2/05/2011

Exit Through the Gift Shop, Banksy

Hier. Auch bald.

Schon sehr bezeichnend, das man hier gar nicht mehr zum Verfassen einiger windiger Konsumerinnerungsfetzen kommt. Derlei Hektik kennt der Held dieses Films auch. Er beginnt als Banksy-Fan und Dokumentationswilliger mit Kamera und Energie und Begeisterung für sogenannte Straßenkunst und schraubt sich irgendwann (selbst?) zum näxten großen Ding in der art slut community. Irgendwann macht Banksy dann das vorliegende Dokument daraus. Du bist das Produkt. Jeder Markt ist essentiell parasitär, und das darf man nicht gleich mit Ungeziefer gleichsetzen. Mit dem Zerfall von Hoch- und Niedrigkultur bleibt nur die (neonfarbene, pechschwarze) goldene Mitte.

Und in der Mitte, da steht ein Tresen. Hier kreuzen sich die Wege von Materie und $.

Es wird Kunst gemacht, und zwar in Bezug zu $. Zum einen Straßenkunst. Die kann man nicht mitnehmen. Die besteht aus Vandalismus. Die stellt sich dem $ eigentlich streng entgegen. Aber man sollte nie die Rafinesse des $ unterschätzen: diese Kunst, dieser graffitiinspirierte Besudelungs-stencil-mania-Kult wird irgendwann was alle wollen. Hat sich denn nach Warhol gar nichts getan? Sein Echo scheint Grundfrequenz geworden zu sein.

Das ist eine Dokumentation. Die Menschen geben an, echt zu sein. Banksy selbst besticht durch Anonymisierung, wie man das von ihm gewohnt ist. Ganz großes, weil einzigartiges und erhellendes, Kino. Sehr erklärend, ohne in Pessimismen zu verfallen.

2/04/2011

Point Omega, Don DeLillo

Bis hin zum Endpunkt. Hier.

Wieder so ein knappes Ding, und wieder eher eine skelettierte Kohleskizze als knorpeliger Ölschinken. Da ist also der Weise vom Berg in der Wüste. Ein alter Mann, der die Militärtheorie in ihrer Dynamik und ihrer meldetechnischen Breite verstanden hat. In der Wüste schwitzt er nun herum und ein jüngerer Mann möchte ihn interviewen, seine Perspektive auf das bleierne zwanzigste Jahrhundert wahrscheinlich konservieren und verstehen.

Ah, die Kamera. Fast die Gleiche wie in Americana. Sie soll für den Journalisten (Erinnerer? Autor? Inspektor?) dabei Mittel zum Zweck sein. Maschinenaugen waren die Welt des alten Mannes - eine zivile Maschinenaugenkultur bevölkert die Lebensgrundlage des jungen Mannes. Tochter und love interest kommt in die Wüste, verschwindet... und lässt die beiden Herren spekulierend und driftend zurück, in der dann noch leereren Wüste.

Gerahmt ist die Handlung von einer Videoinstallation (derweil im MoMa, hu?): Hitchcock's Psycho in der ultra-entschleunigten Version. Dieser Verweis ist fast schon zu simpel. Vielleicht kennt der Autor den Künstler und will ihm was gönnen?

Freilich passiert nicht viel. Aber so etwas wie Bedeutung beschleunigt sich von allein. Wie bei der Kamera: eigentlich ist es nur Licht (und Ton), das flackert. Endliche aufgezeichnete Frequenzen. Aber trotzdem lungert da ein ganzer Horizont zwischen bloßen Daten und dem Unding, das man Wissen nennt. Und Wissen ist freilich nicht das gleiche wie Verstehen. Ist da etwa etwas humanistische Rührung beim Mr. DeLillo?

Assassin's Creed, Ubisoft

Warum das so erfolgreich ist, kann nur erahnt werden: es wird wie Proto-Batman durchs Mittelalter geschwungen, inklusive Prügelsequenzen und Fassadenhängerei. Einen Utensiliengürtel gibt es und eine wortkarge Kapuzenhuscherei.

Aber es wird nicht Nacht. Und die Aufträge sind immer gleich strukturiert. Die Tötungen sind hübsch animiert, aber nicht anatomisch genug. Die verdammten Bettler in Jerusalem und anderswo rennen zwischen einen selbst und den anvisierten Taschendiebstahl. Für das Erdolchen der Bettler wird man auch noch ermahnt. Ha! Gut, dass es diese sanfte SciFi-Rahmenhandlung gibt - allein im Staub der Kreuzzüge ist die vorhersehbare Geschichte doch arg behäbig. Insgesamt war es aber spannend genug für's Durchspielen. Teil zwei soll vieles besser machen. Mal sehen. Dann haben sich auch hoffentlich die verflixten Kreuzzüge erledigt, ähem.

2001: A Space Odyssey, Stanley Kubrick

Ja, der. Die Strahlkraft von diesem Produkt von 1968 hat zur Aura jener Zahl beigetragen. Auf der einen Seite der "Jetztgehtslos"-Chor, der schon die Besiedelung vom Uranus fiebrig ersehnt, fix ausgebremst durch radikalen Kubrickismus. Auf der anderen Seite die Unterhaltungswilligen, die erst im nächsten Jahrzehnt mit Star Wars das Raumreisevokabular lernen. Auch jene bremst der Film aus, indem er genüsslich in Dunkelheit startet und mit Einstein endet. Lob gebührt schon allein der Tonspur. Wie könnte man sich sonst Strauss aussetzen, in aller Makroskopie, wenn nicht durch das Kino in selbigem? Und Nietzsche im Schafsfell hat auch noch Platz. Aufgenommen wurde der Faden dieses Über-Produktes unter anderem freilich von noch so einem Nicht-Amerikaner: Space Oddities allerorten.

Da wird abgehoben, losgereist, geeiert und getrieben - doch dass da mal eine Düse donnerte und die Gravitation besiegt hat, wird nur vorausgesetzt (Bowie thematisiert sie wenigstens konkret, die Beschleunigung): vom Knochen zur Raumstation, vom einen gewichtsarmen Ort zum nächsten. Der Konsument ist irgendwo dazwischen gefangen, Optimisten wähnen sich weit weg vom Knochen. Da kann man stundenlang weiterfabulieren und die ganzen Siebziger haben das wohl auch getan.

1/31/2011

Butterfly Effect, Eric Bress & J. Mackye Gruber

Wenn bei Comicserien die Vorgeschichten zu kompliziert werden, wird ge-retcon-t. Aufgeräumt wird da. Abläufe werden verkürzt, Säume gestutzt und Dramen kondensiert. Nicht so bei der Serie, die Leben heißt: wer aktiv zurückgeht und die Dinge richten will, hat immer die furchtbare Gegenwart im Kopf, die es irgendwie zu richten gilt.

Das ist die Diktatur von Wenn-Dann. Das ist der Glaube an das Gehirn, dass die Differenz zwischen Realitätsausschnitt und Gesamtkomplexität vergisst. Ein sehr schöner Film, eine Einführung ins Ursachendenken.

Die Idee trägt den ganzen Film, welcher nicht mit spezifischer Kinematographie die Dinge verkompliziert. Wer den hier mag und das Thema interessant findet, darf dann auch 21 Gramm schauen. Da wird weniger umhergejettet, aber die Gegenwart wird von der Wenn-Dann Architektur aufgesaugt. Quasi eine Art Butterfly Effect für (Z)Erwachsene.

Black Swan, Darren Aronofsky

Es schwingt und kracht und keiner singt und lacht. Die erste Assoziation zu "Ballett im Film" ist nachwievor ein schwarzweißer Schwank aus den 1950ern im süddeutschen Grenzland mit Schauösterreichern und Heesters wie er swingt. Dazu Orangenkekse bei Oma.

Das hat sich aber jetzt geändert, denn es wird an der Metamaschine gedreht: auf der Bühne ist hinter der Bühne und Rolle heißt Berufung. Der Stern strebt in die eiskalte Einsamkeit und willwillwill alles überstrahlen: Schikane auf diesem Weg ist allerdings die Auseinandersetzung (die Einladung) einer dunkleren Seite, eines Gegenstücks. Nur mit zwei gleichen Hälften wird ein Ganzes erreicht und die Summe der Teile erhebt sich in existentiellem Mehrwert (bzw. Nährwert für die gierige Dauerkartenklientel).

Wunderbar geradlinig Aronofsky setzt es um: den Hochglanz vertreibt er mit schartiger Optik, die kalkige Hähne und ungekämmte Passanten beinhaltet. Er lässt die wundervolle einzig wahre und entzückende Frau Portman die Rolle mit mehr als nur theatralischem Seufzen ausfüllen. Der Leib lebt. Man hätte hier auch eine Lobhudelei an die alte Welt mit dem "reinen" Hollywoodglamor versuchen können: die alte (vielleicht stagnierende?) Kunst des Balletts könnte für Elitismus und Aufgeräumtheit herhalten. Aber nein: hier geht es sowohl um den Tanz als auch die Tänzer, um das wechselseitige Drama von Ausdruck und Eindruck.

Und jetzt The Wolverine. Es bleibt also alles im Schizozirkus.