9/17/2010

Nothing, Janne Teller

Das Ding verkauft sich recht gut, da es als gefährliche Literatur eingestuft wurde und im eigentlich liberalen Dänemark der jugendlichen Zielgruppe vorenthalten werden sollte. Skandale sind gut. Aber wird das Ding dem Hype gerecht? Ja. Denn es ist schön, vor allem schön radikal. Ein kurzer Text, der sich auf des Wesentliche beschränkt und inhaltlich beweist, dass es nichts Wesentliches gibt, für das es sich zu leben lohnt. Wir haben es doch alle gewusst und suchten etwas in Büchern und Filmen und Jobs und solchem Quatsch. Nothing räumt auf.

In der fabelhaften und fabel-haften Geschichte geht es um einen jungen Menschen, der sich in den Pflaumenbaum setzt und nihilistische Propaganda weitergibt. Ein Inkubationsherd, quasi. Die Mitinsassen seiner Schulklasse sind verstört und sammeln Dinge, die sie in einem Bedeutungshaufen zusammenlegen. Reihum fügen sie erst schöne Fahrräder und schließlich Blut und Tränen und Essentielleres zusammen. Wie beim Herrn der Fliegen wird der junge Mensch hier dem jungen Menschen ein Wolf, und zwar ein tollwütiger. Nach so viel Zerstörung endet alles in einem unversöhnlichem Crescendo, das man der Autorin hoch anrechnen sollte. Radikal von Anfang bis Ende.

Wie jeden Text sollte man auch diesen auf eigene Gefahr lesen. Einen Schauer zweiter Ordnung verursacht Nothing, weil es so offene Türen einläuft. Das traut sich sonst niemand. Warum wohl? Was soll das bedeuten?

Neuer Link: Quiet Earth

Wenn die verdammten Stimmen endlich schweigen herrscht Frieden auf Erden. Über Entwürfe des unumgänglichen Weltenendes bloggt Quiet Earth.

9/12/2010

Never Let Me Go, Kazuo Ishiguro

Kaum gelesen, schon als Film von Mark Romanek im Anmarsch.

Der Text selbst ist unterschätzbar. Es sind mehr Seiten als man denkt, vor allem wegen des aufgedonnerten Plaudertons, den die Erinnererin anschlägt. Watteweich und flauschig wird hier eine analoge Welt geschildert, in der elternlose Internierte nur einander hatten bzw. haben. Jane Austen my ass. Und noch'n Spaziergang und ein entschämter Blick und eine verlorene Geste am Tisch.

Die folgende Frage ist schon ein spoiler, also Obacht: könnte man NLMG als science fiction bezeichnen? Freilich ist das Ding phaserfrei und zivilisiert, aber doch wird ein England (was auch sonst?) geschildert, wie es nur von Engländern im phantastischen Versionsvergleich getan werden kann. Sehr schön ist es, das Ishiguro seiner Figur und seinem Roman Zeit gibt, ohne auf die nächste Plot-Rakete zu schielen. Er hat alles unter Kontrolle ohne ein Staunfaschist zu sein. Den moralisch Entrüstbaren, die das Thema von NLMG gerne in die Tagespolitik der öden Jetztwelt ziehen wollen, setzt der Autor beiläufig einen Haufen aufs Buffet. So einfach ist das nämlich nicht mit der Genetik und der Wirtschaft und dem Überlebensmanagement in der Technokratie.

Gut so. Lasst mich nicht gehen. Entlasst mich nicht. Teil von euch, Teile von mir. Teil mich. Zerteilt mich nicht.

The Wild One, Laslo Benedek

Hier. Liebe anglophone Mehrheit: wie konnte Herr Brando mit so einer Stimme so gigantisch werden? Vielleicht lag es am Medium, doch als Rebellen-Johnny piepst er sich durch die Bar wie ein Heliummodell am Yachthafen. Akuter Fall von Weltverfälschung durch Fremdsynchronisation.

Jedenfalls sind die Motorräder zahlreich und seltsam antik. Sicher, Autos (cages, wie sie beim GTA-Spin-Off The Lost and the Damned, beim TV Biker-Melodrama Sons of Anarchy und vielleicht auch in der richtigen Welt [ha!] genannt werden) altern schneller. Aber auch Motorräder passten sich der Aerodynamik an: die Rebellen um den Einen Wilden und er selbst sitzen jedenfalls seltsam aufrecht. Sie ducken sich nicht, weder in den Wind noch in die Konformität. Huahua. Es geht ja auch nicht ums schnelle Reisen... es geht vielleicht um die Option zum schnellen Beschleunigen. Die Fluchtlinie offenhalten. Den Kopf jederzeit durch Fliegenschlucken freibekommen können.

Bemerkenswert auch die Darstellungen von Weiblichkeit - jenseits der 25 oder so gibt es keine. Praktisch. Ja, die Muddis wollen mit solchen Lausern nichts zu tun haben. Mit diesen schwarzweißen Stiefeln stapfen sie auch jede frisch gebohnerte Oberfläche kaputt.