11/17/2007

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford, Andrew Dominik

Jawohl, so wird das gemacht. Jede seiner vielen Minuten nutzt das vortreffliche Werk um ein Panorama zu zeichnen in das man sich als Zuschauer gern hineinflezt. Hier wird nicht auf Pointen oder den body count geachtet, hier spannt sich ein klassisches Drama ohne zu stauben. Die Ermordung des Jesse James erweitert den ausgehöhlten Begriff des Westerns und ist durchweg erfreulich und gut.

Große Bilder überall. Spätestens als die Banditen nächtens im Gehölz ihre Masken aufsetzen geht der Mund zum ersten Mal auf. Bei Tageslicht geht es weiter: das weite, leere Land isoliert alles und jeden. Kälte bleibt stets im Bild - und (Achtung Wortscherz) mit keinem der Charaktere kann man wirklich warm werden. Auch die Räume der Häuser wirken nicht sauber reduziert sondern wie kurz nach zuviel fiesem Schnaps in zu kurzer Zeit. Leergespien und ausgeblutet beinhalten sie die Verlorenen. Das eine Blut sprüht zum Dachbalken, anderes gegen die Wand.

Die Schauspieler leisten sich keinen Fehler. Rockwell ist der feixende Verlierer der tanzend tut während er taumelt. Pitt macht den James wie er den Achilles machte: müde, weitab der grossen Hoffnungen, für immer jenseits der Normalsterblichkeit. Hier ist er aber noch ein wenig gebrochener: beim Taktieren seiner potentiellen Mörder weiss man nie wirklich, wo Spiel und Ernst enden und wo Jesse selbst anfängt. Affleck meistert die uneitle Rolle des dümmlichen Welpen ganz hervorragend. Er schaut glasig in die Welt hinaus als ob er sich zu lange selbst in ihr suchte und nicht fand.

Eastwoods Erbarmungslos ist hierbei kein Pate. Jesse James behandelt das gute alte Thema Medien und Amerika. Der Fan, der Held, die Masse und der Tod bilden einen soliden Nährboden für ein erwachsenes Trauerspiel.

Der Film konnte wohl nur so gut werden, weil die Originalgeschichte fast zu gut ist, um wahr zu sein. Verbrecher sind in den USA etwas anderes, vielleicht sogar etwas notwendig-besonderes. Fakt und Fiktion brechen sich wohl dort in kaum einem anderen Archetypen so sehr. Schaun wir mal, was mit American Gangster demnächst ins Haus steht.

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Man kann ja nicht alles hören. Da hilft allschools.de durchaus. Bittesehr.

Plan 9 From Outer Space, Edward D. Wood, Jr.

Ja, schon wieder. Erst bei wiederholter Betrachtung offenbart sich Woods Planlosigkeit beim Drehen. Die geringe Laufzeit des Werkes mag zur Re-Vision verleitet (verlitten) haben, doch es kann auch sein dass das dumpf-stumpfe Kasperletheater einen grotesken Charme entwickelte, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Jaja, und Dich kriegen sie auch noch.

Ludmila's Broken English, DBC Pierre

Mit seinem Debüt Vernon God Little hat DBC Pierre Gerüchten zufolge die Schulden bezahlt, die sich während einer zehnjährigen Drogenkarriere angehäuft hatten. Außerdem hat er damit den wohl erfrischendsten Roman über Schulmassaker und TexMex-Spannungen geschrieben. "DBC" soll "dirty but clean" heissen. Aha.

Mit diesem neuen Roman betreibt der Autor zumindest Imagepflege. Wieder geht es um Sex, Gewalt, Dreck, Drogen, und in mehrfacher Hinsicht grenzüberschreitenden Humor. Letztlich ist es das Diktat des Fleisches, das als Urmotiv herhalten muss: die Heath Twins sind jüngst getrennte siamesische Zwillinge, die dem mutierenden englischen Pflegesystem entkommen. Ihr Weg in die zivile teilglobalisierte Außenwelt führt sie dann zum frischen reinen Fleisch von Kauf-/Mietbräuten aus dem ehemaligen Sovietreich: Ludmila.

Pierre macht wieder keine Gefangenen. Der Zielgruppe wird der infame Film über die Reisen des Borat in Amerika noch im Gedächtnis sein. Der Humor ist hier ähnlich und wer ihn nicht mag, wird diesen Roman verfeuern.

Oberflächlich somit auf jeden Fall verstörend. Insgesamt aber eher ein Schritt zur Seite für Pierre: herb und schnell wälzt der Text dahin. Ist die amüsant-literarische Eroberung des Wilden Ostens gerade im Trend? Es gab da doch diese Dame, die über ukrainische Traktoren schrieb, oder? Mal schauen.

11/15/2007

Von Löwen und Lämmern, Robert Redford

Wie aufgeräumt! Das Ding geht los und man ist drin und trotz mehrerlei unterschiedlicher Schauplätze offenbart sich des Themas Tragweite. Also vom Handwerk sauber und durchaus unterhaltungskompatibel. Soweit, so gut, so zynisch.

Wo ist der Haken? Man weiss ja, dass die Revolution nicht televisioniert wird. Im Kino findet sie aber auch keinen Platz. Das Werk beweist einmal mehr, wie sehr das Hollywood-System doch von grossen Namen und *hüstel* Modethemen (an denen Blut klebt) gestützt wird. Jemand, der sich so einen Film anschauen will, weiss das aber freilich.

Redford will nur Gutes, das darf man ihm ruhig glauben. Bedeutendster Beleg dafür dürfte die nüchterne Art sein, mit der die Bilder gemacht wurden. Vor Ort in Afghanistan spielt sich das Drama in einer Eiskuhle ab und kein zweiter Hubschrauber muss spektakulär zerschossen werden. Die Darsteller liefern punktgenau. Cruise macht uns den Republikaner sehr gut und Redford gefällt sich selbst als Politikprofessor und auch dem Zuschauer. Es wird klar, dass der Krieg da drüben auf vielen Schlachtfeldern gefochten, verteidigt, beendet und gewonnen werden könnte. Konjunktiv.

Achja. Krieg und Kino. Wäre es besser, wenn letzteres ersteren ignorieren tät? Man wird es nie wissen. Von Löwen und Lämmern ist zumindest keine vertane Zeit und mag Ausgangspunkt für uncoole politische Positionierungen sein.

11/13/2007

Chase This Light, Jimmy Eat World

Die Erwartungen drücken hier recht schwer - eine der tiefsten postadoleszenten Verkaterungen wurden mit dem Frühwerk untermalt und haben somit den Konsumgraben arg gefurcht. JEW's Name ist zwar nicht so verkrustet wie der der Smashing Pumpkins, doch die Neugierde auf Fortsetzungen blieb.

Die Erinnerung an sinnfreie Diskussionen von Ausverkauf und Avantgarde klingeln noch in den Ohren. Aber das ist ja hier kein Schulhof und man sitzt auch nicht in der Erst-Kneipe am linken Barrand. JEW reihen gute Songs aneinander. Von einer etwaigen Punk-Attitüde ist das vielleicht das signifikanteste Erbe. Allerdings sind diese guten Songs nicht gut durch Räudigkeit und knucklebustin' madness, sondern durch zutiefst harmonische Vielseitigkeit. Somit trifft man sich mit den ehernen Gesetzen des gemeinen Pops. Jeder Song auf Chase This Light ist eine Hermetik für sich, die einen gern eintreten und verweilen lässt. Hier wird niemand auf den Baum gejagt... hier möchte man auf einem Ast sitzen und ein bisschen zuhören und runterschauen.

Zur Rebellion vollkommen ungeeignet. Aber die potentiellen Rebellen von heute versteht ja eh kein Mensch.

Und läuft und läuft und läuft. Skandalfreie Fenstermusik kann man das auch nennen. Zum richtigen Beschimpfen reicht es nicht denn niemand kann sich dem Charme von Cinemascope-Songs entziehen. Ist das erwachsen? Ist das nicht das Ende? Jimmy Eat World sind wie die gekämmte Antarktis des Gitarrenmusikglobus die dem strubbeligen Nordpol der Queens of the Stone Age entgegensteht. Bei Mr. Homme wuppen fluppenbewehrte Tanzzwerge den Ellbogenfoxtrot um ein Lagerfeuer aus Knochen - Mr. Adkins hat ein wenig den Schnee weggefegt, Klappstühle mit Kissen aufgestellt und ein Streicherorchester eingeladen, das wahlweise mitspielt oder zuhört.

Warum können beide Bands nicht mal einen Totalausfall fabrizieren und somit ein wenig sterblicher wirken? Mit Alben wie Chase This Light wird die Furche im Graben jedenfalls nicht verrissen.