3/03/2011

The King's Speech, Tom Hooper

Hier. Könige sind Gewinn(l)er. Der Hunger treibt's rein... selten war die Neugierde auf einen Oscar-Gewinner eine so starke Motivation für eine Kinokarte. Bereut wurde gar nichts, denn dieser Film ist unglaublich wasserdicht: hervorragende Darsteller bringen eine im richtigen Maße historische wie auch persönliche Geschichte in zwei Stunden über die Leinwand. Da kann man nichts gegen einwenden. Verblüffend. Es kann wahrscheinlich keinen Konsumenten geben, der diesen Film grässlich finden kann - im schlimmsten Fall belanglos, weil die Mitte des letzten Jahrhunderts so schlimm lange her ist.

Die Bilder sind treffend kühl: selbst in beheizten Räumen muss es schlimm gezogen haben. Das passt. Waren doch alle immer so eng krawattet. Tapeten blättern gern vor sich hin und überhaupt ist die Stofflichkeit bemerkenswert in den Bildern. Nicht schön, aber irdisch erscheinen die Teppiche, die Tische, das Porzellan. Seltsam, dass dies am ehesten im Gedächtnis bleibt. Achso, die große Symbolik gibt es freilich auch: fester Geist und feste Worte, zum König geboren oder zum König gemacht, reden wie ein König oder das Wort und die Stimme finden und so weiter. Ein schöner allgemeingültiger Humanismus, der sogar in den USA nicht unter Royalistendünkel verschwinden kann. Aber die wahre Hauptrolle spielen die Oberflächen, wirklich. Holzsplitter im Grammophonkasten. Das ist das analoge Bild, inhaltlich und strukturell. Ein expliziter und impliziter Kommentar auf den Moloch der Medienwirklichkeit.

Junkie, William S. Burroughs

Rein damit. Hier. Schwierig ist es, weil so sehr kurz und herb. Jede Zeile zählt: im Vergleich zu Naked Lunch, wo dank cut-up-Technik gern mal eine Vulgarität unter'n besudelten Tisch fallen kann, gibt es hier eine fix nach vorn tretende Geschichte. Der Erzähler, einst unter Pseudonym und Deckname verhuscht, pflegt seine Gewohnheiten - und ihm selbst ist vieles enorm klar und schlüssig, wie das so oft ist im modernen Leben. Der Leser muss sorgfältig seinen Worten folgen. Wenn das Ich einen seiner vielen erklärenden Absätze beginnt, setzt es sich gegen eine virtuelle Journalistenmeute zur Wehr, die dem Junkie i. A. einiges nach- und andichtet. Die hier gelieferten "Fakten" sind teils banal, teils viel schlimmer als vermutet. Welcher Horror ist schlimmer, der sensationsfixierte oder der alltägliche ("authentische")? Vielleicht ist es vor allem die letztlich eiskalte, zweckmäßige Stimme von Burroughs, die schlimmer wiegt als all der Ekel und die Verachtung. Ist das noch Provokation? Es ist eine Geschichte von einem radikalen Anderswo, das zufälligerweise die gleichen Geographien hat wie das "normale" (nüchternere) Leben der Mehrheit. Das Schockieren ist hier niemandes Intention. Und das verstört nachhaltig.

Fünf Jahrzehnte soll das Ding auf dem dünnen Rücken haben, und somit lag dem Konsum auch eine mehrfach redigierte, komplettierte und angepasste Version vor. Sehr aufschlussreich dabei das Vorwort, dass Penguin hier hinterlassen hat, denn die Publikationsgeschichte selbst trägt zum Charakter dieses Klassikers bei. Seltsam, wie wenig sich auf diesem ertragreichen Markt der illegalen Substanzen getan hat. Das bessere (andere) Leben durch (spezielle Bio-) Chemie dürfte ohne Burroughs nicht so abgründig illustrierbar sein. Könnte daran der infizierte Volkskörper genesen oder ist das hier nur finstere Propaganda?

2/27/2011

The Human War, Noah Cicero

Zwischendurch ein wenig Hassmanagement, diesmal in Form einer fluffigen Novelle mit zwei Kurzgeschichten hintendran. Da wirft die mächtigste Armee der Welt Bomben auf Bagdad (die pro Stück teurer sind als ganze irakische Stadtviertel) und der Ich-Erzähler kommt ins Schwadronieren. Ablenken will er sich im kleinen Amerika, und er schafft es nur teilweise mit all den Mitteln der Zivilisten. Biochemie und Kapitulation bestimmen dieses Vorgehen.

Formal wird hier nicht viel aufgebaut, es sind vor allem kleine Dialoge, die den state of mind der mindlessness erörtern. Von wegen Sprachlosigkeit und so. Die Trostlosigkeit der Texte hier ist unbeugsam und seltsam unzynisch. Das bleibt vielleicht am längsten im Gedächtnis: die Inkonsequenz des Einzelnen inmitten der Inkompetenz der Massen.

Mit The Human War kann man sich für keinerlei Geburtstagsfeiern einmenscheln.