6/15/2013

Prophet: Remission, Brandon Graham & Simon Roy & Farel Dalrymple

Hier. Image Comics. Whoo-hoo! Wortlos stapft der Prophet umher, hat ein feines Beil dabei und erobert sich seine Umgebung.

Eine verstörend materielle science fiction stellt sich ein, die vor allem biotechnologische Fragen stellt. Es geht um's Fleisch: wie schützt man es, wie nutzt man es? Stetig geht es um's Fressen, um reißende und mahlende Zähne. Es ist die Einverleibung im weitesten Sinne, die in dieser Handvoll Geschichten aus der sehr fernen Zukunft eine tragende Rolle spielt: welches Gewebe kolonisiert welche Oberflächen und Inhalte? Genial die Fäkalienkarawane: da sind monströse Tiere hintereinander geschaltet, um Rohstoffe zu erzeugen. Eine inhuman centipede, eine fleischbasierte Energieproduktion. Oder die Reise durch die Viecher durch. Oder das Klonen oder dieser irgendwie lebendige Schal (oder ist das eine Schulterqualle?).

Prophet ist mehr als Metzeln - da könnte man eine eiskalte materialistische (verdauende, hauende, kauende, pupende) Poesie erkennen. Das Menschenfleisch verteilt sich wie Krebs im All, sendet Sporen aus, reorganisiert die eigene Genetik um die äußeren Strukturen zu verschlingen. Mehr davon.

6/10/2013

Joe the Barbarian, Grant Morrison & Sean Murphy

Hier und hier. Es kommt naiv daher, wie halt die Barbaren so sind, und auf den ersten Seiten versteht man auch schon, dass es hier um eine doppelte Welt geht, eine durch Zuckerkoma und Kopfverletzungen zusammengeschaselte Fantasiewelt.

Selbige Welt wird von den langen Schatten der Figuren im Kinderzimmer bevölkert: eine Armee von Plastikhelden wird echt und setzt sich in Bewegung. Ein mythisch beseeltes Quest steht an und der jugendliche Held muss sich mit der drohenden Zerstörung seiner Spielsachen auseinandersetzen.

Und spätestens hier könnte man die romantisch verklärte bildungsromaneske Unterhaltungklitsche erwarten, die mit der glücklichen Rückreise in die echte Welt endet. Aber JtB ist viel besser, denn die ersponnene Welt steht der echten in nichts nach. Letztere inspiriert sogar die Territorien, die Joe mit Schwermut und Beharrlichkeit durchschiffen muss, immer wieder von neuem: grandioses paneling schafft eine sehr feine Gleichführung von Dingen im Kopf und Dingen daheim (und den Dingen "da draußen") - so manifestiert sich ein laufender Wasserhahn im echten Haus als Wasserfall in der Questwelt. Morrison und Murphy erzählen einen all-ages Roman mit sehr sympathischer Sorgfalt und Umsicht. Ausgezeichnet.

Glister, John Burnside

Hier und hier. Warum hat das so lange gedauert? Der Konsum zog sich über mehrere Wochen, vermutlich liegt das an den Störgeräuschen außerhalb des Grabens. Dem Autoren von Glister kann man aber trotzdem vorwerfen, nicht genug für das Packen und Halten von Aufmerksamkeit getan zu haben.

Das gruselige setting: ja, eine Industriebrache, ja, Maggie Thatcher grinst mit Vampirzähnen aus der Tiefkühltruhe zu einem hoch. Alles Leben ist gewichen und die Industrie hat die Option auf Gesundheit vernichtet. Die gruselige Handlung: Kinder verschwinden und verhärmte Gestalten lungern in den Ruinen herum. Dabei geht Burnside von Perspektive zu Perspektive und unterstreicht die Trostlosigkeit. Er schafft dabei einen (aber auch nicht sonderlich neuen) Kaleidoskop-Effekt. Er verhindert aber auch die Identifikation mit einer bestimmten Hauptfigur.

Darauf einen Löffel radioaktiven Klärschlamm mit grünlich schimmerndem Moos am Rand.