3/12/2008

No Country for Old Men, Ethan & Joel Coen

Jagut, der Text hier ist fast länger als alle Dialoge im Film aber was ist schon Platz in der Virtualität? Ab dafür.

Jetzt also Cormac auf der Leinwand, genossen im Großraum mit Menschen die keine Ahnung von der Vorlage haben. Wo doch die die so gut war. Klappt es denn? Ja. Das Gesamturteil ist positiv: die Coens haben eine grandiose Literaturverfilmung hingelegt, die (so wie es sein muss) ihr Textverständnis und ihre Erfahrung beweisen.

Chigurh ist (genial dargestellt durch Bardem) eine Naturgewalt, der Teufel, ein Tier mit furchtbarer Frisur und zuviel Hirn doch gibt das nicht zu. Understatement kracht herein. Er sagt: "Ich bin wie Geld." Er ist im Fluss, eine Münze unter vielen nur eben die, die situativ über binäre Wahrheiten entscheidet. "Ich bin wie Geld." Da muss man mal drauf kommen! Das ist furchtbarer als Höllenpfuhlinkarnationen und sonstige Verschmückungen. Chigurh weiss, dass er im Motivationsnetz nicht gefangen ist sondern dass er über die Regeln erhaben ist. Chigurh ist Struktur der Welt, nicht bloßer Agent im kosmischen Spiel wie Moss oder der Sheriff. Wells (Harrelson) hat das verstanden. Was ist schlimmer als der Tod? Der sichere Tod, der unverdrängte Tod, das Todeswissen. Das ist McCarthy wie er lebt und schreibt. Wir sterben. Wir haben längst damit angefangen. Der Tod ist die einzige Wahrheit die bleibt. Die Tierkadaver (selten in Filmen zu sehen) zu Beginn sind da schon ein kleiner Hinweis.

So kann auch das Nicht-Zeigen des Endes von Moss erklärt werden. Etwas ist ihm passiert. Er ist tot, was ist da noch zu wissen? War er nicht schon längst tot, als er nach dem Geld griff? Oder als er Wasser in die Wüste brachte (uh, Symbolik hoch siebzehn)?

Verdammt, Textflussalarm. Nagut. Selbstkontrolle. Ähem.

Die Coens bieten Platz für Parallelism. Moss kauft sich ein Hemd von den aus McCarthys Kosmos bekannten Knabenmenschen - er braucht dafür blutiges Geld und die Jungs sind gierig. Als Chigurh mit offenem Arm da herumsitzt wird ihm das Hemd gereicht, von oben herab, und der Geber ist dann nackt und will kein Geld. Die Romane stecken voller Verweise auf die Bibel, so auch diese Verfilmung. Oder die Münzen. Einmal sind sie Richter über Leben und Tod, einmal sind sie manuelles Werkzeug und ermöglichen Zugang zu versteckten Orten.

Chigurhs Drucklufttötungsmaschine ist ähnlich und verweist nochmal auf tote Tiere. Das Ding schließt die Tür zum Leben für viele und sie öffnet dem Mann am Gashahn verschlossene Türen.

Die Landschaft ist klassisch erhaben und selten im Film zu sehen. In den ersten Minuten hat das Publikum im Saal geächzt ob der Weite und der Leere. Ein schönes Geräusch. Im grenzenlosen Raum versteckt sich vor aller Augen wiederum die Wahrheit des Todes, im Endlosen finden Tier und Mensch ihr Ende. Der amerikanische-mexikanische Grenzverkehr ist jenseits aller Politik ein mächtiges Symbol: was kommt da von draußen rein? Wo ist draußen? Was soll das Heroin, was soll Chigurh hier?

Der Film ist komischer als man es der Vorlage zugetraut hätte. Dabei ist der Humor nie denunzierend (obwohl Bardems Frisur dies durchaus ermöglicht). Es wird auch nicht auf der Pittoreskifizierung eines vergangenen Jahrzehnts herumgeritten. Nein, hinter jedem Lacher steht letztlich die Enthüllung der Wahrheit, es ist eigentlich ein Verlegenheitslachen. Die infame Konversation mit dem alten Tankstellenwärter legt sie eigentlich frei, die bloße Existenz. Der Alltagstrott fällt ab und nur der Moment zählt, ob das nun alle Beteiligten verstehen oder nicht. Und wenn da einer nur Stiefel anhat dann scheint ihm der Rest der Kleidung wohl zu fehlen. Nein, das passiert nicht oft. Das ist eine wahre Aussage. Verlegenheitslachen.

Das Ende macht Sinn. Der letzte Monolog des Sheriffs ist McCarthy in Bestform und gibt einen Eindruck, wie Teil Zwei der Border-Trilogy sich in weiten Teilen liest. Der Abschied von Chigurh passt zu seiner Aura: er tauchte auf und verschwindet auch wieder, nur um bald weiteren Leuten zu begegnen, denen er neue Narben oder den Tod bringt.

Soviel mehr zu vermerken. Aber nein. Mittagspause längst zu Ende.

NCFOM funktioniert, aber es wird wohl das einzige McCarthy-Werk bleiben, das dies tut. Billy Bob Thornton hatte mit seiner 2000er Verfilmung von All the Pretty Horses (Matt Damon, Penny Cruz. Teil Eins der Border-Trilogy) eine ziemliche Bruchlandung hingelegt. Das Ding muss noch seinen Weg in den Graben finden, der Roman war vor einiger Zeit Startschuss für den Hype hier. NFCOM konnte nur so ein guter Film sein, da es sich ganz auf die Mystik von Ursache und Wirkung, auf kriminologische Plot-Pfade einlässt. Das ist darstellbar, das hält die Spannung, das gibt der unglaublichen Landschaft eine stetig stimulierende Referenz.

Was die Coens schaffen, schaffen meistens nur die Coens. Genau wie McCarthy. NCFOM ist ein gelungenes Aufeinandertreffen der drei Amerikaner die ein Aufeinandertreffen von drei (und mehr) fiktiven Amerikanern (und Chigurh und andere Schlechtfrisierte gehören dazu, heute mehr denn je) so darstellen, dass das Publikum etwas lernen könnte.

3/11/2008

The Sportswriter, Richard Ford

Frank hat sich entschlossen, über den Sport zu schreiben und weitere literarische Ambitionen zu vergessen. Die gespielte Leichtigkeit wird allerdings mehr und mehr zum Rettungsseil - der Leser ist genötigt, Frank für einen großen Verdränger kurz vorm Ausbruch zu halten. Das ist hier aber kein Thriller, also bricht hier erstmal niemand irgendwas. Am Ende knirscht nur langsam das Herz bei Frank und dem Leser.

Ford schreibt so freundlich. Er plaudert, ohne zu schwafeln und beschreibt ohne chirurgische Ambitionen. Für den Konsumgräber ist dies ein kleiner Kontrast zu zuvor gelesenen Brachialitäten, doch das Wildern im Mainstream hat sich gelohnt. Ford schafft es, Franks vollkommen durchschnittliches Gehäuse (im durchaus existentialphilosophischen Sinn) so zu beschreiben, daß die gebotene Perspektive etwas einmaliges hat.

Während des Lesens passierten seltsame, leise Dinge: einmal fühlte es sich an wie eine sitcom nach einem zu üppigen Essen, ein anderes Mal wie wenn man sich den Kopf am Autotürrahmen stößt. Solch einen Stoß spürt man wenn man Franks sprachlichen Umgang mit Afroamerikanern bemerkt - hier wird die Privatheit leicht verstörend. War/ist diese Generation wirklich so?

Der Text wurde vor vielen Jahren schon einmal gestriffen. Damals war John Updikes Rabbit der Held aller Klassen, dementsprechend eng war der Vergleich zu diesem Werk. Updike sollte auch mal wieder besucht werden. Weitere Kübel voller Ostküstennormalität.