3/05/2009

ToN vs. Boys Noize

Vor sehr langer Zeit wurde das letzte Mal unter der Rubrik Musik gebloggt. Das muss sich freilich ändern. Deshalb hier zwei Beispiele, zwei Antithesen, Milch vs. Zucker, Knorpel vs. Sehnen, Tick vs. Trick und Track.

Welches davon ist die dunkle, welches die helle (aknevernarbte) Seite des Mondes? Oder geben beide Beispiele konforme Hinweise auf die eine wahre Seite des Musikkonsums im Graben?



3/02/2009

Juno, Jason Reitman

Nochmal berühmte Väter. Und auch hier geht es gut aus für das Produkt: die Geschichte der versehentlich angeschwängerten Juno (mit einem unglaublichen Mundwerk) kommt als unbedrohliches und ernstes Menschending daher. Aber nicht nur weil die Sache ernst ist, gibt es ordentlich was zu lachen: hier wird ein Tabu/Drama nicht über das schenkelklopfende Knie gebrochen. Hier wird eine kleine Geschichte erzählt, und zwar nicht mit der puritanisch verbeulten Problematikfokussierung auf den runden Bauch.

Die laute Juno bewegt sich durch eine Welt, die leise geschildert wird. Der nach ihr benannte Film macht hervorragend klar, dass Kinder aus Kinderbäuchen nicht zwangsweise in Brunnen fallen. Das zurecht preisgekrönte Produkt erreicht hoffentlich viele Konsumenten und potentielle Produzenten, solche und solche.

Surveillance, Jennifer Lynch

Jennifers Vater ist David. Sein Inland Empire ließ Zähne knirschen.

Angst? Ein bisschen. Doch die ist unbegründet: Frau Lynch präsentiert ein direktes Kammerspiel, einen Thriller der sich nah am Abgrund der amerikanischen Einöde abspielt. Bill Pullman ist ziemlich alt geworden, doch was er tut, das tut er gut. Auch die Bilder passen: man kann die vergnatzten Resopalplatten der Polizeiwoche und den Kies am Straßenrand schmecken. Freilich wird's auch hardcore, aber wenn dann nur mit Sinn und Wirkung (ganz anders bei Inland Empire).

Über das Wortspiel "Violence|Evidence" hätte sich sicher auch der Herr Papa gefreut. Noch so ein kluger Brecher, und seine Tochter kann eine eigene Marke aufmachen.

3/01/2009

The Spirit, Frank Miller

Frank Miller hat anscheinend bei der Verfilmung seiner 300 Blut geleckt und sich seinerseits ein erfolgreiches Comic geschnappt und kinematographiert. Batman hatte er ja schon vor zwanzig Jahren in die Neuzeit gewuppt. Und mit Sin City hat er mehr bewegt als Mickey Rourke es je fassen wird.

Gelang The Spirit? Optisch sehr. Jede Szene kann als Standbild herhalten. Was fehlt? Man mag die Menschen hinter den Masken vermissen, denn hier ist die Oberfläche der einzige Spielplatz. Bei Nolans Blockbustern wird für den Nicht-Fan verständlich mit der Idee einer Maske gespielt, bei The Spirit ist die Maske die einzige Essenz, die die Charaktere zu verteidigen haben.

Explizit gelobt werden muss erwartungsgemäss Mr. Jackson: er wächst über seine Rolle als Oktopus hinaus und begeistert als Referent mit perfekten Totenschädeln an der Uniform. Mit seiner Hilfe wird deutlich, wie nah sich Begrifflichkeiten wie Masse, Führer, Messias, Fan, Symbol und Ikone eigentlich stehen. Eine Stadt, ein Reich, ein Retter. Da kann sich der Konsument angenehm zeitgeistig angeregt fühlen.

Es ist sehr, sehr schön kreative Menschen mit Budget versorgt zu wissen. Herr Miller soll noch weiter durch Hollywood spuken und Ideen und Menschen anfixen/revitalisieren. Das Ergebnis ist wahrscheinlich immer zumindest gut anzuschauen.

39,90, Jan Kounen

Ist die Schnute voll beladen, muss die Nase auch was haben. Und den Rest kann man sich ins Zahnfleisch massieren.

Diese Konsumkulturkritik kommt schnell und spritzig und wild daher und beschreibt das tragische Leben eines Menschen, der am Jüngsten Tag bestimmt nicht zur Rechten Gottes sitzen wird: eines Werbemenschen. Es gibt ja wenige Kreaturen auf diesem Planeten, die erbärmlicher sind als die Verantwortlichen für die unaufhaltsamen Kaufanforderungen. Marketing ist eine teuflische Wissenschaft und die ihr angeschlossenen Bilderschergen sind quasi die Handlanger des Untergangs - sie konstruieren die metaphorische Guillotine für die schnelle Enthauptung der Massen. Wenig ist sicher in der Welt doch es dürfte klar sein, dass Werber und Werbende jedweden Hass der Umworbenen unendlich verdient haben.

Das Urteil dürfte noch härter ausfallen, wenn man sich eingehender mit der italienischen Schokoladengestapo von Ferrero und ihrer schmerzvollen Volksbeschallung beschäftigt.

Jedenfalls hat dieser Werber im Film eine Sinnkrise und stellt seinen Lebensstil in Frage. Das ist nicht besonders überraschend. Interessant wird es, weil der Film andeutet, dass in diesen sogenannten "Kreativen" Künstler stecken. Und diese Künstler wollen ausbrechen. Sollte eine Internierung des PR-Gesockses etwa eine verfrühte Maßnahme sein?

Angenehme Assoziationen zu Clockwork Orange und Fear and Loathing kommen auf, was den humanistischen Auftrag dieses Produktes nur weiter bescheinigt. Oder wollen die Werber uns nur ein weiches Ruhekissen aus Ironie und Doppelironie anbieten? Lieber nicht drüber nachdenken.

Superfilm, er macht es uns schnell und hart und dreckig, so wie wir es mögen. Vive la France, merci.

10.000 BC, Roland Emmerich

So ein Unfug. Wo bleibt die Entschädigung? Es ist kein Problem, wenn man einen Film ohne historisch korrekten Anspruch macht. Aber wo bleibt denn dann die wuchtige Eleganz, die Minimallogik, das Gespür für überzeugende Darsteller und eine einigermaßen sinnvolle Dramaturgie? Animatoren dürfen keine Drehbücher schreiben.

10.000 BC lässt furchtbare Rückschlüsse auf die Vorstellung der Filmmacher von ihrem Publikum zu. Und in irgendeiner Dorfschule in Arkansas oder Thüringen könnte das Vehikel echten Schaden anrichten.

Scheiß auf 10.000 BC, ein korrekter reboot des Conan-franchise muss her.

Liverpool Gangster, Jim Doyle

Jim Doyle ist nicht Danny Boyle. Liverpool ist nicht Hongkong, war aber mal europäische Kulturhauptstadt oder so.

Und sonst? Nicht viel. Der Thriller ist nicht wirklich spannend, nicht wirklich lustig oder innovativ. Einzig und allein die ungewohnt fernsehfilmhafte Aufmachung der tristen Stadt erinnert ein bisschen an das gloriöse Trainspotting. But that's Edinburgh, ya fuckin bawbag. Ya wantin' chibbed ya cunt?

Die dunkle Seite des Mondes, Martin Suter

Boah, die hauen voll rein die Pilze. Beim Yuppie Urs sorgen sie dafür, dass er sich auf die dunkle Seite und in den dunklen Wald schlägt. So kann das gehen mit der Bewusstseinserweiterung. Vom Jekyll zum Hyde, aber nicht nur in Teilzeit.

Urs emanzipiert sich von seinem mondänen Leben und macht den Nehberg. Dabei muss er allerdings vielerlei Stricke aus seiner Vergangenheit kappen und das tut er auf teils brutale Art und Weise: überhaupt scheinen die Pilze ihm jegliche Skrupel genommen zu haben. Ist das Freiheit?

Das Ende ist ebenso unversöhnlich wie eine binäre Auffassung des Mondes. Danke, Herr Suter.

Severance Package, Duane Swierczynski

Swierczynski ist auch für diverse storylines bei Marvel verantwortlich, unter anderem haben wir ihm den erneuerten Noir-Mutanten Cable zu verdanken. Severance Package ist zwar illustriert, doch geht es als Roman durch. Im Mittelpunkt steht die Destruktion der Büroroutine.

Ah, herrliches Büro. Eines Samstags trifft sich die Belegschaft für eine Extra-Schicht - nur um festzustellen, dass der Chef die Ausgänge mit Sarin verplombt hat und statt des Kündigungsschreibens Kopfschüsse anbietet. Darauf hin erleidet er selbst einen und allerhand Doppel- und Dreifachagenten enttarnen sich. So kann's gehen, wenn man aus Versehen bei einer Nebenzelle des CIA angeheuert hat. Und am schlimmsten sind freilich die Praktikanten, diese elenden Saboteure.

Schönes Ding. Recht so. Kawumm.