7/23/2009

T.A.Z. - The Temporary Autonomous Zone - Ontological Anarchy - Poetic Terrorism, Hakim Bey

Auf, auf, Piraten, johoo. Hakim Bey ist eine jener Persönlichkeiten, die wohl nie in Geschichtstexten über das dämmernde dritte Jahrtausend erwähnt werden wird. Er ist belesen und engagiert und man kann sich vorstellen, dass er in einem zu engen Zimmer mit enorm viel Druckwerk unterschiedlichster Art haust. Vor einer antiken Schreibmaschine hackt er seine Texte und erhellt den Teil der Welt, der ihn findet.

Es geht um nichts geringeres als Freiheit, jawohl. Wie frei ist gut? Sehr frei ist noch zu wenig! Anarchie muss her, im Kopf und außerhalb. Trotzdem ist Bey kein schicker Grundschulpädagoge (die grölen das ja manchmal auch).

Nur Freiheit ermöglicht lustvolle und sinnerfüllte menschliche Existenz. Deshalb preist Bey das Piratentum. Man bilde eine Bande und begebe sich auf Fahrt. Man suche sich einen Hafen und sehe ihn als zeitweise Zuflucht vom Rum-saufen auf See. Mit den Landratten und ihren Mauern und Türmen und Banken und Starbucksen kann man sich nie einigen - also meiden.

Bei aller Feierei muss eines aber geschaffen werden: nämlich die T.A.Z. Ein gähnendes Herumzecken langt nicht. Die Bedingungen für etwas echtes und bewegendes sind immer endlich - und doch müssen sie immer neu erarbeitet werden. Nur wo Kräfte roh walten können, kann auch etwas entstehen. Innovation kann nie durch Gehorsam erlangt werden.

Beys Text befasst sich unter anderem mit Geschichte, dem Teufel und dem Internet. Er kann an viele Themen der Gegenwart andocken: flash-mobs, nomadische Existenz, zwanghafte Individualisierung und Systemgrenzen der herrschenden Autoritäten. Sein Text läuft aber dem Zeitgeist nicht modisch hinterher sondern offenbart ein erdige und hoffnungsvolle Sicht auf die herbe Welt da draußen. Sehr empfehlenswerte Lektüre.

Hier auf deutsch umsonst.

Hier auf englisch gegen Geld.

Und hier der Verlag.

7/22/2009

Und Nietzsche weinte, Irvin D. Yalom

So ein Haufen Mist. Ein Ausflug auf die Rosi-Pilcher-Farm. Endlose Dialoge toter Charaktere. Die historischen Personen werden textuell rundgelutscht, damit sie hübsch ins Regal passen.

Gähn.

7/19/2009

A Thousand Years of Nonlinear History, Manuel de Landa

"Materialismus" ist ein hartes Schlagwort und hat eigentlich wenig mit Kaufrausch zu tun. Hier geht es auch weniger um die Akkumulation von Krempel, sondern um seine Produktion, Emission und den Krempelfluss im Allgemeinen und Speziellen. Geschichtsphilosophie also. Es gibt auch einen wiki zu dem Produkt.

Warum wird sowas im Konsumgraben erwähnt? Weil es unter anderen auch zur Unterhaltung beitrug.

Es geht um das zweite Jahrtausend. De Landa untersucht den Gang von drei Arten von Materie: geologische, ökonomische und linguistische. Ja, das nennt er alles Materie, obwohl man nur ersteres vielleicht direkt im Laden in Form von Kohlenbriketts oder Verlobungsringen kaufen kann. Also: alle drei Materialien wurden im letzten Jahrtausend gehörig durcheinander gewirbelt. Sie wurden an alle Enden des Globus getragen, verknüpften diese miteinander und ermöglichten die Schaffung neuer Abhängigkeiten und Zusammenhänge. De Landa betont dabei die vielschichtige Dynamik: er fängt bei der Energie der Sonne an und landet irgendwann beim Joghurt, aber er malt keinen einzigen schwarzen Pfeil zwischen beide. Sinnvollerweise setzt er um das Jahr 1700 einen kleinen Punkt: da waren die Systeme so vielschichtig verwurzelt, dass sie sich selbst erhalten konnten (obwohl diese Meinung eigentlich eher furchteinflössend ist).

Inhaltlich geht es (wie "nonlinear" schon impliziert) um die deleuzianische Perspektive, inklusive Emergenz, Werden statt Sein, Komplexität und Bifurkationen. A Thousand Years ist keineswegs düster grollend oder provokativ aber es entzieht jeglichem Anthropozentrismus oder sonstwelcher Romantik den Boden. De Landa schreibt sehr klar und verständlich und auch von Verlagsseite (Swerve) wurde durch das gute Layout eines der besseren geisteswissenschaftlichen Taschenbücher geschaffen. Hier ist es zu erstehen. De Landa ist kein Peter Lustig. Er erklärt nicht die Welt sondern argumentiert für eine bestimmte Sichtweise auf selbige. Sein Schlusswort ist, so wie es sein soll, am erhellendsten: einige Schlüsselbegriffe seiner Disziplin werden von De Landa einleuchtend kontextualisiert. Fragt sich nur, ob das so bleibt.

Friday the 13th, Marcus Nispel

Macheten sind wundervolle Werkzeuge. Verwunderlich nur, dass die von Jason offensichtlich auch an der Spitze scharf ist - bei einem bloßen Werkzeug wäre das nicht so. Voll gruselig!

Dieses Produkt ist eines von vielen nach vielen - die ganzen Slasher-Remakes bedienen sich an einem enormen Fundus solcherlei B-Movies der 80er und verpassen der Optik ein Update. Inhaltlich wird nicht viel verändert. In dem vorliegenden Beispiel wird die Handlung allerdings komprimiert. Sei's drum: Heranwachsende der Westlichen Zivilisationen nutzen erst Micky Mouse, dann Superman und schließlich Jason (und Freddy und Michael...) als Unterhaltungswerkzeuge. Warum? Weil sie es können. Die stumme Todesmaschine darf mit Tabus herumspielen, um deren Gewicht sich jeder vor dem Erwachsen-Sein einen Kopf machen sollte. Ach nee, streicht das, das klingt voll pädagogisch.

Wer sich mit den Schock-Mechanismen und dem Lo-Fi-Unterhaltungskosmos weiter beschäftigen will, der sollte unbedingt die Dämonentheorie von Herrn Jones lesen. Welch ein Brecher.

The Blair Witch Project, Daniel Myrick & Eduardo Sánchez

Und wieder sind es die jungen Menschen, die scheitern. Dummheit muss bestraft werden. Los, leidet - leidet für die Schwäche euresgleichen.

So soll es sein. Zwar ist das hier ein Produkt, dass damals durch gemeinen Pseudorealitätsanspruch beworben wurde, aber auch mit dem Wissen ob der Existenz von Regisseuren kann der Grusel aufkommen. Denn letzterer ist ja das, was im Köpfchen entsteht und durch beiläufige Bilder und Geräusche stimuliert wird.

Es sind diese kleinen Dinge am falschen Ort, die erst Verwunderung stiften und dann eine unheilvolle Narration erzwingen, die das ganze verknüpft. Zuerst die Ereignisse: Geräusche im Dunkeln, plötzliche Gesteinsformationen, Kinderrufe. Das Zuschauerhirn kann diese Dinge nur in Reihe schalten, indem es den zuvor arglos gestreuten Gerüchten um menschenmordende Waldbewohner Glauben schenkt. Horror macht den Zuschauer zum Opfer und ist deshalb eines der wahrheitsstiftenden Filmgenres wo gibt.

Freilich sind die verschleimten Nasenlöcher mittlerweile überall kopiert worden, aber sei es drum. Die Hexe von Blair darf in ihren Wäldern bleiben. Der Film hat die Art des Filmemachens in Hollywood nachhaltig beeinflusst.

Broken Angels, Richard K. Morgan

Die zerbrochenen Engel sind eigentlich fossile Marsianer. Huch, war das jetzt ein Spoiler? Nein!

Warum wurde dieses Produkt konsumiert? Weil der Vorgänger sehr unterhaltsam war. In Altered Carbon war der Detektivroman noch das ferne Vorbild, bei Broken Angels ein wenig Indy Jones, Rambo und Buck Rogers. Aber steht ihm gut, dem Roman.

Freilich ist die ferne Zukunft düster: Fleisch ist immer noch billig und austauschbar. Die Menschen hausen in Speicherchips am Rückgrat und bewohnen ihre ablebbaren Körper nur zeitweise. Solange die Chips existieren und aus den verkohlten Leichnamen gepult werden können, solange ereilt einen auch nicht der Echte Tod. Morgan macht einem klar, dass das Besiedeln anderer Sonnensystem eigentlich nur gelingen kann, wenn die widerliche Fleischfessel, die die so gloriöse menschliche Seele einkerkert, durchschnitten werden kann.

Beim Konsum schwand dann aber langsam die Geduld. Gegen Ende wird alles doch irgendwie Tom-Clancy-mäßig und eine öde Militärschau untergräbt die Erbarmungslosigkeit extraterrestrischer Kriege und strahlenverseuchter Temporärkörper. Das nächste Mal bitte auch mehr Raumfahrt und weniger seltsamen VR-Beischlaf im Wellness-Center.

Waren es nicht einst Knorkator, die sangen "Ich lass mich klonen..."? Recht haben sie. Wer nicht mitmacht, der muss sterben.