5/14/2011

Kontrolliert, Rainald Goetz

Bei der Recherche wurden Autor und Werk viel zerrissen und zerredet, von wegen dass das Wort mit P nicht wirklich satt macht (als könnte man das je hoffen). Und dass der Autor mit gewagter Lesungstheatralik Auflagen anfachte. Also eigentlich optimal für den Konsum geeignet, vor allem, da dies hier erstens deutsch ist und zweitens letztens tatsächlich ein Textlein von Wolfgang Hohlbein durch den Graben ging. Kontrastprogramm muss her. Was fällt dem prüfenden Kennerblick zuerst auf? Nanu?!?! Keine Return-Taste gab es damals, im zwanzigsten Jahrhundert! Ein Absatz ist ein Kapitel! Wie radikal und frisch! Oder etwa nicht? Keine Ahnung, wessen Buchmesse vor siebenundachtzig Jahren das gerockt hat. Form folgt aber auch dem Inhalt, denn der besteht aus recht atemlosen Gedankenfahrten vom heimischen Schreibtisch in den Siebzigern zu Zellen in Stammheim und deutschem Herbstlaub in all seiner Rötlichkeit. Manchmal ist es komisch, manchmal eher knifflig zu verfolgen. Der Rückzug ins allzu Private löst bei Dritten und anderen gesunden Konsumenten ja meist Klaustrophobie aus. Vielleicht geht es darum und der Titel ist tatsächlich ein Hinweis: wie kann der Zivilist sich von der Umwelt abbinden (oder mit ver-)? Richtiges Leben im falschen ist ja eh egal, aber kann man mit solchen Boxen wie drinnen und draußen überhaupt denken? Die da draußen, ich hier drinnen? Es ist kontrolliert, getreu der religiösen Tröstlichkeit klassischer Konstruktivisten. Alles ist verknüpft, Algorithmen fließen ineinander, und es ist zwar alles kontrolliert, aber der Kontrolleur ist ein teils unbekanntes Kollektiv, eins das Semmeln schmiert und bierselig vom Fahrrad fällt und in der Straßenbahn von Meinhof liest. Ist schon ein feines Teil, so eine deutsche Sprache und eine Return-Taste. Da kann man viele Dinge hinein tun und draußen lassen. Kontrollieren eben.

Best Worst Movie, Michael Stephenson

Hier und hier. Hier wurde Troll 2 nie konsumiert. Sollte man das nachholen? Ist es so wie Plan 9 From Outer Space? Diese Dokumentation beleuchtet erst die Verantwortlichen für den ihr zufolge schlechtesten (Horror-) Film aller Zeiten und macht dann etwas erstaunliches: sie begleitet selbige auf einer Promo-Tour, um das Produkt mit einem cheesy bzw. campy Charme unter die Leute zu bringen. Allen voran der damalige Hauptdarsteller, heute Zahnarzt (!). Auf einer Fan-Messe in der Ferne kommt er zu der Erkenntnis, dass die lokale Begeisterung für sein Arbeit in den frühen 1980ern vielleicht doch nicht so mächtig ist. Verstörend auch die Aussagen des Originalregisseurs, der den Reiz seines Werkes für viele nicht wirklich begreifen kann oder will.

Die kleinen Ausschnitte von Troll 2 machen schon neugierig. "Pissing on hospitality"? "Nilbog|Goblin"? Wer denkt sich so etwas aus? Wie soll man das in der persönlichen Biographie verarbeiten? Peter Jackson hat ja auch schöne schreckliche Filme gemacht. Ist Troll 2 ähnlich?

Gruselige Filme, die in ihrer Machart gruselig sind, sind viel lokaler und deshalb schön: man kann *gemeinsam* die Unmöglichkeiten erörtern und über die unglaublich dumpfe Machart spotten. Endlich soziales Kino. Rec hat damals mit Aufnahmen des ächzenden Publikums geworben. In der Gruppe entsteht der Reiz. Wenn man im Kino sitzt, kann ein beeindrucktes Publikum einen subjektiv als durchschnittlich erachteten Film aufwerten und das Schauen zu einem Erlebnis machen. Horror kann Fussball sein, genau so wie umgekehrt.

24, Season 2, Joel Surnow & Robert Cochran

Die Bombe! Hoch geht die Bombe! Wo steckt denn bloß die Bombe? Und der Zünder für die Bombe?

Man soll ja nicht so oft Bombe sagen am Flughafen oder sonstwo, im Interesse der internationalen Sicherheit. Im zweiten Aufguss bedient 24 die simple Maxime ähnlich gut wie im ersten Teil: die Zeit ist knapp und der Raum ist unerschlossen. Jack rumpelt durch kalifornische Schauplätze, teils mit und teils gegen Unterstützung. Das zu persiflieren ist sehr einfach: die zarte Blonde wurde gehirngewaschen von fiesen Muselmanen (Muselmaniacs!), weil die Familie nicht gut aufgepasst hat. Eine Strahlenvergiftung ist kein Grund für ein sinnloses Leben. Und der Irre von Saw ist auch der Irre von 24! Am Ende ist der Tag um und die Knoten lösen sich. Schön.

Die zweite Staffel ist kein Grund, die dritte nicht schauen zu wollen.

5/13/2011

Blogspot unten, oben

Verflixt, unten war das Ding. Das erste Mal überhaupt. Die letzten zwei, drei Notizen sind verschwunden.

Was bleibt, ist die Erinnerung.

5/12/2011

Cities of the Red Night, William S. Burroughs

Der erste Teil eines Dreiteilers, jawohl. Schnell den Fluxkompensator an und fertig machen für die außerkörperliche Erfahrung. Denn hier wird zeitgereist - eventuell sogar mit Hilfe des bekannten mash-ups bzw. cut-ups als Stilmittel, was die Lektüre nicht erleichtert aber prägt. Es scheint, als würde der Autor seine formale Technik nun auch inhaltlich anwenden, denn nicht nur die Textpassagen, die die Handlung ausmachen, sondern auch die Handlung selbst ist aufgeschnitten, abgehängt und wird zum Ende hin immer schneller.

Zu Beginn scheint es in die Detektei zu gehen, am Ende sucht nur der Leser nach roten Fäden und Ausgängen. Zunächst geht es um transplantierte Köpfe und eine ominöse ethno-spezifische Seuche. Und Stoff. Dann geht es um Lärm und schnellen Wechsel. Eine verstohlene Pynchon-Kopie? Vielleicht sind die beiden ähnlich, weil sie weniger süffig gelesen werden könn(t?)en als Hohlbein o. ä. Trotzdem eigen, dieses Gemisch. Und der ganze Sex erst. Mehr Ejakulationen haben anscheinend nicht in den Text gepasst - aber vielleicht ist das Motiv des Drucks und dass der Druck abgelassen werden muss ein wichtiger Schlüssel zum Inhalt. The brain is a lonely hunter.

5/09/2011

Criminal, Ed Brubaker & Sean Phillips

Hier und hier. Die Deluxe-Version der graphic novel sammelt mehrere Ausgaben und zeugt von der Souveränität des Projekts. Brubaker ist Fan und Macher zugleich, und das ist selten im Noir: klar kommen da die Klischees daher, aber da immer so ein wunderbar zeitloser Pathos und existentielle Weisheit im Genre stecken, kann er stimmige Geschichten bauen. Wieder fällt auf, wie das Kino das Noir und auch das Comic geschaffen hat und wie sich diese Konzepte immer wieder gegenseitig rahmen.

Die Stadt der Criminals wird vom Untergrund zusammengehalten, von den Abgründen und Hohlräumen unter dem öffentlichen Raum der Straßen und Gassen. Die zentrale Bar hat einen erloschenen Neonbuchstaben und heißt "Undertow" statt "Undertown": das passt. Der Sog ins Erdinnere. Alles rinnt nach unten. Schwerkraft. Und das alles ausgedrückt durch verwobene Episoden und sogenannte Einzelschicksale, diverse Versionen des Aufbegehrens und Zurücksinkens.

Man versteht mit dem Auge.