhalb des Mediums wird auf die die mediale Nutzbarkeit der Diegesis hingewiesen. Von wegen Eskapismus! Oder ist das Eskapismus zweiter Ordnung? Nur echte Helden können uns jetzt noch retten.

Batman: Hush, Jeph Loeb & Jim Lee & Scott Williams & Alex Sinclair

Jim Lees Batman ist ein klassischer Batman, ein bestmöglicher Batman. Ganz anders als bei Frank Miller wird hier die Figur gefeiert, nicht verzerrt. Also langweilig. Oder? Aber nein! Jim Lee ist einer der besten lebenden Zeichner und hält seine beeindruckend genauen Physiognomien stets dynamisch. Die posieren nicht, die schwingen. Fast jede Seite kann als Poster herhalten und die eher bunte Farbgebung passt perfekt zu den akribisch genauen Formen.

Die Geschichte versucht sich ebenso in Perfektion und Vollständigkeit: fast alle wichtigen Figuren aus dem Gotham Kosmos treten auf und Batman führt als Avatar durch ebenjene Umgebung. Hush bringt also einen Überblick über den SOTA des Produkts/der Ikone. Freilich darf da eine Prügelei mit dem Pfadfinder aus Metropolis nicht fehlen, denn der steht ja für die hellere Seite von DC Comics' Erfolg (das hat Miller auch schon verstanden).

Was darf Hollywood von Hush lernen/stehlen? Hoffentlich wenig. Die Buntheit des Comics kann auf Leinwand nur zu solchen Katastrophen wie Joel Schumachers Werken führen. Das gilt es freilich zu vermeiden. Die Schurkendichte ist bei Hush auch zu hoch - das würde im Kino eher wie Karneval wirken. Hush ist unkonvertierbare Perfektion. Wie alles Perfekte bringt das Produkt freilich weder das Medium noch den Leser oder Batman weiter.

Metro 2033, Dmitry Glukhovsky

In der U-Bahn aus der U-Bahn durch die U-Bahn. Metro 2033 ist U-Literatur - U wie Unterhaltung. Es ist auch recht dick. Also passt es gut auf Knie, wenn man mit der U-Bahn pendelt. Und Metro 2033 spielt auch noch in einem U-Bahnnetz, nämlich dem von Moskau in ebenjenem Jahr. Nach der atomaren Apokalypse (ca. jetzt) haben die Menschen die verstrahlte Oberfläche verlassen, um im Finsteren Schweinetalg und Munition zu tauschen. Mad Max mit Wänden.

Die Idee ist alt, aber interessant: das Leben im ewigen Kerker, im Labyrinth, in neoarchaischen Höhlensystemen. Die Hohlwelt ist nicht mehr ominöses Exil sondern ein erzwungenes Heim und die Morlocks wohnen oben, in den strahlenden Ruinen von Moskau. Falltüren und Sackgassen inklusive.

Und Glukhovsky poltert die ganze Aura mit Oberflächlichkeiten kaputt. Es scheint, als schriebe er für die debilen Tunnelbewohner seiner doom zone: die Episoden reihen sich aneinander, der Protagonist humpelt durchs Tunnelnetz (dem Buch liegt auch eine Karte bei) und trifft vergessenswerte Nebencharaktere. Leider geht der Autor (mangels Ideen?) nicht auf die Jahre 2008-33 ein. Der hat bei Seite eins nicht gewusst, wo die Reise hingeht, wie Held und Leser auch. Ein stimmiger Hintergrund fehlt schlichtweg und dieser Umstand ist keineswegs mysteriös. Das Ende ist das schlimmste und unbefriedigendste, was seit Jahren in der U-Literatur gelesen wurde. Da hat er wohl keine Lust mehr gehabt.

Leider ist der Konsum von Metro 2033 ganz nah an der Zeitverschwendung - dummerweise müssen gerade in diesem Marktsegment die Vehikel immer so aufgebläht sein. Achja, russische Literatur. Harte Zeiten sind nicht mehr das, was sie einmal wahrten. Bei Tolstoi wird gescheitert, aber bei Glukhovsky wird höchstens leise geseufzt.

Das Buch wird angestrengt vermarktet, denn russische SciFi/Fantasy scheint gut zu gehen: online wird die Klientel angelockt und ein Egoshooter soll auch in Planung sein (Tunnelhatz hat da ja Tradition und Radioaktive Mutantenbrut geht immer - hoffentlich hat der dann mehr Tiefgang [huahuahua] als der Roman).