1/13/2010

Garden State, Zach Braff

Schönes Ding, immer noch. Sind das die 00er Jahre in Bild und Ton? Eine ewige Adoleszenzgeschichte, die sich Zeit lässt für die knuffigen kleinen Schokoladenglasuren des Tagesmenüs? Man kann vermuten, dass der Film ein Bleiberecht hat, weil er sich mit Navigation befasst und mit diesem Kram, der ganz kitschig Aufbruch und Heimkehr genannt werden kann.

In den zwei Jahrzehnten vorher wäre Garden State nicht möglich gewesen: die 80er brachten Stand by Me und die 90er Kids. Die 10er haben bis jetzt nur Avatar. Hmm.

The Imaginarium of Doctor Parnassus, Terry Gilliam

Immer diese Bezüge zur echten Welt! Während diese Zeilen getippt werden, ist der wohl bekannteste Schauspieler dieses Werkes schon genau zwei Jahre unlebendig. Und freilich muss das auch gleich hier im ersten Absatz stehen.

TIODP ist ein mittelgroßer Film, der durch diesen Umstand einen ziemlich denkwürdigen Selbstbezug erhält. Es geht inhaltlich um die Innenseite von Köpfen, die mit Geschichten gefüllt werden aber auch um die Vorderseite von Köpfen, nämlich Gesichter. Als großer Film (also einer, der von Anfang an mit so viel Starpower geplant wäre und der ein entsprechendes Marketing vor sich her schöbe) hätte das konsumierte Werk weniger gut funktioniert. Das Ergebnis ist geglückt: Depp, Law und Farell tun das, was sie gut können und wissen auch, was sie tun. Glück im Unglück? Unfall, Todesfall, Glücksfall?

Gilliams Filme wirken beim Erstkonsum immer ein wenig sperrig: da ist immer so viel Zeug! So viel Ramsch, so viel kleine Details, so viel abgewetzte Kleidung, Bücher, Möbel. Zeug, das kurz vor Müll ist oder für andere Menschen längst welcher ist - also eine Situation, in der sich der teuflische Tom Waits gut auskennt. Aber TIODP brummt nach (wie Waits auch). Wie macht Gilliam das? Mit Spiel oder Ernst?

Ach, diese echte vermüllte Welt... da will man sich doch nur in ein Imaginarium flüchten. (Und von all den vielen Gedanken hab ich doch am liebsten die interessanten, sagten einst die Sterne.) Es geht immer nur ums Weglaufen und ums Einholen, oder? Rein in den Film, heraus aus der Welt, hinein in den Sessel, hinein in den Kopf, hinein in Klatschpresse und Holzkiste. Rein in die Lüge, raus aus der Verliebtheit. Rauf auf den Wagen, die Karawane zieht weiter.

Genau wie die Kunden in den Kopf des Docs flüchten, so flüchtet sich die bezaubernde junge Dame in die Liebe, nur um dann zu sehen, dass der Hallodri auch nur das echte mit dem unechten Haitiesken vermischt.

Hunde, wollt ihr ewig leben? Von wollen kann keine Rede sein. Aber durch diesen finalen Stunt hat Heath Ledger sich ein kleines bisschen Unsterblichkeit erspielt. Famos und schade, und deshalb Schizophrenie deluxe.

Echte Welt... ein bizarres Wort, dieses "echt". Gilliam soll sich doch jetzt endlich an Don Quixote machen, oder? Ist das nicht eine gescheiterte Geschichte (über die es eine Dokumentation gibt), die sich über eine scheiternde (Menschen- und Welt-) Geschichte definiert? Windmühlen haben Räder, aber sie fahren nicht weg. Weglaufen und Einholen. Echt jetz ma.

1/11/2010

The Hurt Locker, Kathryn Bigelow

Doch, gut. Warum?

Es geht gar nicht um das alte tote Pferd namens Krieg, das nicht mehr getreten werden kann seit John Wayne tot und James Ryan abgefilmt ist.

Es geht um die Logik der Bombe, und so etwas hat der Konsument wahrlich lange nicht gesehen (denn normalerweise werden Bomben nur von diversen Irren [Kobolden] an Busse gedrechselt, die dann schnell fahren müssen und Sandra B. und Keanu R. beruflich voran bringen).

Ist das der Hindukusch, und wird dort mein Recht auf Limonade verteidigt?

Da baut einer ein Ding, dass seine Umgebung entdingen kann. Dann gibt es die Protagonisten, die mit dem Abbau dieser Anti-Ding-Dinger beauftragt sind, noch dazu in einer zivilisatorischen Trümmerwüste (die ja vor einigen Millennia die Wiege einer Zivilisation war), die sich an die Entdingung fast schon gewöhnt hat. Es ist die existenzialistische Wucht der konkreten Bombe und der potentiellen Bombe, die den Thrill ausmacht. Diese Druckwelle, die sich dort in der Enge der Argumente aufbaut, kann stets losbrechen und die umgebenden Architekturen radikal neu gestalten. Als Metapher kann die Bombe im Staub, die unter dem Müll mit göttlicher Geduld ausharrt, die Dramatik dieser Art der internationalen Konfliktbewältigung gut veranschaulichen.

Hurt Locker ist ein feiner Titel, denn der Film dreht sich A um einen Spind (privater Raum für Inventar und Pin-Ups) voller Schmerz (aktiv/passiv) und auch B um einen "Schmerz-Einschließer", der dann der Bombenbauer, der -entschärfer oder auch die Bombe selbst sein kann. Und als die Bombe dann in das Kind eingebaut wird, ist die materialistische Poesie fast perfekt dargestellt.

Schließlich ist Hurt Locker die Bezeichnung eines Menschen, denn das Einschließen von Schmerz ist oberste Kämpferpflicht und Grund für allerlei Detonationen.

Ein sehr gutes Produkt, eines der besten des Jahres 2009 abseits der Popcorngebirge.

Tick, tick, tick, booooom.

Donkey Punch, Oliver Blackburn

Warp Records sind ja mit der tollste Musikverlag der Welt. Und Filme machen sie auch, zum Beispiel so kleine wie diesen hier.

Und was ist er, außer blutig? Ja, es ist ein Slasher, aber leider auch ein wenig unlogisch. Der klassische Unfall, der die jungen Menschen durch Sex und Gewalt in die Welt der Erwachsenen initiiert, setzt sozialpsychologische Phänomene in Gang, die in weitere Körperkollisionen münden. Sehr bekannt, das. Natürlich entsteht der Handlungsdruck vor allem durch die maritime location: statt Blockhütte oder "MTV Real World"-WG läßt ein nobles Schiffchen die klaustrophobische Wucht zu.

Also Kinder: keine Chance den Booten, äh, den Drogen. Und nur in der Missionarsstellung fährt man nicht zur Hölle. Oder wie?