11/02/2007

The Fountainhead, Ayn Rand, Teil 1

Jagut, das ist ein dickes Buch. Deshalb erstmal nur eine Sichtung des ersten der vier Teile.

Der Roman stammt aus einer seltsamen Zeit: Amerika entdeckt zwischen den Weltkriegen die Hochhäuser und der sogenannte Fortschritt bekommt eine vertikale Dimension. Städte recken sich den Sternen entgegen. Architektur ist nach wie vor ein sehr ergiebiger Spielplatz für Metaphern. Raumerschaffung, Grenz(er)ziehung, Bögen spannen von da nach dort und über etwas hinweg. Yadda, yadda, yadda. Materiell fixierte Content Management Systeme.

Howard Roark und Peter Keating sind Architekten und haben entgegengesetzte Vorstellungen von ihrer Zunft. Letzterer schläft sich hoch; er sieht das glitzerne Business und passt sich an. Roark hingegen ist brutalstmöglicher Idealist und hackt sich lieber Arme ab statt am Bau rumzupfuschen. So simpel, so unterhaltsam.

Ist Roark Avantgardist? Purist? Zen-Meister? Humanist? Dann wohl halt Objektivist, aber in Rands eigener Lesart. Die Autorin nutzt den leicht lesbaren Roman nicht nur zur Unterhaltung sondern auch zur Erörterung ihrer philosophischen Grundansichten, die so verstaubt eigentlich nicht sind. Vielleicht sind die folgenden Teile ja anders. Mit diesen vielversprechenden ersten Seiten sollte das Weiterlesen nicht allzu schwerfallen. Da könnte grosses drinstecken in diesem Gebäude.

Bis jetzt hat Keating sich einen Chefposten er-mobbt und Roark scheitert an seinen hehren Zielen. Schaunwamal wer das Prinzesschen kriegt.

Planet Terror, Robert Rodriguez

Warum hat dieses Werk so viel schlechtere Spielzeiten als des Tarantino sein Beitrag zum 2007er Grindhouse Doppelpack? Weil Rodriguez rücksichtsloser ist als sein Kollege, aber keineswegs weniger kreativ. Planet Terror baut sich in herrlich hemmungloser Manier um jegliche Form der plakativen Gewalt und Abjektion auf. Bizarr lange Dialog-Sequenzen fehlen, stattdessen wird hemmungslos derb umhergesplattert.

Der Ekel selbst ist ein bewährtes Thema für Arbeit, Spass und Spiel. Müllwerker und Psychoanalytiker haben mit Stoffen zu tun, die unangenehmst durch die Finger rinnen können, wenn man sie denn zur Halde schleppen will oder auch nur anfassen muss. Viele Regisseure reihen sich in die Arbeitsfront ein und versuchen verzweifelt, den Massen den Umgang mit den Biomassen zu erklären.

Es geht also um Blut, Schleim, Kotze, Husten, Knochenblubb und Glibber im Allgemeinen. Und wo kann man mit solchen Requisiten am ehesten punkten? Freilich im staubigen Südwest-Texas, fernab jeder Yankee-Hygiene. Da hört einen keiner schreien und die Flecken auf dem Boden verwehen fix und die Steaks sind auch noch exzellent.

Und das klingt jetzt besonders abstrus: wie auch bei Death Proof steht die Stärke der Weiblichkeit in diesem Machwerk im Mittelpunkt. Rodriguez huldigt aber der ikonenhaften Einheit des Bildes: ein Betty-Page-Klon mit automatischer Waffe statt eines Beines bedient schon eine enorm plumpe Metaphorik. Die Olle kann auch noch tanzen und das Schmollmündchen ist stets nett drapiert. Und Fergie wird zur Halbzeit der Hinterkopf weggefressen. Mahlzeit. Hyperfeminine Fleisch-Dekorationen.

Oft wird vergessen, dass Rodriguez einer der ersten aus Hollywood war und ist, der die gesamte Kapazität des Digitalkinos nutzen will. Der Herr hat ja auch Spy Kids gemacht, ein Werk das bisher keinen Eingang in den Konsumgraben fand. Kurzum: Planet Terror ist ein Heidenspass. Inhaltsmässig verarbeitet und hypt er das Genre-Kino der Vergangenheit, technisch ist er, ähem, richtungsweisend. So ist das nun mal.

10/31/2007

Die Fremde in Dir, Neil Jordan

Nie war die grossartige Mrs. Foster dem Schatten von Travis Bickle so nah. In vielerlei Hinsicht finden sich Parallelen, etwa bei der Angleichung des Outfits an die Wandlung des Charakters. Nach den ersten Erschiessungen (Mord ist anders, hu?) lässt sie die Jacken fallen. Sie will Schmauchspuren loswerden, sicher, doch auch will sie sich aus dem Kokon befreien und mit blanker Haut der schmutzigen Aussenwelt begegnen. Eine Taufe mit Blei und Blut. Dann, als sie ihren Kurs erkennt, kommt die Lederjacke. Dementsprechend derb ist die Tötung des fiesen Gangsters, der sie nie persönlich bedroht hat. Jodie braucht keinen Iro, dass will auch wohl keiner sehen.

Man bemerke hierbei Bacons Frisiermoment bei Death Sentence.

Foster ist erwartungsgemäss präsent in dieser Geschichte. Jede Einstellung ihrer Person drückt etwas aus und die deutsche Synchronstimme wirkt wie immer falsch und seltsam. Das Gewicht der Stimme kommt auch im Plot selbst zur Geltung, da Erica durchs Radio mit der Stadt zu sprechen versucht oder sie eben nur zum Zuhören bewegen möchte.

Leider ist der Film auf obskure Art und Weise unfreiwillig komisch. Komik ist ja immer gut, aber wenn Erica ihren Peiniger mit martialischen Sprüchen zu Leibe rückt, dann klingt das seltsam. Die Gewalt wirkt gleichzeitig verstörend banal und omnipräsent. War das Absicht?

Das Ende ist wunderbar. Der Abschaum muss sterben, so oder so. Der alptraumhafte Megaplex kann mit den gegebenen Kompetenzen der Exekutive nicht gereinigt werden. Filmtechnisch geht das auch in Ordnung, weil die Schläger einfach als Tiere dargestellt werden. Sie haben nicht genug screen time um dem Zuschauer irgendwie ans Herz zu wachsen.

Ethisch gesehen wird dem Zuschauer freilich die von Hollywood gewohnte stützende Hand vorenthalten. Ericas Wut ist nicht etwas, dass durch Tränen und Geigen und Zögern und dem Überreichen der Waffe getilgt werden kann. Heulkrämpfe lösen selten die Knoten der düsteren Vergangenheit, schön wär's. Dem Polizisten Mercer wäre durch Quengeln auch nicht geholfen.

Eine Wahrheit spricht der Film gekonnt NICHT an: Selbstjustiz ist letzlich das Ende der Zivilisation. Erica will keinen Richter, Mercer auch nicht. Staatliche Institutionen erweisen sich als obsolet. Ziemlich clever gemacht. Das Superhelden-Prinzip (caped crusader und so weiter) und noch viele andere Motive sind in dem Stoff versteckt - etwa die Rolle der bewegten Bilder dank Handy-Kamera, Hautfarben und die Überschneidung urbaner Sphären.

Was würden Rudy Giuliani oder einer von den junior thugs der Rütli-Schule dazu sagen?

10/29/2007

Desperation, Mike Garris

Und nun ist tatsächlich ein TV-Movie auf DVD hier vor die Flinte gelaufen. Die bescheidenen Erwartungen wurden zumindest nicht unterschritten. Doch wenn man zuvor Romeros Klassiker schaut, dann kann diese Stephen-King-Verfilmung nur abstinken.

Nichts gegen Mr. King. Wer verkauft, hat recht. Keine Frage. Und King nimmt ja eine seltsame Rolle zwischen Roman und Film ein: Schreibt er Filme auf oder gleich Drehbücher? Bei King und seinem Unterhaltungsauftrag stehen Hoch und Tief nah beieinander. Duddits ist Klump in Text und Bild und Es beeindruckte ganze Kinderkohorten durch sein Auftauchen im TV. Shining wiederum ist grossartig in Text und Bild. Ja gut, Kubrick kann wohl auch keinen wirklich schlechten Film drehen.

Achso, Desperation: Ein Dorf in der Ödnis und eine Bedrohung aus der Unterwelt. Das King-typische Ende und ein überlebender Knabe und eine ältliche Autorengestalt. Mehr vom gleichen. Insgesamt scheint Desperation ein kleiner Remix von Night of the Living Dead zu sein, nur mit mehr Budget und der Absicht, eine familienähnliche Zielgruppe von Werbeblock zu Werbeblock zu begleiten.

Night of the Living Dead, George A. Romero

Die Zombies heissen nicht Zombies sondern Dinger. Revolutionär! Ansonsten ein höchst interessanter Film welcher wahrlich Schlüsselelemente des Genres definiert.

Die sozialkritische Lesart ist plump doch nichtsdestotrotz vorhanden. Ben ist schwarz und mobil: der Konflikt mit dem WASP mit Familie und schütterem Haar scheint vorprogrammiert. Das Ende vom Lied ist freilich düster: Die Präsenz der Untoten und ihre Wirkung auf die (noch) Lebenden verdeutlicht Misanthropie und Zweifel am Humanismus insgesamt.

Die Blonde schreit und läuft und ist ein szenenbestimmendes Ärgernis des besorgten Zuschauers. Es gibt eine Szene, in denen die Akteure sich ihre Vorgeschichte erzählen. Bens Geschichte ist eine unverfilmbare (weil viel zu teure) Action-Sequenz. Die blonde Barbra bekommt von Ben dann aber den Mund verboten, denn ihre Erzählung scheint emotional zu verstörend für ihn. Die Reinheit des Weiblichen ist Wunsch des Zuschauers und des Hauptdarstellers.

Und freilich ist der Grund für all den Terz zwischen den Sternen zu suchen. Strahlung! Infektion! Böse Aura! Dort oben sind auch bequeme Kausalrelationen nicht zu finden. Warum wir, warum jetzt? Egal - alle untot!

Immer wieder gern. Ein erfrischender Schuss ins Gehirn.

Garden State, Zach Braff

Der Film ist nach wie vor richtig, gut und wichtig. Die Hauptaussage ist aber wenig originell: Alle sind kaputt, drum tu nicht so als wärst du heil. Aber wenn in einem Film alle heile wären und blieben wäre das eh recht öde anzuschauen.

Die Bilder waren zuerst da. Grandiose Stilleben dienen den Szenen als Vorbild und die frontale Couch ist schon ein sehr amerikanisches Motiv. Die Familie sitzt in einem Boot und das Boot ist über dem Abgrund auf Sand aufgelaufen und die Familie ist trotzdem froh. Der Humor ist gänzlich anders als im Sitcom-Kosmos und ist unisolierbar mit der verhuschten Grundstimmung verknüpft.

Der erste Schnitt des Filmes war eine Stunde länger als das Endprodukt. Grossartige Dinge fehlen, wie vor allem mehr Zeit mit Vati. Solche Szenen hätten die Fabel um den Matrizid der klassischen Tragödie näher bringen können. Doch Braff hatte recht mit seinem rigorosen Einsatz der Schere: für Ausmasse à la L.A. Crash sind hier zu wenige Akteure beteiligt und die Sets zu homogen.

Trotzdem herzerwärmend. Eine andere Art von Oktober-Film.