4/19/2007

Six Bad Things, Charlie Huston

Endlich die Fortsetzung von "Der Prügelknabe". Die Leiden des (nicht mehr ganz so jungen) Hank kehren zurück und auch dieser Roman sprengt meine Vorstellung von dem, wie unterhaltsam ein Buch sein kann. Das schöne deutsche Wort "Krimi" passt wie so oft gar nicht. Jenseits aller politischen Korrektheit wird hier Gewalt von allen Seiten ausgeübt... Mr Huston bestätigt, aktualisiert und potenziert alles, was unter Neo-Noir zusammengefasst werden kann.

Hank ist gezeichnet. Wunden, alt und neu, plagen ihn und zusammen mit garstigen Tätowierungen geben sie ihm die Gewissheit einer furchtbaren Vergangenheit. Hank wird geworfen, angeschossen, angefahren, verprügelt, getreten, gebissen, und vor allem: benutzt. Die Gier der anderen ist verlässlicher als der Sonnenaufgang.

"Too late, he realizes what is happening and grabs at my right arm... His mouth flies open and I shove the gun inside of it until I feel the tip of the barrel hit the back of his throat and he starts to gag on it..."

Endlich geht Moral durchs Fleisch. Es ist ein bisschen wie Porno. Manche Stellen liest man doppelt um das Panorama aufzusaugen. Es ist eine beunruhigend beruhigende Welt, die Hank zwischen Yucatan und Vegas durchschreitet. Die Gesetze von Rache und Pflicht mögen hart wirken, geben aber auch eine luxuriöse Gewissheit von all dem, was für dumme Ereignisse anderen dummen Ereignissen folgen können.

Huston macht es dem Moralisten nicht leicht. Ein Typ wie Sid gibt der Geschichte mehr Tiefe, denn wo wären die modernen Mörder ohne ihre Fanboys? Ja, die Sids der Welt sind die Zukunft.

Am Ende zahlt jeder irgendwie seine Rechnung, inklusive Hank selbst. Vielleicht hatte Cho Seung-Hui auch diese Hoffnung. Und deine Mutter hofft das ganz bestimmt.

Ich bin ein schlechter, schlechter Mensch und ich habe mich wunderbar amüsiert.

4/18/2007

Last Radio Show, Regie: Robert Altman

Wer hat denn den Titel verbrochen? Das englische Original lautet "A Prairie Home Companion", eben der Titel der letzten Radio Show. Man ersetzt Fremdsprache mit Fremdsprache, ja? Aber na gut.

Altman kenne ich zuvorderst vom grandiosen Short Cuts, ein Episodenfilm der m. E. sowas wie Magnolia und L.A. Crash erst ermöglicht hat. Von eben jenem Vorgänger kennt man nicht nur einige Darsteller sondern auch die Erzähltechnik. Aber die allein macht ja eigentlich noch keinen guten Film.

Aber Last Radio Show ist gut. Die Menschen sind allesamt einprägsam, darunter der zunächst etwas seltsame Garrison Keillor, der die Original Show einst leitete. Eine Radio-Person: mit so einem Charisma kann man keinen Bildschirm erobern. Das Genre, dessen Untergang der Film beschreibt, ist gänzlich uneuropäisch: Cowpoker- und Gospel-Unterhaltung, garniert mit Witzchen. Und alle beteiligten fügen sich dem Gesamtbild: Kevin Kline ist der Schlawenzelschnauzbart vom Dienst; Harrelson, Streep, und alle anderen beweisen ihre Übermächtigkeit, inklusive divine intervention. Die Achse des Guten. Und Lindsay Lohan nervt keineswegs.

Die handgemachten Werbejingles, so nichtig sie auch sind, kleben im Ohr fest und fügen sich in die leise Aufrichtigkeit des Gesamtwerks. Seltsam.

Zusammen mit Altmans Ableben entwickelt der Film eine eigentümlich leise Authenzität. Die Show muss weitergehen und so, oder eben nicht. F. Scott Fitzgerald hat ja auch so romantische leichte Dinge beschrieben und damit Wichtiges und Wahres erschaffen, genau wie dieser alte Mann.

Mehr Altman, mehr Fitzgerald, bitte.

4/15/2007

300, Regie: Zack Snyder

Und so scheiden sich die Geister. Schönes neues Digital-Kino! Das haben wir jetzt davon, mit Dank an die Herren Wachowski.

300 ist eine rücksichtslose Comic-Verfilmung und bleibt Frank Millers Original wunderbar treu. Das heisst aber auch, dass Menschen, die sich nicht auf Comics einlassen wollen, dieses Werk nicht geniessen können. Und auch wenn man den ersten Batman sah (die Burton-Version zehrte von Millers grandioser Wiederbelebung des Bruce W.) und Sin City OK fand (Millers wahres Magnus Opum), dann muss man nicht unbedingt 300 abfeiern. Snyder hat enormen Mut bewiesen, die Ästhetik und die Konsumnatur des Comics im Allgemeinen sowie die finster-erdige Dramatik von 300 (ein Stoff aus den verfluchten 80ern, pfuäh) im Besonderen so gut es geht nachzubilden.

Genauer: vor 5684 Jahren hatte ich einige Figuren der Masters of the Universe - die waren so sonderbar proportioniert wie die eng gebauten Sukkubusse der Barbie-Welt. Bei 300 war He-Man auch ein massgeblicher Einfluss und das könnte verstörend wirken. So viel geschwellte Heldenbrüste hats in Vietnam nicht gegeben, doch Comics jenseits des Cartoons sind seit je her voll davon. Was für Kinder gut ist, kann doch für Erwachsene nicht schlecht sein, nichwa Muddi?

Erfrischende Dümpfe und bestechende Plumpheit. Kommt schon, liebe Feuilletonista: erzählt mir was vom Irak. Klar, die Perser, jaja. Sicher, Sparta und die weichen Toga-Griechen. Nennt Begriffe wie Neurose und Faschismus. Die schwule Bedrohung, ganz bestimmt. Kann man hier alles finden, aber Frank Miller hat danach nie gesucht und Snyder hats nicht beigefügt.

Boys will be boys, hu? In Zukunft mehr denn je. Fragt sich, wie eine Kultur, in der das Tragen von Speeren verboten ist, das aushalten soll. Einer der Wachowskis hat schon Konsequenzen gezogen.

The 25th Hour, David Benioff

Damals gekauft und doch Spike Lee's Version geschaut. Diese hat mir ganz gut gefallen. Ein Werbefilm für den Original-Roman war sie allerdings nicht. Sehr nervig war der damalige 9/11-Bohei um das Produkt.

Ja gut, die Geschichte spielt in NYC, doch steht m. E. die Verwurzelung des Einzelnen im urbanen Labyrinth im Vordergrund. Es mag ein abgewetzter Terminus sein, doch letztlich geht es um die dort zwangsläufig gewachsenen Männerfreundschaften, jawohl. Benioff ist ein ehrlicher Autor - er schreibt geradeheraus und bleibt souverän unter 300 Seiten. Der Plot wird nicht krankhaft auf Krimi umgelegt, obwohl er könnte. Ein stolzes kleines Buch.

Ein Schelm, wer da Läuterung und Moralismus unterstellt.

Und: Ed Norton passt irgendwie so gar nicht auf den Monty des Buches, Bärtchen hin oder her; die vorletzte Szene wirkt in dieser Hinsicht mit ihrer Fight-Club-Remineszenz geradezu albern. Andere Rollen standen ihm da bisher besser.