12/27/2011

Buried, Rodrigo Cortés

Hier. Zack! So wird das gemacht! Eine irre Idee haben und lospitchen. Einen Schauspieler finden, der anscheinend hungrig und/oder bekloppt genug ist, das Ganze mitzumachen und los geht's.

Der Held ist das Opfer und liegt tatsächlich in der Dunkelheit. Spannend und einigermaßen anschaubar wird der Film durch die beiliegenden Gebrauchsartikel wie Feuerzeug, Lampe und vor allem Mobiltelefon. Nur durch erzählte Rede, ohne Rück-, Auf- und Abblenden wird die Ausweglosigkeit der Situtation klar. Und die Hoffnung stirbt in kaum einem Film so schön zuletzt wie in diesem Ding.

Großes Tennis, da man sich auf die Größe des Platzes besonnen hat. Bitte kein Sequel machen.

Vollkommen leblos, bestenfalls tot, Antonia Baum

Die TAZ findet es OK. Der Konsument murmelt beim Lesen: "Na, dann mach doch, du Kuh." Die Protagonistin ist so ein versprengtes verbildetes großstadtinkompatibles Käsemädchen, dass eigentlich in irgendeiner Dorfschenke Schmalztöpfe spülen sollte statt neben irgendwelchen Werberaffen mit Koks kokettierend durch die Gegend zu ziehen. Na hui, und dann gibt es auch noch eine herbe Gewaltphantasie in der Mitte des Romänchens, da fühlt man sich dann als sei es 1985 oder so. Dann will sie sich auch noch, umringt von einer Herde abgesägter Erziehungsberechtigter, umbringen. Ach, wie neu. Und so überraschend und tragisch, auch wegen des ganzen jugendlichen Potentials. "Mach doch, du Kuh." Dumpfdreist wird sie schwanger und ist freilich erstmal voll crazy drauf. Richtiges Interesse kann für sie niemand entwickeln.

Zu wenig, zu spät, zu alt, zu bräsig. Sprachlicher Ausdruck wie einer dieser Amseln, die in den Vorstädten mittlerweile Klingeltöne imitieren und von denen es genug gibt. Bei irgendwelchen Preisvergabestellen, die sich auf das Leiden junger Menschen im Allgemeinen und den Preisverleihungs-Event im Speziellen vorbereiten ist das Produkt hier bestimmt erste Wahl. Hier nicht. Noch nicht einmal zur Mitleidsabgewöhnung langt dieses Textlein. Es ist einfach nur pffffft. Hat der Konsument ein Ironiegewitter verpasst? Will Frau Baum genau das? Immerhin diese Frage bleibt am Ende im faden Raum stehen.

Wilbur Wants to Kill Himself, Lone Scherfig

Hier. Das Erwartbare zuerst: es geht verhältnismäßig gut aus. Das Unerwartete: das überrascht. Gut? Was soll an einem toten Bruder gut sein? Sein Tod ist im Gegensatz zum geplanten Suizid Wilburs konstruktiv für die Verbliebenen. Infamerweise macht er den Platz frei, den Wilbur dann einnehmen und verteidigen kann.

Selten wurden bei einem eher leisen Film solche Innenräume und Städte gesehen. Bei so räudigen Oberflächen will doch eh keiner wirklich bleiben! Beige ist der Film, und grau, und braun. Die Küche, der Flur, die Straße: alles die geballte Abnutzung, alles voller Gewesenes. Man schaut den Film und ahnt, wie muffig es da riecht. Wer in dieser Filmwelt kein Ticket zur Abreise hat, muss Alternativen suchen. Raus, raus, raus.

Wilbur erklärt sich nicht großartig. Es gibt auch keinen melodramatischen Ausbruch der Erkenntnis im letzten Fünftel oder eine dramatische Aussöhnung mit verloren geglaubten Verwandten. Am Ende ist nichts wirklich aufgeräumt, aber es geht doch weiter - vor allem, da Wilbur auf seltsame Art und Weise Gefallen an Verantwortung findet. Finden kann. OK, Verantwortung in einer klebrig-dumpf-grauen apathischen Staubwelt, aber immerhin.

12/25/2011

R.E.D., Robert Schwentke

Hier. Oje, da macht Bruce Willis etwas außerhalb des Die Hard franchises... ach nein, ist ja eine Comic-Verfilmung. Und die Grundidee lautet: nicht mehr ganz taufrische Agentenübermenschen krachen sich durch die Gegend um eine Verschwörung rund um den ehemaligen Arbeitgeber aufzudecken.

Ein lockerer Film, aber nicht triumphal. Als Konsument muss man an dieses eine Murtaugh-Zitat denken, dass mittlerweile schon erfolgreiche Sitcoms beschwingt. Was begeistert, ist das Arsenal: endlich benutzt einmal jemand automatisches Feuer ohne Unterlass außerhalb der Matrix. R.E.D. ist eigentlich sehr bunt und die fähigen Schauspieler bilden sich nicht ein, hier ein wenig existentialistische Tiefe unterbringen zu wollen.

The Big Lebowski, Ethan & Joel Coen

Hier. Der Film ist erschreckend alt und erschreckend präsent. Es vergeht kaum eine Woche, in der man sich nicht an den Dude und seine endliche Quest erinnert. Was würde er tun, er, der er nicht der große Lebowski aber eben ganz bewusst der kleine Lebowski ist (aber auch keiner von der Schar förderungswürdiger kleiner Lebowskis, die als urban achiever die kalifornische Einöde urbarer machen sollen)?

Der Dude strahlt eine kosmische Beruhigung aus und infamerweise muss man dem grotesken Cowboy-Phantom zustimmen, dass ganz schnauzbärtig und traditionell seinen Stil lobt. Ja, Stil. Ein hilfreiches Wort, denn es bringt keine Argumente vor oder zelebriert sonst einen expliziten Konflikt. Ist das nicht vielleicht die Hoffnung eines jeden Konsumenten, wenn er einmal den Spaten weglegt und den Blick von den Auslagen der Geschäfte für einen Moment abwendet und sich nach dem Sinn erkundigen möchte, dem Endzweck der Anstrengungen? Egal was es ist: he, ihr habt den Falschen. Was für ein schöner Satz. Ich habe mit eurem Mist nichts zu tun. Ihr könnt mich mal, müsst ihr aber nicht. Lasst mich einfach nach Hause, ich nehme auch gern diesen Teppich hier.

TBL hat längst eine institutionalisierte Gemeinschaft der Gönner und Gläubigen, die sich zum Beispiel beim Lebowski Fest, 2002 in Kentucky entstanden, kenntlich machen. Das rückt diesen Coen-Höhepunkt für Außenstehende in die Nähe der Rocky Horror Picture Show und Star Trek. Aber eigentlich ist er das Gegenteil dessen. Da wollen einfach ein paar Leute ihren Teppich genießen und vielleicht ein wenig Walgesänge in der Wanne hören. Keiner schminkt sich. Einfach mal gepflegt ein paar pins umlegen. Nichts für ungut.

Erhebend.

12/19/2011

Apocalypse, Bill Callahan

Wegen der Besinnlichkeit und dem ganzen Mist hier einmal wieder ein wenig fast aktuelle Musik.

Hier.

The Haunted World of Superbeasto, Rob Zombie

Hier und hier und hier.

Was kann man dazu sagen? Was darf man dazu sagen? Dieses Juwel der Filmkunst besticht durch seine ausgeklügelte Narration und seine detaillierte Veranschaulichung von Problemen, die wohl jeder kennt.

Diese Probleme wären zum einen Roboter, die nach dem Kindchen-Schema entworfen wurden und trotz Gauss-Kanonen im Bauch auch eine Libido haben. Zum anderen ist da die Disziplinierung von Brustwarzen, die sich in jeder Lebenslage freilich der Zukunft entgegenrecken sollten. Und auch die traurige germanische Gegenwart schildert Herr Zombie in majestätischen Bildern: konsternierte Nazi-Untote, die sich die eigene Bräsigkeit nicht eingestehen wollen und noch immer nach dem Führerkopf im Einmachglas gieren.

Mittendrin ist Superbeasto, ein Mutant aus mexikanischem Wrestling und spätkapitalistischer Ergo-(Aero-)dynamik. Das Beste beider Welten quasi. Der hiesige Dr. Satan in diesem dramatischen Epos ist sein Widersacher und wahrscheinlich nur ein entfernter Vetter des gleichnamigen Charakters in der bezaubernden Vorstadtkomödie House of Thousand Corpses. Wahrscheinlich möchte der Autor auf die Mehrdimensionalität der schmerzhaften Katharsis hinweisen, die so ein moderner Sisyphus für uns darstellen kann.

12/18/2011

Continental Drift, Russell Banks

Hier. Ah, Realismus, hu? Richtige Erzählung, die zackzack nach vorne schreitet und richtige Menschen erfindet und ausleuchtet und gegeneinander ansetzt.

Mit Affliction hat Russell Banks nachhaltige Spuren im Konsumgraben hinterlassen, mit Rule of the Bone haben sich die Wogen ein wenig geglättet. CD ist ziemlich süffig, zumal es die nötige Härte ausstrahlt, die ein Autor, der auch einen Roman namens Trailer Park veröffentlicht hat, besitzen dürfte. Da gibt es den unschlüssigen jungen Arbeitervater aus dem Norden, und da gibt es die Flüchtlinge aus Haiti. Beide Parteien treffen sich im illegalen Grenzgebiet von Florida. Es wird überall betrogen, gehofft und gestolpert. Schwere Materie zählt: Fleisch, Drogen, Benzin, fangfrischer Hochseefisch. Man könnte Banks Voodoo-ploitation vorwerfen. Benutzt er die Nicht-Amerikaner nicht eigentlich nur für ein Ethno-Theater, das die Tragik der (materiell und geistig) armen Weißen besser leuchten lässt?

Die ein wenig predigenden Passagen über Orogenese und Plattentektonik sind sehr gelungen. Davon hätte der Roman mehr vertragen können. Weniges verdeutlicht die erbärmliche menschliche Existenz so treffend wie Erdbeben und hohe Wellen. Am Ende werden die Leichen an- und weggespült. Das ist stimmig und grimmig und wäre durch mehr finstere Geophysik noch tosender in der Wirkung.

12/13/2011

Red Dead Redemption, Rockstar Games

Nochmal nachgeladen. Hier.

Bei diesem hervorragenden Produkt wird die Macht des Films als Vorstellungsmaschine mehr als deutlich. Klar gibt es auf der einen Seite die inhaltlichen Verweise, die reitenden und galoppierenden Klischees.

Aber es gibt auch Bilder im übertragenen Sinne. Mit einer auf den ersten Blick einfarbigen und sogar biederen Bebilderung gibt man sich zunächst zufrieden bis... ja, bis die Sonne untergeht. Oder aufgeht. Oder man tatsächlich an der Oberkante eines simulierten Grand Canyons steht und das Pferd wiehert und der Staubmantel weht und man sieht die räudige Dämmerung des nordamerikansichen Jahrhunderts. Die Bilder werden auf einmal wuchtig und herb und überhaupt nicht so, wie man es von einem Spiel erwartet.

Die passende Erzählung mit ihrem fantastischen Ende stützt die Bilderwucht. Sehr feines Ding.

12/12/2011

Breaking Bad, Vince Gilligan

Staffel vier von jenem Vehikel. Auch hier und hier. Und hier. Da gibt es nicht viel zu sagen. Ist noch immer die beste aktuelle Serie, die es gibt.

Die Staffel ist konsequent und gnadenlos wie alle vorherigen. Mit der letzten Kameraeinstellung (achwas, mit der ganzen letzten Folge) wurde das Gesamtkonsumerlebnis noch einmal potenziert und schoss frohlockend durch die Decke.

Verlitten wird dem Konsumenten allerdings der Genuss durch den enormen Mainstream-Erfolg der Serie. Es tut ein wenig weh, wenn etwas so Wundervolles so viel vulgäre Aufmerksamkeit findet. Zombies darf jeder mögen. Aber Walter White? Der kann doch nicht für alle sein. Freilich weiss man vom Kopf her, dass das sein muss und mit guten Quoten einhergeht. Und man weiß auch, dass nur wegen des Packs noch der letzte Akt gedreht wird, der mit dem Freitod zumindest eines der beiden Helden enden muss. Das Herz sagt leise "au".



Trotzdem danke an Nerdcore für das Verlinken dieses Clips. Au.

30 Rock, Tina Fey

Hier und hier und hier. Staffel eins bis fünf. Eine lustige sitcom, OK, das ist schon einmal gut.

In einer Folge von Roseanne ist sie einmal mit Dan aus den Kulissen gerannt und die Kamera schwenkte mit. Der Zuschauer war erstaunt und fasziniert. Das Finale der Cosby-Show war ähnlich, denn er tanzt mit ihr vom Set, nachdem ein Betätigen des Klingelknopfes sanfte outro-Musik beginnen ließ. Die Sache mit der Selbstreferenz im süffigen TV ist so neu also nicht. Bei 30 Rock ist sie allerdings keine Ausnahme von der Regel sondern produktkonstituierendes Prinzip. Somit kann sich natürlich gar kein Drama einstellen, keine herzerwärmende Anprangerung von Inhalten, die ansonsten nur in den Nachrichten auf den anderen Kanälen Verwendung finden. Ist das jetzt Ultraironie oder post-ironische Rebellion?

Enorm lustig und enorm schnell und verwirrenderweise fast frei von Fäkalhumor und kruden Satirekeulen. 30 Rock ist nicht zynisch, nichts wird nachhältig mit böser Galle verätzt. Denn die Welle würde ja nur zurückschwappen und die Laune verderben: es gibt kein Draußen mehr - bei einer Sendung, die nach einer ganz bestimmten (echten) Adresse benannt ist, fällt das besonders auf. Wir sind alle eine große Wissensgesellschaft, wir inszenieren und genießen ein Kasperletheater und haben eigentlich ganz genaue Vorstellungen, wie was in corporate USA auf den Flachbildschirm kommt, denn flach war gestern.

12/07/2011

The Day of the Locust, Nathanael West

Hier. Wie soll man einen Abriss des zwanzigsten Jahrhunderts verfassen und sich dabei auf sehr wenige Romane beschränken? Knifflig, aber einer der Romane muss DotL sein. Die Kritik und der Schulbetrieb wissen das freilich.

Der Held kommt in eine Welt voller Kulissen und inszenierter Schlachten und trifft dort zum einen ein Produkt (und Arbeitsmittel) dieser Welt, eine Frau namens Faye (-ke) die die Oberflächlichkeit und ihre Ökonomie verstanden hat und anwendet. Und zum anderen trifft er Homer Simpson, ja, so heißt er, und der als autistisch-debiler Gegenpol der Filmwelt verstanden werden kann oder als Vertreter des affektgestörten (-überforderten) Publikums der Zukunft. Homer kommt nicht mit, denn er war vielleicht schon da. Mit dem neuen kalifornischen Menschentypus und den Implikationen einer Schauwirtschaft kann er nicht auskommen.

Das Zeitalter der Massen. Später schildert Delillo in Mao 2 eine Massenhochzeit - irgendwie erinnert sie an das Finale von DotL. Man fragt sich: wo kommen die alle her? Was haben die alle vor? Wer genau ist ein Teil, wer genau ist Ursache der Masse? Es ist der Bildschirm, die potenzierte Spiegelwunschbrunnenmaschine. Flackernde Lichter provozieren und dirigieren den Ozean aus Synapsenfleisch.

12/06/2011

Fat City, Leonard Gardner

Hier. Ähnlich einsilbig wie der Titel gibt sich der Inhalt: die heruntergekommene (war sie je oben?) Welt der Berufsboxer und Obstpflücker in Stockton, CA, ist Hintergrund vielerlei Arten des Scheiterns. Die einen hatten einmal einen Lauf und sind jetzt nicht mehr fit und bekommen im Ring ordentlich ins Gesicht und finden das dann zunächst unangebracht und dann gerechtfertigt. Das Boxen als vermeintlich ehrlichstes aller Feedback-Systeme wird entlarvt, und zwar als Erweiterung einer grundlegenden Stagnation.

Freilich stehen die Herren im Zentrum, die von den Damen teils missverstanden und dann auch wieder motiviert werden. In Fat City ist der Strand weit weg. Gardner schreibt staubtrocken und schmucklos und hat mit Fat City vielleicht einen prägnanteren Vorfahren von Updike's Rabbit geliefert.

12/04/2011

The Creativity Book, Eric Maisel

"A Year's Worth of Inspiration and Guidance". Hier. Ach, wie erfrischend. Da schreibt ein Mensch, dem andere Menschen am Herzen liegen. Eigentlich ist das Produkt als ein Einjahresselbsthilfemotivationswerkzeug gedacht, doch hier wurde es gleich ganz durchkonsumiert. Denn Maisel ist ein sehr fähiger Motivator und man hört ihm mit seiner unprätentiösen und rigiden Sprache gern zu. Er entwirft keine Schemata eines idealen kreativen Subjekts und leitet das Ideal des Schaffens nicht aus abendländischer Chaka-Propaganda ab. Es scheint wirklich, als kümmerten ihn andere Menschen und die Dinge die selbige schreiben, komponieren, meißeln und malen könn(t)en. Begriffe wie Geist, Materie, Konatus, Zen, und Perfektion werden im Schlagschatten deutlich - vermutlich die beste Art, sich ihnen zu nähern.

Interessant ist auch sein Berufsbild: er bezeichnet sich als Coach für Kreative und meint, schon mehreren Menschen zu großer Kunst und zu großen Taten verholfen zu haben. Kann jemand, der die Werkzeuge nachhaltigen Schaffens so zupackend und simpel schildert, ein Scharlatan sein? Immerhin will er keine TShirts oder Fernkurse verkaufen. Ein seltsames Genre und ein teils sehr beflügelndes kleines Buch.

11/29/2011

Black Hole, Charles Burns

Hier. Wenn man graphic novels liest und dabei keine Umhänge und Ikonen sehen will, dann sollte man trotzdem nicht zu Black Hole greifen. Denn es ist heftiger als es den Anschein macht. In aller Bescheidenheit und mit sattem Schwarz beleuchtet es eine alptraumhafte Adoleszenz in den 1970ern, in der die Körperlichkeit zum Horror gerinnt.

Denn man kann den Titel dieses Werkes nicht unterschätzen. Es sind schwarze Löcher, die hier vorkommen und sich als Mitte konstituieren. Ein Dunkles, ein Inneres, ein nicht nur intrauteriner (Ab- und Un-)Ort. Enorme Schwerkraft baut sich auf und dort drinnen wird etwas ausgebrütet, etwas wächst in der Finsternis und es hat nichts mit kollektiven Eschatologien zu tun sondern mit dem individuellen Zerfall.

Im schwarzen Loch und drumherum ist Bewegung. Die peer group folgt einem unauslöschlichen Ideal und lässt die Freaks in der Dunkelheit verkommen. In Höhlen und Körperhöhlen verbirgt sich das Unheimliche, das was dem Heim am fernsten ist.

Black Hole überrascht und niemand darf es je verfilmen.

11/27/2011

Bright Shiny Morning, James Frey

Hier. Frey hat ein Panorama geschrieben. Sein knappes Dutzend Protagonisten bevölkern Los Angeles, unmöglicher Moloch ohne Horizonte am Pazifik, und ziehen in der urbanen Ödnis ihre Kreise. Freilich sind sie alle unterschiedlich. Das Latina-Hausmädchen und die Filmdiva, der superreiche Hedonist aus Beverly Hills, das mittellose High-School-Pärchen aus dem Hinterland. Teils kreuzen sich Wege, teils laufen sie parallel.

Frey hat den Roman in seinem bewährt minimalistisch-treibenden Schreibstil gehalten und füllt die fünfhundert Seiten souverän aus. Angereichert hat er seine Breitwand-Mär mit Fakten und Episoden aus der kalifornischen Geschichte; knapp gehalten sind sie, damit sie in das Mosaik passen. Mit der Absicht, das Große Ganze zu beschreiben soll sich eine Ästhetik des Erhabenen einstellen - und das tut es sogar. Da der Autor keinen der Charaktere zu bevorzugen scheint und seinen Roman so effizient aufgebaut hat steht tatsächlich Los Angeles in aller Pracht an zentraler Stelle als ein Un-Ort, der eigentlich so nicht funktionieren dürfte.

Barton Fink, Ethan & Joel Coen

Hier. Da schaut man hin, weil man es nicht glauben kann. Seltsame Gestalten residieren im kalifornischen Niemandsland und versuchen sich in einem seltsamen Wirtschaftszweig namens Filmgeschäft. Und am Urmaterial hapert es: der gestrandete Barton Fink hat eine Schreibblockade, die ihn langsam um den Verstand bringt. Er hat zwar viele Ideen, aber er füllt eher seine Gegenwart als das weiße Blatt vor ihm.

Barton Fink ist so vieles: kompaktes Zimmerdrama, paranoide Spannung, schaurige Menschenschau und beige-gelb-sonnige Unterhaltung. Als Film über das Filmen sind die behandelten Themen freilich gigantisch und kommentieren das Medium selbst. Denn schlussendlich geht es um den Film, der in den Köpfen spielt und wenn Barton seinen eigenen verliert und vermutlich einen zweiten zur Aufbewahrung bekommt, dann fällt das kalifornische Kartenhaus zusammen. Fein.

11/25/2011

Mass Effect 2, BioWare, Electronic Arts

Dieses hier. Tja. Nunja. Hmm. Das hat also so abgeräumt bei der Presse und den Käufern? Und ein multimediales franchise gibt es auch? Lucas oder Bay würden es wahrscheinlich nicht anders machen. Stattgegeben. Das Beste aber zuerst: dieses SciFi-Universum ist sehr bunt und stimmig und vielfältig. Aliens und Raumschiffe und Waffen und Töne und Planeten bieten von allem etwas und verdienen schon einiges an Aufmerksamkeit.

Die Gefechte sind dann doch eher eintönig, zumal die großen Weltraumschlachten wegfallen. Und immer wieder die Logik, die sich einschleicht. Projektilwaffen? Echt? Schießpulver?! Ja, Logik und SciFi gehen nicht gut, aber es bleibt unignorierbar. Und die Dialoge. Oh, diese Menschenbrut. Alles muss besprochen werden. Jeder hat eine Meinung, die Außerirdischen natürlich auch. Und dann eine andere. Und das muss dann kommentiert werden. Sogar vom verdammten Bordcomputer. Die ganze Geschichte wird arg routiniert erzählt und die Kapitelschritte folgen einer seit Jahrzehnten bekannten Formel. Ist die wirklich so gut?

Von der Gesamtästhetik pendelt also alles zwischen den bewährten Polen Star Wars bzw. Trek hin und her. Wie unüberraschend! Rockstar Games soll SciFi machen. ME2 hat die Neugierde auf ids Rage und andere Eskapismen nur noch einmal angefacht.

11/23/2011

Ask the Dust, John Fante

Der Typ heißt Bandini und kommt mit der Ollen nicht klar. Sie ist ganz klar ein Problem in diesem ökonomisch geschüttelten Los Angeles der 1930er, denn sie provoziert ihn immer wieder und verliebt sich dann doch in den Falschen, anscheinend. Bandini ist das perfekte Opfer, der zerlumpte Betteldichter mit zuviel weißem Papier in der Maschine.

Fante ist Bukowskis Held, wie er sagt, und wegen solchem Lob kam AtD viele Jahrzehnte nach Ersterscheinung wieder in die Presse und die feuilletonistischen Zirkel. Es gibt sogar einen Film, der verwirrenderweise mit recht attraktiven Menschen produziert wurde.

Das Buch selbst ist eine Lektion in Häme und Verhärmung, ein Scheitern im Kleinen. Der Held und Erzähler denkt so viel. Seine Zweifel überholen die Gegenwart mehrmals und zermalmen sie nachhaltig. Als dann auch noch das große Ereignis, das kalifornische Erdbeben, eintrifft, da scheitert er erneut und setzt sich in einen galaktisch-katholischen Kontext.

Letztlich heilt er. Es geht eher schlecht aus, aber er kann seine Geschichte beenden. Diese zumindest. Fante schrieb seinen Bandini allerdings als Mehrteiler, so dass das Leiden sich vermutlich nicht nur auf AtD beschränkt.

The Maltese Falcon, John Huston

Hier. Zum ersten Mal auf großer Leinwand angeschaut, im Dunklen, mit Geraschel ein paar Reihen da hinten. Und es ist eine Freude, denn die Bilder sind so ungezwungen durchgeplant, dass es quitscht. Die Gesichter passen, die Bewegungen passen infamerweise stets in den Raum, in die Handlung, und in den Kameraauschnitt.

Vielleicht fällt sowas nur auf, weil das junge Gemüse drumrum sich stetig über die monochrome Farbgebung beschwert. Aber mit Farbe macht dieser Höhepunkt des Cine-Noir keinen Sinn.

Von der Geschichte her ist alles ebenso herrlich stringent: es geht voran, mit jeder Szene, und die Enthüllungen und Erkenntnisse rahmen nach und nach eine Geschichte, die größer ist als das Sichtbare. Größere Kreisläufe kreuzen sich in San Francisco, welche sich auch irgendwann wieder entwirren und neu formen.

Alles kulminiert in dem wohl ewigen Avatar der Coolness, Bogart|Spade. Er ist flexibel und fähig und lässt sich nicht von dieser berechnenden neumodischen Frau einwickeln. Allmächtig und anspruchsvoll war er nie, aber er hat den Vorteil, zumindest das zu wissen. Sie fährt nach unten. Er nimmt die Treppe. Sie fährt ein. Er kommt raus. Grandios.

11/17/2011

All-Star Superman, Grant Morrison & Frank Quitely

Hier. Echte Sterne sind nicht mehr auf der Erde. Die Ikonen schweben am Firmament und strahlen unbekümmert auf uns Sünder hinunter. In diesem definitiven Superman wird am Ende gestorben, denn viele Geschichten, wenn nicht die meisten, enden so. Aber Superman ist mehr als ein Charakter in einer Geschichte. Er ist halt nicht von hier und er kann der gelben Sonne wirklich noch etwas abgewinnen.

Was hatte der Konsument Furcht vor Konsum dieses Produkts: da sitzt ein Kal-El auf dem Cape herum und lächelt leise. Ah! Religion? Lebensweisheitsgeschwurbel?! So leicht lässt man sich verunsichern, wenn auf den Frontseiten keine martialisch angespannten Physiken zu sehen sind. Der Inhalt setzt das in entwaffnender Taktik fort, denn Morrison und Quitely haben die Ruhe weg. In fast schon kargen Bildern und Sequenzen stapeln sie tief und erreichen eben dadurch die epische Ikone namens Superman. Denn warum sollte der Held alles Heldentums das Gesicht verziehen? Er ist unnahbar und sucht trotzdem die Nähe zu den puny humans. Lex ist angestrengt. Der schwitzt, muss er ja auch. Herkules selbst tritt auf und verbockt es. Kal-El akzeptiert und macht.

Episch und herrlich und wenn man im Jahr nur eine sogenannte Graphic Novel liest, dann diese hier.


11/08/2011

The Reluctant Fundamentalist, Mohsin Hamid

Hier. Die Rahmenerzählung ist in der zweiten Person Singular gehalten, denn der vermeintliche Fundamentalist erzählt seine Erfahrungen als Nichtamerikaner im neoliberalen Getriebe einem westlichen (terrorisierten?!) Touristen.

Das Buch ist ein großer Erfolg, vor allem weil die Hammelherde der phantasielosen Schulmeister es gern in ihre Lehrpläne presst. TRF ist schön kurz und in den Oberstufenklassen muss man ja seit den Nullerjahren auch mit diesem Thema umgehen, das vermeintliche orientale Strategien gegen westliche Architekturen umweht. Ach, und da ist ja auch das böse Wort gleich im Titel. Wie praktisch! Der Name des Autoren kling auch fein fremd, so dass er ganz bequem und super PC als Autorität herhalten kann.

Das hat Hamid's Roman eigentlich nicht verdient. Kurzweilig ist er, aber die Symboliken sind schon arg bemüht: freilich ist sein love interest eine scheiternde verwestliche junge Dame, die an ihrer Vergangenheit erstickt ("Verdient hat sie es!" rufen die Lümmel aus der letzten Bank). Freilich ist alles ungerecht und von Rassismus durchzogen. Und die Jobs hier im goldenen Westen sind unmoralisch, unmoralisch, unmoralisch. TRF ist eine Globalisierungslektion mit der groben Kelle, darf aber nicht als einziges zum Thema im Regal stehen. Wenige Bücher sollten das, aber hier fällt es besonders auf. Ein schöner Kontrapunkt zu dem lustigen ausländischen Zersetzer in Palahniuk's Pygmy.

Am Ende ist der Tourist vielleicht doch kein Tourist. TRF ist aber kein Spannungsroman, so dass dies eher ein stimmiger Schlusspunkt als eine aufregende Enthüllung ist.

11/07/2011

Detachment, Michel Serres

Hier und vielleicht auch hier. Farmer, sailor, wanderer, friar. Serres ist Wasabi für's Überlegen. Da er seine Überlegungen literarisch darreicht, ohne esoterisch zu werden, können seine Konzepte nicht nur verstanden sondern auch erfühlt werden. Es bleibt einem ja auch kaum etwas anderes übrig. Skizzenhaft reihen sich die Schlagworte, die dann apfelmännchenmäßig ausgeführt werden.

Inhaltlich geht es um Raum und Rauminbesitznahme. Der Horizont der Ackerkrume schafft eine andere Außenwelt, eine andere (virtuelle?) Umwelt, als die des Ozeans oder des Versprengten oder des Gesetzten. Selbstverständlich sind Protagonisten Platzhalter für ganze Raumsysteme, die sich ihrerseits fortsetzen und Generationen ganz oder teilweise formen.

Serres ist vielleicht auch Kybernetiker. Aber statt den unseligen Roboter-/Cyborgbegriff immer wieder durch zu deklinieren ist seine Perspektive schon immer von parallelen und hybriden Prozessen durchzogen. Wahrnehmung, Materialität, und Prozessualität vermengen sich in einmaligen Entwürfen. Kaum jemand arbeitet so wunderbar gegen den Anthropozentrismus wie er, wahrscheinlich genau durch diese literarische Qualität seiner philosophischen (Algorithmen aufbrechenden?) Texte.

11/02/2011

Tortilla Flat, John Steinbeck

Es ist ein ungutes Gefühl, das sich nach der Klassikerlektüre einschleicht.

Der Humor ist da, aber ein moralisches Vakuum auch. Sind die Protagonisten nun ratlose Heckenpenner oder doch Verbrecher? Sie mögen einen parasitären Lebensstil verteidigen, aber wieviel davon ist Faulheit und Egoismus und wieviel ist Berechnung? Vielleicht rechnen die Herren ja gar nicht, zumindest nicht mit Standardzahlen. Kosten, Nutzen und Wertschöpfungsketten sind bei Dannys Spießgesellen (sagte man das damals so? Oder doch eher "Schelme"?) invertiert und scheinbar chaotisch.

Vielleicht sind das ja "slacker". Also das, was in den 1980ern und später so publik gemacht wurde. Es gibt wohl zu jeder Zeit eine zeitgeistige Form des Rabauken. Die Männlichkeit wird freilich auch implizit zur Schau gestellt, da Frauen die Gang nicht beeindrucken können. Nur der Tod des Oberhauptes kann sie schlussendlich zersprengen.

Ein Büchlein, das gärt.

10/30/2011

DMZ # 1-3, Brian Wood & Riccardo Burchielli

Hier und hier. Die ersten drei von bisher zehn Ausgaben. Und was wurde es immer gelobt. Tja. Da liegt das Problem.

DMZ funktioniert irgendwie nicht richtig. OK, es geht um einen zweiten Sezessionskrieg, der NYC in eine (teils de-) militarisierte Zone verwandelt hat. Der Held ist ein Journalist, das Auge der Öffentlichkeit. Es gibt keine SciFi-Fantasy-Elemente, nur die konkrete Betonrealität.

Vielleicht liegt es daran, dass die graphic novel (ja, so kann man das nennen und muss man auch) nicht wirklich mitreißt. Ein bisschen Splatter gibt es zumindest um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Aber die echten Kriegsbilder sind doch schon viel zu präsent, was braucht es da noch DMZ? Und nur weil es in New York spielt ist es gleich 9-11-relevant. Was sind wir alle beklommen und betroffen, herrje. Kommt, lasst uns das tote Pferd noch ein wenig treten.

Warum werden graphic novels immer so gelobt, und warum auch diese hier? Weil das Genre verhältnismäßig neu ist und natürlich anderen Erzählformen zuarbeiten kann. Graphic novels sind hip. Sie haben ja sogar schon die Campusse und Campussies erreicht, verflucht. Da muss so ein mehrbändiges Monster wie DMZ auch gelobt werden. Wo doch die Trolle und die Cybermonster fehlen. Aber die Spannung fehlt leider auch.

10/29/2011

Will Grayson, Will Grayson, John Green and David Levithan

Hier. Endlich einmal zielgruppenspezifische Jugendliteratur. Nach dem totalen Fiasko namens Hunger Games hier ein feiner schneller Roman über verwirrte Teenager im Flachland von Illinois. Es ist kein coming-out-Roman mit kathartischem CSU-Ende (Freitod, Heilung, Heiland), auch keinem versteckten - so einen unzynischen und äußerst komischen Text hat man hier lange nicht konsumiert. Ein feines Buch für Menschen ab dreizehn.

Die Doppelung des Namens und die gedoppelte Autorenschaft lassen entspannt und unakademisch über das Monstrum namens Identität nachdenken. Es wird auch nicht dauernd Holden Caulfield ins Feld geführt, damit er die Lage mit seiner mittlerweile recht ausgehöhlten Aura erhellt. Einigermaßen stimmige Porträts der beteiligten Eltern gibt es auch. Ein wenig verlegen macht die Figur des wuchtigen Tiny, der als rosa Elefant seine eigene Schwerkraft entwickelt und jegliche Fremdpartikel in die Aufführung seines Musicals (aha) zieht. Sei's drum.

The Marriage Plot, Jeffrey Eugenides

Hier und hier. Ausnahmsweise hier ein Beispiel von Text-Recycling. Ausmaß und Farbe ergaben sich ob des Ortes der Erstpublikation. Ändert nichts am Urteil des Konsumenten.

With The Virgin Suicides Eugenides reinvented the story of American adolescence with unrivaled grace and precision, leading readers into the labyrinths of suburbia and the clamor of youth. This was 1993 and Sofia Coppola could turn his debut into a sleek and tender feature film. With 2002's immersive Middlesex, Eugenides connected vast places and ages of Europe and the USA within the figure of the most likeable hermaphrodite in recent literary history. A Pulitzer Prize and a tenure at Princeton quickly consolidated Eugenides' position as a very, very significant American author.

And now, the third novel: in The Marriage Plot Madeleine, Leonard, and Mitchell are undergraduates in the 1980s trying to come to terms with the blank canvas that is the future. What can and should be done now that they escaped the teenage and its bonds? The weight of life-altering decisions plays its cruel game with each one of the three seekers, leading to many rash, clumsy, and very human undertakings. A classic love triangle unfolds as both young men fall in love with Madeleine. She is a prudent and delicate thinker who yearns to identify what leads towards marriages in general and what could grant her very own nuptial bliss. Madeleine seeks the way of aesthetics. As an avid reader she seeks guidance from Jane Austen, of all authors.

Leonard becomes her emotionally troubled lover and, eventually, her incubus. He falls apart shortly before graduation and begins to oscillate between mania and depression. The story reaches its bleakest and most gut-wrenching moments when he is hospitalized, tries to get up, and falls again, dragging his surroundings with him into the pitch black hole of his inconsolable temper. At some point he works at a biology lab and thus at the most basic definition of marriage and maybe of love: the merging and the division of cells. Leonard seeks the way of the intellect and utterly fails. He questions the connections among brains and hearts and finds no answer, just like Madeleine.

Mitchell and Madeline, by contrast, were never meant to be together, although he doubts this and seeks the way of the soul and the loving spirit. He considers divinity school and theology but embarks on an arduous journey to India in order to work with Mother Theresa. The love for Madeleine accompanies him as he is led towards the deeper questions of charity and benevolence. When they meet again, he might be the one who escapes the plot the least harmed.

All three characters shed light on different contexts of love: its force, its shape, its impetus. The novel alternates between past and present troubles of the lovers and ties a dense thicket of hope and chagrin around the phenomenon. None of the three ways grants absolution or orientation regarding the looming marriage plot but they intersect and contradict each other in an astounding manner instead.

Eugenides delivers this story in a remarkably smooth tone and in well-measured velocity. He populates the novel with striking secondary characters who deepen its theme while not explaining it away. The Marriage Plot ends gloriously on a bitter but satisfactory note. Once again, Eugenides avoids cold irony and sultry melodrama and delivers an elegant American novel about the outlandishness of matrimony as pact, haven, or vessel.

10/27/2011

Midnight in Paris, Woody Allen

Hier. Ach, wie fein: der geborene Zivilist Allen macht einem sogar die französische Hauptstadt geschmeidig - indem er zeigt, wie voll sie doch einst mit literarischen Amerikanern und dadurch besonders war. Zunächst jedenfalls. Eigentlich ist MIP ein Film über den räudigsten aller emotionalen Einläufe (weil's die Dinge ungeordnet hinausspült und dann hat man den Salat und einer muss es aufwischen): Nostalgie. Diese Mischung aus unnützer Wertzuweisung und haltloser Herabstufung der Gegenwart wird hier nicht im großen Kitsch ausgekostet sondern bedächtig gerahmt. Der Film ist kein dumpfes Märchen sondern entlarvt die übermäßige Wertschätzung der Vergangheit als eben solches, ohne sie aggressiv zerknüllen zu wollen.

Auf der einen Seite ist die Zurschaustellung von Hemingway und Stein und Picasso und Konsorten spannend, auf der anderen Seite wird man zur Reflektion gebracht warum das denn nun spannend ist. Nahrhaft und lecker ist dieser Vorgang. Wo gibt's denn noch sowas? Und außerdem scheint es dem feinen Herrn Wilson gut zu gehen, der seine Rolle hier ausgezeichnet ausfüllt. Fein.

Bad Teacher, Jake Kasdan

Hier. Beine. Was für Beine. Frau Diaz hat zwei und sie sind... Beine. Bis zum Boden. Als schnoddrige Lehrarbeiterin macht sie eine schnuckelige Figur und hangelt sich derbst durch den perfiden Schulalltag um dann doch nicht ihren bösen Plan verwirklichen zu können.

Einst waren Kinder ja tabu. Die durften nicht karikiert und malträtiert werden. In einer Welt der selbstsicheren Singles als Kinokunden kann das natürlich nicht so bleiben. Beim eher mittelmäßigen Tropic Thunder wurde zum Schluss ein garstiges asiatisches Kind sehr lustig ins Gebüsch gepfeffert. Da lacht man und schämt sich ein bisschen. Wie so oft bei zeitgenössischen Komödien fällt auch bei Bad Teacher der leicht ätzende Zynismus auf, der jedwedes reines Glück sabotiert. Judd Apatow, was hast du nur angerichtet? Jason Segel hat für ihn ja schon beim wirklich nicht schlechten Forgetting Sarah Marshall mitgemacht.

Diese... Beine. Es sind zwei. Bis zum Boden.

10/19/2011

The Beaver, Jodie Foster

Hier. Das ist erwartungsgemäß ein kluger Film über eine furchtbare Erkrankung inmitten des engsten aller Räume: der Familie. Das Erfreuliche vorweg: Mel Gibson ist großartig und fähig und kann wahrscheinlich auch einen hinkenden Toaster mit Wucht spielen.

Die Grundbedingungen für die Diagnose der Erkrankung beleuchtet der Film nicht. Er setzt aber auch nicht auf sonst übliche melodramatische Rahmungen - das macht ihn wertvoll. Es fällt schwer, dem Film etwas vorzuwerfen - vielleicht die implizierte Heilung durch Liebe des Sohnes? Vielleicht die Therapeutenrolle, die er gegenüber seiner Freundin erfolgreich einnimmt? (Das kann sehr übel enden, man bedenke nur den feinen herben Antichrist. Autsch.) Das könnte etwas gewollt wirken, als Zeichen einer betulichen modernistischen Heilungsideologie.

Der Biber ist ein geniales Totem, power tool und Wahrzeichen. So kann man die Bühne des Filmes und die Bühne des Familienlebens hervorragend spiegeln und die Erkrankung zunächst nur unterhaltsam und dann doch bedrückend schildern.

Was ist mit der Hand? Klar, sie musste ab. Lebensbedrohliche Umstände erfordern lebensbeeinflussende Sanktionen. Außerdem darf dem Zuschauer kein leichter Ausweg gegönnt werden. Von wegen: huch, Reue, neue Pillen, Katharsis hier, Heulkrampf da, und alles ist wieder gut für immer. Ha! Das wäre ja noch schöner. Auch das Ende macht The Beaver richtig und gut.

Green Lantern, Martin Campbell

Hier. Ach, schade. Green Lantern ist ein einziger Trailer für einen Film, der dann doch nicht kommt. Atemlos hetzt der Protagonist durch die grüne Hölle, äh, Kraftfeltwelt und mit ihm das Zuschauerauge. Alles schön und gut, aber die Sympathie für die Geschichte bleibt auf der Strecke. An Reynolds liegt das nicht, er ist wie gewohnt einer der fähigsten Hollywoodarbeiter und füllt seine Rolle als zweidimensionale Comicfigur standesgemäß aus. Die Geschichte drumherum ist aber seltsam überfrachtet und hektisch dargereicht.

Frustriert wünscht sich (zumindest) der Zuschauer mit gewissem Vorwissen eine weitere Vorstellung der Schurken oder des Green Lantern Corps oder der Ordnung des grünen Universums oder, oder, oder. Vieles wird angerissen und angedacht um dann in Krach und Bewegung unterzugehen.

Vielleicht liegt das an der Schwierigkeit, Luftkämpfe kinematographisch abzubilden. Das Auge braucht einen reduzierten Raum, mit drei Dimension kann man schlecht mithalten. Muss Top Gun das Maß aller Dinge sein? Oh, bitte nicht. Vielleicht schafft ja Green Lantern 2 was Green Lantern 1, der abendfüllende Trailer, verspricht.

Thor, Kenneth Branagh

Hier. Das ist einer der rundesten Filme, die in jüngster Vergangenheit gesehen wurden. Die Optik ist ausgezeichnet: der dumpfe fantasy-Kitsch der Comics wird zeitgemäß ge-scifi-t und bedarf keiner Erklärungen. Selten sah der Kosmos so fein aus, bunt und schnell und für jeden Spaß zu haben. Was Green Lantern übertreibt schafft Thor mit Leichtigkeit: er findet das richtige Maß an CGI. Immer wieder gibt es erdende Szenen mit präzisen Dialogen, die zwischen den Spektakeln Schauraum schaffen. Nicht zuviel, aber immerhin.

Alle Archetypen sind vorhanden und Branagh hat die Shakespeare-Mechaniken freilich gut genug drauf um sich nicht im Ton zu vergreifen. Er versucht nicht, mehr Inhalt hineinzupressen als nötig. Frau Portman ist freilich hinreißend und zum Glück wird sie in dem Drehbuch nicht zum MacGuffin degradiert. Thor ist keine Comic-VERfilmung; Thor ist ein Film, der Motive einer jahrzehntealten (und teils sehr seltsamen) Comicserie aufnimmt und zu einem vergnüglichen Kinoprodukt der 10er Jahre formt.

Wenn die Avengers in dieser Bild- bzw. Tonart steigen wäre das mehr als erfreulich.

10/16/2011

A Good School, Richard Yates

Hier. Dieser Kurzroman vom immer noch spannenden Richard Yates ist ein Schnapsglas voller Verbitterung, Gram, und Verdruss und kommt ganz ohne süßlichen Abgang aus. Die Doppelmoral des Bildungsbürgertums wird in derben Bildern freigelegt: die menschenverachtenden Routinen in einer noblen Schule auf dem Land fahren sich fest und reißen sich los. Auf dem Weg werden einige Menschen zerknüllt und dem Sturm überlassen.

Der Klappentext will den Roman als Zeitdokument verkaufen: da wird von Pearl Harbor gefaselt und dass dies ein Großereignis für die halbwüchsigen und erwachsenen Zivilisten im Roman sei. Doch letztlich ist der Krieg hier nur ein weiterer mörderischer Mahlstrom da draußen, ähnlich wie die Sinnlosigkeit der (letzlich immer erzwungenen) Ehe und die unerfüllte Sehnsucht nach Heilung und Abstand.

Schlussendlich geht die Institution Schule selbst zu Boden, doch nicht aus den Gründen, die man ihr wünscht (Brandanschlag, Häftlingsrevolte, Erdbeben). Yates ist ein zorniger, erbarmungsloser und wunderbarer Autor.

10/15/2011

The Grapes of Wrath, John Ford

Hier. Dieser Klassiker verpackt die monumentale Wucht der Handlung in ebenso monumentale Bilder. Ernsthaft geht Ford vor und verpackt das Hauptwerk von Steinbeck in ein Filmepos, das die Prägnanz des amerikanischen Großprojekts schildert. Und das nur wenige Jahre nach der hier thematisierten Weltwirtschaftskrise.

Mehr noch als die Früchte die im Westen locken spielt der ewig tosende Wind im Osten eine Hauptrolle. Er fegt durch die Ebenen, durch die Hütten, durch die Lebensentwürfe der Okies und treibt sie vor sich her. Der kalifornische Traum wird ein Synonym für das erfüllte Leben im Allgemeinen. Und je näher man ihm geographisch kommt, desto nebulöser wird seine Gestalt. Ist es das alles wert? Kann es denn wirklich noch jungfräuliches Land hinter den Bergen geben, wenn es hier doch so vielen Menschen so schlecht geht? Wird sich der Mut der Aufbrechenden auszahlen?

Dicke Themen: das Mahlwerk der kollektiven Wirtschaftsordnung und das bürgerliche Einzelschicksal sind ein zeitloses Grundmotiv. Der Geist von Tom Joad kann somit immer wieder beschworen werden.

Allerdings ist der Roman freilich wie so oft besser, zumal er das souveränere Ende hat.

10/14/2011

Damned, Chuck Palahniuk

Hier. Muss ja sein.

Und man weiss nicht genau, welchen Weg CP einschlägt: als eklatanter Vielschreiber werden seine Bücher zunehmend wunderlich und weniger reißerisch. Es ist weniger Finsternis in diesem Buch, obgleich es in der Hölle spielt - in selbiger ist die Heldin gelandet, da sie gekifft hat und es wie so viele nicht überlebte und es überhaupt verdient, nicht in den Himmel zu kommen.

Es spinnt sich als Parabel (oder Parodie?) auf den mythischen Breakfast Club ab und gewinnt vor allem durch die dümmlich-sensible Erzählerin an Witz. Sie ist Opfer eines brangelinaesken Jet-Set-Paares und konnte in jener Welt voller anonymer Stiefgeschwister und haltlosem Freiheitswillen nicht überleben.

Vielleicht wird CP ein neuer JG Ballard oder ein Sam Delany. Mit Hitchcock und Raymond Chandler ist er durch (vielleicht sogar mit Stephen King, falls ihm das je vorgeworfen wurde).

10/10/2011

The Hunger Games, Suzanne Collins

Hier. Na, das ist ja mal ein schöner Quatsch. Von der Unterhaltungsindustrie als neues Harrypottertwilightteenpopschnulzensequel gehandelt und von vielen jungen Menschen als Bestseller ausgezeichnet schickt sich THG an, die traditionellen Adoleszenzprobleme der westlichen Welt marktgerecht darzureichen.

Könnte klappen. Hier treffen sich Blade Runner und Herr der Fliegen und vielleicht auch Buffy the Vampire Slayer. Bis Mad Max reicht es nicht, denn die Hauptperson ist ja ein Mädchen und mag keine Autos. Dafür kann sie fein Bogenschießen und sich verstecken und sich den Männchen, die sich als würdig erweisen, anbiedern und darreichen.

Die Dialoge sind sinnfrei, die Motivationen der Charaktere dürftig, die fiktionale Welt unglaubwürdig und der ganze Sexaspekt geradezu mittelalterlich verbohrt. Stoff genug für mindestens drei Sequels.

10/09/2011

Fargo, Ethan & Joel Coen

Hier. Wie viele wegweisende Filme kann man auch diesem hier einen herben Vorwurf machen: er hat zu viel Schund provoziert. Nach Fargo wurden die deutschen Sonntagabendkrimis seltsam, weil irgendein Drehbuch so schön "schrullig" sein wollte.

Fargo hat mehr, mehr von allem: die perfekt ausbalancierten Bilder machen die Einsamkeit von Menschen im Raum deutlich und lässt die amerikanische Ödnis ins Unendliche wachsen. Fargo ist ein Horizont-Film. Die Charaktere haben ihre desolate Lage im Raum gemein, doch wo einige mit Zwang und Not und Druck schlimme Dinge anfangen, da tragen andere sehr souverän ihren Babybauch herum und beweisen eine bewundernswerte Menschlichkeit.

Und auch wenn der Schnee sich türmt und es kalt ist und die Menschen schliddern und rutschen und versacken und sich festhalten müssen, dann kann man trotzdem eine anständige Person sein. Ein wundervoller Film.

10/03/2011

City of Glass: The Graphic Novel, Paul Auster & Paul Karasik & David Mazzucchelli

Hier. Das unheimlichste daran ist, dass Austers legendäres Durchbruchswerk so gut in das Genre der graphic novel hineinpasst. Somit ist die vorliegende Bildergeschichte kein Abklatsch und keine Hommage und muss und kann sich überhaupt nicht hinter dem Hochkulturprädikat "Auster" verstecken.

Die Geschichte eines derangierten Schreibers, der sich sowohl selbst schreibt als auch geschrieben wird und sich dann in den labyrinthischen Strukturen eines mentalen New Yorks verläuft, gehört in jedes Bücherregal, denn sie erklärt ohne Zynismus und Verachtung die Tragweite der Kulturtechnik namens Literatur. Mit nüchternem Schwarzweiss und akuraten Zeichnungen führt diese Bearbeitung hier den Roman nicht fort und karikiert ihn auch nicht sondern zeigt wie man auch ohne fließenden Text in Geschichten hineingezogen werden kann.

Wie kann man sicher sein, "draußen" zu sein, wenn die Stadt doch aus Glas ist und man zwangsläufig ständig "hinaus" schaut? Wo ist eigentlich dieses "draußen"? Vielleicht beginnt es da, wo die Hände das Buch halten, wo man umblättert und wo man alten Kaffee drüber schütten könnte. Leser und Protagonist haben endlich einmal ähnliche Probleme.

Einmalige Sache, das.

9/25/2011

The Dharma Bums, Jack Kerouac

Einatmen, ausatmen. Hier. Ein halb-echter flinker Roman der vielleicht sogar besser ist als der Klassiker On the Road.

Es wird so viel schönes getan in dieser Geschichte: wandern, backen, billige Haarschnitte beim barber college abgreifen, Pläne machen und Landkarten ignorieren. Die Abwesenheit eines großen Planes und eines düster-dräuenden Schicksals ist schon beeindruckend. Man erwartet eine aggressivere Anklage der konformistischen 1950er aber es ist eher eine lebendige Alternative im erweiterten Wortsinn: Smith/Kerouac lärmt nicht und heult auch nicht. Er beschreibt eine alltägliche Freiheit, eine ungezwungene Aufgeschlossenheit. Niemand predigt hier. TDB ist wider Erwarten keine Ausschlachtung von fernöstlichen Glückskekspoetiken sondern eine entspannte Erforschung zivilen Rumlungerns.

Und noch eine Überraschung: der Roman endet in plötzlicher Epik. Smith/Kerouac beginnt eine Zeit als Waldwächter und sitzt auf einem physischen und spirituellen Hochsitz. Da kommt freilich Vertigo auf. Recht so.

9/18/2011

Dead Man, Jim Jarmusch

Hier. Der Film geht geradeaus, er fummelt nicht so herum wie der Protagonist. Die Richtung ist vorgegeben: nach Westen geht die Reise, es wird nicht in jede Richtung gelebt sondern nur zum Pazifik hin.

Eigentlich ist Dead Man kein Anti-Western sondern ein Meta-Western: alle genreüblichen Elemente werden ad absurdum durchgesetzt und der Treck ins vermeintliche Paradies ist unmöglich, wird aber trotzdem unternommen. Der bald Sterbende macht eine Wandlung durch: erst ist er ein Auswuchs der rationalen und expandierenden Industrie im Osten und ist empört, dass die Spielregeln der Zivilisation hier im Grenzland verwittern. Dann wird er langsam vom Opfer zum Blatt im Wind. Durch das angeschossene Herz kann er loslassen... der Druck lässt nach, das Blut spritzt nicht mehr sondern schmaddert. Am Ende gleitet er rücklings im Kanu auf sanften Wellen dahin. Von Fest zu Flüssig und dann zum vielleicht ins Ätherische.

Großes Kino, dickes Kino. Breitwand in Schwarzweiß. Und Iggy Pop im Kleid.

9/17/2011

White Noise, Don Delillo

Alle Jahre wieder. WN bleibt eine Referenz nach all den Jahren weil es Grundthemen umreißt, die in vielen Formen die Mehrzahl der konsumierten Produkte hier durchweht. Und eigentlich geht es um Konsum im Allgemeinen und Speziellen: wie kann die sogenannte moderne Familie zu dem stehen, was reinkommt und was rausgeht? Wie hermetisch ist das Domizil eigentlich und wie nachhaltig kann man ideologische Diffusion und die Außenwirtschaft außen halten?

White Noise ist die muntere Kontamination und die leise beschriebene Alltagsverschleppung. Bemerkenswert ist auch, dass der Roman schon so alt ist. Seitdem sind viele airborne toxic events durch Schirme und Geister gewandert. Nachwievor bleibt der Wunsch nach nachhaltiger Buße durch Terroristenfabeln und Splatterfabriken - eine Erdung durch Moralitäten des vor-televisionierten Jahrhunderts. Delillo hat das auch in anderen Werken anschaulich zerlegt.

Community, Dan Harmon

Ausgezeichnet. Hier und hier. Ein schöner Moment in der zweiten Staffel: man macht sich über das seelenlose Cougar Town lustig. Das tut gut.

Community ist eine selbsterklärende sitcom: die seltsam diverse Lerngruppe an einer Feld-, Wald- und Wiesenhochschule reflektiert über sich selbst und auch über das gesamte Genre der Bildschirmunterhaltung und nutzt ihre Sendezeit optimal. Wer nicht mitkommt, konsumiert nicht genug: freilich ist das eine gerade in diesem Blog gern gesehene Prämisse. Community ist weniger aggressiv als erwartet und eher drollig.

Es muss eine dritte Staffel geben, ob nun mit oder ohne Chevy Chase... aber lieber mit. Hehe.

9/12/2011

The Pale King, David Foster Wallace

Hier.

Mit Wehmut begann der Konsum... DFW ist zu gut und dies ist der Rest vom Schützenfest, editiert von einem uneinschätzbaren Lektor und zusammengestellt aus Romanfragmenten, die in der Garage gefunden wurden.

Aber das muss ja nicht schlecht sein. Dies könnte das Phänomen namens Literatur weiter erhellen, indem es wirklich eine zerteilte Autorenschaft unterstreicht - bei TPK wird zumindest deutlich, dass Bücher Produkte sind, die sich verkaufen sollen oder müssen und die dementsprechend von mehr als einem Hirn gestaltet und (nach-)strukturiert werden.

Der Roman ist ein Sammelsurium aus Anektdoten und Geschicht(ch)en, die sich mit der Steuerbehörde der USA im letzten Jahrhundert, in der Zeit vor Internet und PDF, befassen. Es ist eine monströse Bürokratie, eine Urgewalt der Fussnoten und der abstrakten Evaluationsregeln: es ist auf unheimliche Art kreativ, aber eben absolut abstrakt da es sich mit dem Unding namens "Geld" in zweiter Ordnung beschäftigt. Formulare stapeln und falten sich ineinander, da wälzen sich Vorgänge mit kryptischen Anmerkungen und analogen Links durch Maschinen, die als Schreibtischkollektion mit menschlichem Anhang gestaltet sind.

Der Roman ist eine beklemmende Arbeit über Arbeit im Sinne von Job und Geldverdienen. Von wegen Kreativität und Selbstverwirklichung: hier geht es in einen Elfenbeinturm, der die Staatswirtschaft zusammenhält und dokumentiert. Es geht um Vorgänge, die nicht für Menschenaugen Sinn machen müssen sondern nur für ein Heer bürokratischer Systematiken. So kann Wallace wieder um die schon von Infinite Jest bekannten Kernthemen Stupor, Geistesleere und Langeweile, dem Mittagsdämonen, kreisen. "No word for the Latin accidia made so much of by monks under Benedict. For the Greek. Also the hermits of third-century Egypt, the so-called daemon meridianus, when their prayers were stultified by pointlessness and tedium and a longing for violent death."

Und das Unheimlichste ist das Brechen der vierten Wand. Wallace selbst (!?) schreibt von seinem eigenen Job in diesen Büros in Peoria, Il. Schmerzhaft genau bebildert er den Stumpfsinn dort und erläutert auch die juristischen Umstände seiner Berichterstattung. Eskapismus? Nein, kein Entkommen.

So weit, so seltsam. Warum sollte man TPK trotzdem lesen? Wallace schreibt unbarmherziger als im Infinite Jest und so finden sich Sätze wie "(L)ife owes you nothing; that suffering takes many forms; that no one will ever care for you as your mother did; that the human heart is a chump." Und: "Pain is a wholly subjective experience and thus ‘inaccessible’ as a diagnostic object. Considerations of personality type also complicate the evaluation." Ein unheimlicher Heroismus bringt das Leitmotiv auf den Punkt: "To be, in a word, unborable... It is the key to modern life. If you are immune to boredom, there is literally nothing you cannot accomplish."

Es gibt Einblicke in den Stillstand von Geist und Arbeit bzw. Geistesarbeit und wie einen selbst dieser Stillstand prägen kann: "and then unbidden came the thought that boring also meant something that drilled in and made a hole."

Ja, sicher, man kann TPK als überhebliche Nabelschau und als Schmähung der arbeitenden Massen abtun aber letztlich fängt der Roman erneut die Frage ein, die jeder halbwegs junge Mensch sich stellt: wie kann man in einer Welt voller Unfug etwas Sinnvolles tun und wie erkennt man das? Und selbst wenn man so existentiellen Schwermut nicht haben will, so ist TPK immer noch ein Wallace: sehr, sehr seltsame Menschen und Geschehnisse werden auf einmalige und maximalst unterhaltsame Art und Weise geschildert. Das Buch könnte also das Gegenmittel zu seinem eigenen Thema sein. Infinite Jest ist noch immer besser, aber selbst unfertig kommt TPK überraschend nah heran.

Außerdem: die Zitat-Folgen-Funktion des Kindle (dessen Preis letztens gesenkt wurde, harumpf) erweist sich hier natürlich als große Hilfe.

8/30/2011

Pause? Urlaub!

In ca. fünf Stunden wird der Durchschnittsdarm mit Durchschnittskost Gerüchten zufolge fertig. Jetzt elf Tage Unterbrechung: was da alles verdaut werden kann! Pale King fast fertig, Ayn Rand ist im Gepäck. Mal sehen.

Freaked, Tom Stern, Alex Winter

Hier. Das muss verdaut werden. Avatar war Firlefanz. Hier geht es so richtig schön in die 1990er und alle brechen Neonfarben und niemand hat ein Telefon und Bill und Ted sind im Kino gewesen und Pop wird mit dem Zerfall der vermeintlichen Gegenkultur im Osten Sinnbild der Sinnentleerung und des globalisierten Dumpfsinns.

Aber Freaked ist trotzdem drollig. Voller Überschwang gehen hier alle ans Werk und verzapfen beharrlich Irrsinn. Es geht um Mutanten und deren Produktion und die Zwangswirtschaft, die mit den vermeintlichen ästhetischen Außenseitern betrieben wird. Die Maskenbildner kamen so in Schweiß, dass die CGI-Atzen von heute den Film vielleicht gar nicht mehr verstehen.

Brooke Shields und Mr. T in EINEM Film. Mehr kann man nicht verlangen.

8/18/2011

Hurra, Seitenleiste wieder da

Erfolg! Es haben sich unlautere HTML-Partikel in einen Eintrag geschlichen und das Layout kontaminiert. Säuberung erfolgreich, Ordnung wiederhergestellt.

Weitermachen.

The Church of Dead Girls, Stephen Dobyns

Hier. "Populäre Belletristik." Es ist ein Kleinstadt-Thriller, also eine Geschichte, die sich mit dem Zerfall einer eigentlich als homogen erachteten Gemeinde befasst. Irgendwann sind ein paar Mädchen tot und irgendwann drehen alle durch. Auswärtige werden angefeindet, alte Feindschaften brechen auf und in Zorn und Angst verfällt der Mob in Raserei.

Beeindruckend der geradezu klaustrophische Plauderton des Biologielehrers, der die Geschehnisse erzählt und teils in sie eingreift. Jaja, die Lehrer. Naturwissenschaft. Was nutzen denn sezierte Frösche wenn es doch viel mehr zählt, ob und wie man zur guten Seite gehört? Kurzweilig, ja.

8/15/2011

The Daring Young Man on the Flying Trapeze, William Saroyan

Hier, nicht hier. Das ist eine Moderne, wie sie passt. Kurzgeschichten von enormer aufrichtiger Schreibe, die um eine Position kreisen: der mittellose junge Mann vor der Schreibmaschine in der urbanen Ödnis. Er hat ein Fenster, er hat wenig zu essen, aber er hat noch ein paar Seiten leeres Papier für die Schreibmaschine. Mal wird mehr beobachtet, dann wieder mehr erinnert. Aber immer ist es das titelangebende Trapez, das mitschwingt: am höchsten Punkt wartet die Schwerelosigkeit. Für einen Moment kann man das Ganze loslassen. Für einen Moment wird man vom Ganzen losgelassen. Für einen Moment könnte man einfach loslassen und gegen die Innenwände der Manege donnern. Mehr als ein Absatz beinhaltet sternenscharfe Lyrik. Recht so.

8/13/2011

Hoppla

Seitenleiste fort. Was ist denn jetzt schon wieder?!

Revelation Space, Alastair Reynolds

Hier. Die Weltraumoper ist eine eigene Sparte in der Sparte und zeichnet sich durch intergalaktische Melodramatik, Versatzstücken aus Mantel-und-Degen-Akrobatik, tech porn und hoher Seitenzahlen aus. So auch dies hier. Prägnant geht anders.

Denn hier wird vor allem ausgeufert: das All ist enorm alt, die ominösen Relikte (die MacGuffins hier) auch, und die Reise ist enorm lang und das Schiff ist auch enorm groß. Reynolds zerrt recht extreme SciFi ins Boot, ähem, shuttle: Nanobots und Genkontrolle, Fleischrechner und Sporenintelligenz, kristallines Raum-Zeit-Geschwurbel und so weiter. Geerdet werden kann so etwas nur durch Charaktere, die einem irgendwie ans Herz gehen - aber das fällt hier schwer. Die Technologie ist zu extrem, so dass jede menschliche Aktion eigentlich beliebig ist. Die Bühne ist wunderbar ausgestaltet, allerdings verschluckt sie die Helden und Heldinnen. Unangenehm aufgefallen ist die plumpe Sozialkritik, die der Geschichte unterstellt werden kann. Jaja, Meuterei. Gähn. Aber vielleicht ist der Konsument auch einfach zu alt und verbohrt.

Bei den Fans soll RS gut angekommen sein. Sequels gäbe es wohl auch. Im Konsumgraben aber wohl kaum. Zu enorm, das.

8/12/2011

Lethal Injection, Jim Nisbet

Hier. Wie Espresso: kompakt, tiefschwarz, synapsenpeitschend. TBA.

Es ist schon eine magische Geste, die da in den Todeszellen lauert: ein Arzt gereicht die Hand zum Tode. Mit sanftem Druck kommt etwas in die Venen und mit ebenso sanften Druck wird der Verurteilte nachhaltig aus diesem Kasten ausgeschlossen.

Der Protagonist ist Henker-Mediziner und selbst nicht ganz nüchtern und verkompliziert sein eh schon verpfuschtes Leben mit zuviel Nachsorge. Er verfolgt die Fährte des Hingerichteten in entgegengesetzter Richtung und landet in der Finsternis, in der durch Venenverkehr geschwärzten Vorhölle. Unschuld, Erblast, Befleckung und Vergebung: bewährte Themen.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie erbarmungslos nicht nur die Charaktere miteinander umgehen sondern auch wie der Autor mit dem Leser verfährt. Und dass letzterem das auch noch gefällt. Seasons in the abyss: die alte Frage nach dem noirigen Kitzel.

Ein Essay zum Thema zitiert jedenfalls so:

Whether death by needle is easier for the executed is an open question, but surely it is easier for the executioners. By wrapping punishment in a therapeutic cloak, the process feels less morally offensive to those who are required to participate, and it is therefore more bearable. There is a deeper issue as well. "The use of a well-known medical tool, general anesthesia, for execution blurs the distinctions between healing and killing, between illness and guilt.," observes Dr. Jerome D. Gorman, a general practitioner in Richmond, Virginia, who has spoken out strongly on the issue.

Die Disney-Fraktion darf ruhig weiterhin Green Mile lesen. Uff.

8/10/2011

Super 8, J.J. Abrams

Hier. Der Unfall des Zuges ist enorm, das muss bejaht werden. Da wurde Michael Bay kurz zitiert. Aber ansonsten menschelt es in diesem entzückenden Breitwandfamilienfilm ganz gewaltig, so dass einem sehr warm um's Menschenherz wird.

Es ist eine alternative Version von E.T. mit mehr Budget. Es ist eine Geschichte, die immer und immer wieder erzählt werden wird. Alle kennen die Schablonen und Formeln, alle kennen die Dialoge und alle müssen lächeln. Und zum Schluss wird nachhaltig aufgeräumt: mit leisem Seufzen löst man sich aus dem Kinosessel.

Es ist ein dreifaches Hurra auf das Medium Film und eine unprätentiöse Schilderung der Bedingungen vor der Medienexplosionen. Wählscheiben, Funkgeräte, Magnetbänder. Das ist aber nicht nur dokumentarisch interessant sondern verdichtet sich zu einer trotzdem spannend erzählten Geschichte... nicht spannend im Sinne von "wie wird es wohl ausgehen" sondern im Sinne von "oh bitte lasst mich noch ein wenig in dieser gemütlichen Hektik verweilen".

Alles richtig gemacht. "Drugs are soooo baaaaaad!" Ach, recht hat der Wonneproppen. Wer braucht Drogen bei solch glückseligen Popcorn-Momenten?

8/08/2011

Play It as It Lays, Joan Didion

Hier. Von 1970, Film kam 1972. Der Titel könnte auf eine Western-Stimmung schließen lassen, auf eine Gestalt die bereits ist zum Showdown - auf der Dorfstraße oder im Kasino

Die Heldin stemmt sich gegen das Erwachsensein und scheitert. Beruflich ist sie ein Motiv für Kameras und eine auf Reinheitssimulationen ausgelegte Unterhaltungsindustrie und schon fliegt ihr mit dreißig alles um die Ohren. Dabei bietet die Tektonik von Kalifornien ein stimmiges Leitmotiv: es rumpelt in der Tiefe und Canyons tun sich auf. Der Abgrund ist nicht örtlich von der Protagonistin entfernt, sondern zeitlich. Sie kann nichts für oder gegen einen Absturz tun, denn man kann die Kante (noch) nicht erkennen. Und irgendwie ist sie bereits die Böschung hinuntergepurzelt und liegt mit offenen Brüchen im Geröll. Traumata sind zeitlos: sie haben vielleicht eine Ursache, aber die ist irgendwann egal.

Ach, die Metapher des Ortes. So kann man auch das ganze Autofahren erklären. Der Film von 1972 könnte wahrlich eine Art weibliches road movie sein... die rastlose Anti-Mutter jagt etwas und flieht vor etwas und kann gar nicht ausgewogen essen, so ohne Küche und "plumbing" (Klempnerarbeit aber auch Unterleib). Wie schrieb doch Didions unlauterer Neffe später? People are afraid to merge on freeways in Los Angeles.

8/07/2011

A Single Man, Christopher Isherwood

Hier, die Vorlage von 1964 von diesem unkonsumierten und prämierten Film von 2009. Und man bekommt das Filmposter wirklich kaum aus dem Kopf, denn es ist freilich auch Teil des konsumierten Taschenbuchs. Warum kam der Film nicht früher? Vielleicht (und die Aura von Mad Men als Zeitgeistsimulation schwingt dabei arg mit; bei der Entscheidung des Filmstudios war das vermutlich genau so) weil das Buch eigentlich Science Fiction war, damals in den 1960ern. Intellektuelle sind dort noch seltsamer, vor allem Philologen, denn die können zum space race wirklich nichts beitragen. Und dann auch noch Europäer: Altwelt-Treibgut. Und warum ist dieser zumindest zivilisierte Bürger nicht mit einer Frau verheiratet? Aha. Anderswelt-Treibgut!

Der Held schlumpft also (innerlich recht Lebowski-mäßig) durch kalifornische Ödnis und fährt dabei keinerlei politisches Konzept; er trauert um den Verlust des Partners wie man eben so trauert. Die Umwelt erscheint fader, austauschbarer in ihrer Unbekümmertheit. Der alleinstehende Herr trifft anderes Treibgut und stellt einige feine Beobachtungen bezüglich der titanischen Themen an: Belanglosigeit, Tod und Liebe treffen sich hier freilich und hinterlassen eine ungemütliche Mischung. Kurz vor Schluss holt Isherwood dann noch zu einem letzten Haken aus und semmelt ihn auch direkt auf die letzte Seite.

All Tomorrow's Parties, Jonathan Caouette

Hier und hier und hier aber nicht hier. Manche Musikfestivals sind anders als andere Musikfestivals. Dieser moderatoren- und product-placement-freie (jedenfalls ist irgendetwas anders) Konzertfilm ist ein Zusammenschnitt einiger Auftritte, die repräsentativ für etwas Unheimliches weil Totgeglaubtes stehen: eine lebendige und spannende Jugend- bzw. Musikkultur.

Das Konzept des Festivals und auch des Films öffnet sich nicht. Es steht auch nicht hermetisch da und verteidigt sich. Wacken trifft graduate school? Vielleicht. Du kommst hier net rein denn du willst hier net rein, deshalb ist die Feier hier drin so toll.

Es ergaben sich freilich viele Konsumhinweise, allen voran Seasick Steve und Lightning Bolt. Das ist ein echter Bonus.



8/05/2011

Shaping Things, Bruce Sterling

Hier und hier. Sterling ist eigentlich SciFi Autor und hat hier eine sehr kompakte Arbeit über Design geschrieben, über Warenästhetik und "Zeug" im Allgemeinen. Er umschreibt die verwirrende postindustrielle Welt, die sich nicht mehr mit Produkten oder Artefakten sondern mit Gizmos und irgendwann mit Biots beschäftigt - alles Namen, die er tollkühn entwirft und verwendet. Und er tut gut daran, denn nur so werden die fundamentalen Umbrüche in der Konsumwelt deutlich: längst ist das einzelne Produkt mit Chips und Daten ausgestattet, längst spannt sich um jeden Einkaufswagen ein "Internet of Things" auf. Märkte ragen viel weiter in die zeitgemäße Lebensführung herein als je zuvor. Alles, was in den virtuellen malls und plazas gekauft und verschachert wird, trägt Daten, die mit der Umwelt in regem Austausch stehen. Längst dreht es sich nicht nur um sogenannte lifestyle-Produkte sondern eher um den den lifestyle oder -cycle der einzelnen Produkte. Blendworte wie "Nachhaltigkeit" und "Effizienz" erhalten dabei Relevanz.

Auf sehr wenigen Seiten erklärt Sterling tatsächlich moderne Wirtschaftskreisläufe. Oder er tut etwas, das den interessierten Laien davon überzeugt.

Nein, hier geht es nicht um plastisches Gestalten. Töpferscheiben bleiben im Keller. Niemand huldigt das Runde oder die Verpackungsökonomie skandinavischer Sperrholzverkäufer. Shaping Things beschreibt eine sehr mysteriöse Tätigkeit: die Gestaltung des Alltags einer Zukunft jenseits des "Like"-Buttons durch die Vernetzung von Verbrauchsgegenständen. Und der Berufsstand der Designer steht in der Mitte der Entwicklungen, laut Sterling bald mehr als je zuvor.

Endlich ein Materialimus, der frei von politischem Karneval die Welt erhellt - ähnlich erfreulich wie bei den Tausend Jahren Nichtlinearer Geschichte.

Dabei vergessen werden sollte nicht:



8/01/2011

Super Sad True Love Story, Gary Shteyngart

Dieser Herr schrieb also einen Science-Fiction-Roman. Sehr verwegene Themen kommen darin vor: die Menschen verbringen nur noch Zeit in in Echtzeit implementierten sozialen Netzwerken. Unvorstellbar! Die Wirtschaft der USA ist im Service-Labyrinth aufgegangen und die Kreditfähigkeit der Bürger wird von Straßenlaternen beim Vorbeigehen angegeben. China stützt den Dollar, fängt den Dollar. Wie vermessen! Da stehen Panzer in Manhatten und die Bürger werden gezwungen, dies zu ignorieren.

Und die Menschen verlieben sich. Und Michiko Kakutani findet's töfte.

So eine Spielfreude ist dem Konsumenten selten untergekommen. Zum einen Immigranten-Gehusche ("Hach, was engt mich doch die Diaspora ein! Und wie toll war die Suppe in Zagreb/wherever! Und voller Trä-hä-hä-hänen!"), zum anderen urbane Eventual-SciFi wie A Scanner Darkly. Und freilich auch eine Liebesgeschichte: sowohl Er als auch Sie sind recht zerschmettertes Treibgut ihrer Zeit. Sie zeigt ihre wahren Absichten eigentlich nur im virtuellen Schutzraum von Mail und Chat und ist schon vollends von der hypersexualisierten Konsumwelt vereinnahmt. Er hadert mit seinem faustischen Job der industriellen Lebensverlängerung und der Frage nach Arbeitswert und -sinn. Beide treffen Chefs, Freunde und Verwandte und es ergeben sich die einen oder anderen Stadtneurotiker-Verflechtungen.

Also eigentlich sind das recht konservative Rollenverhältnisse, die da ihre Schatten werfen. Aber sei's drum. In dieser grotesken neuen Welt (die in der zweiten Romanhälfte auch noch von einem "internationalen Zwischenfall" erschüttert wird und doch nicht den Weg aller Spielberg-FX-Feste geht) macht diese groteske Geschichte in all ihrer Bitternis große Freude.

Dies ist ein Modebuch. Beim virtuellen Bahnhofskiosk liegt es im Schaufenster und sogar die verpeilte Neon hat es in ihren Rezensionen. Dies ist der Mainstream. Willkommen. Dies ist außerdem der 300ste Eintrag mit dem Label "Buch". Er ist auch unter dem Label "Kindle" aufgeführt. Dies könnte der Beginn einer anderen Super Sad True Love Story sein.