12/29/2007

Into the Wild, Jon Krakauer

Coming of Age, schon wieder. Doch nein: eher gleich Coming of Death. Krakauer hat ein längeres journalistisches Essay geschrieben welches Leben und Ableben des zornigen jungen Mannes Chris beleuchtet. Selbiger reiste mit Tolstoi, Gogol und einer second-hand-Flinte in die Wildnis Alaskas und verhungerte dort in dem Wrack eines Busses. Jaja, die wilden neunziger.

So weit, so finster die Geschichte. Doch sie ist doppelbödig. Gab es Chris wirklich? Schreibt Krakauer als Krakauer? Hier wurde absichtlich keinerlei Recherche betrieben, um die Lektüre so nüchtern wie möglich zu gestalten. Kann alles stimmen, muss aber nicht.

Zwei gequälte Seelen. Zum einen ist da Chris: zuviel gelesen, zuviel gezweifelt, zu sehr in die Arme des sibirisch-markigen Literaturpatriarchats getrieben. Jahre trampt er umher ohne wirkliche Ahnung. Er feiert sich selbst und stirbt jämmerlich. Er hat Jack London nie als großen Leider begriffen. Der Elch ist eigentlich ein Karibu und Inkompetenz kann nur zu den falschen Früchten führen. Zum anderen ist da Krakauer: als Alpinist, Naturbursche und Investigator steht er sich Fragen bezüglich Chris’ Drama und kommt letztlich bei sich selber an.

Warum muss (junge) Männlichkeit sich der Natur so unwirsch nähern? Sucht Mann Absolution, Ernüchterung oder Rausch? Der Autor benennt viele ähnliche Schicksale und Bedürfnisse: er erwähnt auch Thoreau und Konsorten nicht nur beiläufig. Wie legitim sind Nationalparks als Fight Clubs? Into the Wild ist das erste Werk, das von Chuck Palahniuks Lektüreliste konsumiert wurde.

Achso: bald kommt der Film. Der Weg wird kein leichter sein, denn Sean Penn wird einem wohl das Herzlein brechen. Den Soundtrack machte Eddie Vedder, der Anfang der neunziger auch einiges um die Ohren hatte.

300, Zack Snyder

Doch, das ist ein Weihnachtsfilm. Denn zu Weihnachten ist die Welt auf die Stabilität des Zuhauses reduziert und die Welt sinkt in leise simmernde Dümpfe hinab. Und dumpf, hui, das ist 300 mit Wonne und Pracht. Die eigene Plautze wird zum Rollcontainer bei soviel Pfunden Kriegsfleisch, aber egal: die sterben da und wir hier beileibe (ha!) nicht.

Der Film macht immer noch Spaß, so wie eben Comics Spaß machen können. Die zahlreichen Verwurstungen des Neo-Grind-Schinkens machen natürlich auch Spaß. Vor allem South Park wäre da zu nennen: der gender-gebendete Mr. (also Mrs.) Garrison wird lesbisch und verteidigt seine neue Lieblingsbar gegen die neuen persischen Besitzer. Ausgezeichnet. Spaß, Spaß, Spaß.

Es sei noch bemerkt, dass die Verwurstung von alten Spielzeugserien recht lukrativ ist. Somit bleibt zu hoffen, dass Transformers 2 von einem zeitgemäßen He-Man gefolgt wird. Hope dies last, sucker. Die Gerüchte sind jedenfalls da draußen und Skeletor ist bestimmt voll gruselig, im Gesicht und so. Fast wie ein Perser.

Suttree, Cormac McCarthy, pt. 2

Am Ende merkt man, dass Suttree nicht als enger Plot sondern als collagenhaftes Panorama geschrieben wurde. Aber selten ist das so großartig wie hier.

Nach diversen weiteren Eskapaden verschwindet Suttree. Ein Toter liegt in seinem Bett und der Morast schluckt seine Spuren. Zuvor war er in die Stadt gezogen, ist mit einer Prostituierten zusammengekommen und wurde sehr krank. Die Stadt hat ihn vergiftet und sein Leben am Fluss unmöglich gemacht. Das Gift mag er ausgespien haben, doch ein kalter Fleck bleibt.

In seinem Romanen bewegen sich McCarthys Protagonisten entweder zwischen Wüstenstaub oder Uferschlamm. Letzterer wird bei Suttree mehr als nur geworfen. So wie bei Blood Meridian etwa die Wüstensonne das Leiden in die Knochen hineintrocknet so dringt die alte Nässe des Flusses durch die Haut der Schiffbrüchigen und trübt Sicht und Seele gleichermaßen.

Ein weiteres herrliches, weises und wichtiges Buch von McCarthy. In einigen Jahren wird es wieder gelesen. Mal sehen, was es dann anrichtet.

Welch unverhohlener Hype.

12/23/2007

Leben mit Fleisch

Es gibt ein frisches Magazin da draußen welches dem Geist des Konsumgrabens in vielerlei Hinsicht entspricht.

Es ist das meatpaper und kommt sowohl geschnitten als auch am Stück. Auf den ersten Blick scheint es aber über derlei Kalauer erhaben zu sein. Im Geleitwort fasst man zusammen: "It’s a full-blown fleischgeist out there."

In der Zwischenzeit wurde Suttree fast fast fast ausgelesen. Einige Kapitel mussten vor lauter Frohlockung doppelt gelesen, einige Sätze laut gesprochen werden. Die nächste Sitzung bringt die letzten Seiten und unter konvulsischen Zuckungen wird hier dann auch ein Abschlusswort vermerkt.

So. Immer noch keine Bescherung. Hoffentlich schieben die Raupen mit den Gaben den Graben nicht ganz zu, so dass ein Durchkommen noch möglich ist. Stillstand ist der Tod und Fleisch ist auch nur eine flüchtige Molekülkombination.

Es ist immer Mahlzeit.