7/12/2012

Taxi Driver, Martin Scorcese

1976! Hier und hier. Man fragt sich, ob dieser wichtige, dichte, kluge und konzentrierte Film als Reißer beworben wurde. Heute muss man erst einmal durch die verkrustete Aura von Scorcese und de Niro steigen, den wahrscheinlich größten Hausnummern der ernsten Hollywoodprodukte. Denn auf der einen Seite ist das ein Reißer, ein finsterer Einblick in die Gewalt und den Verfall urbaner Orientierung. Aber hier zwinkert niemand am Ende irgendwem zu. Da geht man nur nach Hause oder nimmt den Bus.


Das Taxi ist ein Spitzenvehikel für's Metaphern-Kloppen. Immer im Kreis fährt Travis, er kommt nie an und muss den ganzen Dreck sehen, dieses prä-Giuliani-NYC, die verkommenen Gestalten die mehrdimensional zum Himmel stinken. Das Taxi ist eine Gefängniszelle mit Rädern. De Niro's unsteter Blick zeigt, dass er das alles wahrnimmt. Er will navigieren, Ziele definieren, aber die eiterverkrusteten Betonschluchten versperren ihm die Sicht. Die Rückbank ist kein Wohnzimmer, vielleicht ein Wartesaal.


Ein herrlicher Film. Fosters Dialogzeilen sind von allerherbster Kälte durchzogen. Wurde der Babystrich für sie und diesen Film erfunden? Und Keitel muss hauptberuflich Zuhälter sein, so gut macht er das. Sogar Scorcese selbst überzeugt in einem Gastauftritt als gehörnter Aggro-Gatte auf dem Rücksitz.


Minimal (und dadurch so schmerzhaft) sind die Hinweise auf Travis' Status als verstümmelter Veteran. Er hat noch den Drang zu beschützen und schafft es eben nicht. Als knochiger kleiner Mann legt er sich gewaltige Schusswaffen zu: diese Szenen sind freilich mit das Stärkste, was diesbezüglich je im US-Kino lief. You talkin' to me? You talkin' to ME? Und dann schaut er in die Röhre, in die kleine Glotze... und der vermeintlich demokratische Weltenspiegel kippt, er schubst seine Teilhabe vom Hocker. Travis befreit sich - und bleibt trotzdem ein Schaf unter Wölfen, so dass das Ende des Films nur noch erschreckender wirkt als der angenommene Freitod. TD ist kein Reißer, eher ein Störer. Die Leidensgeschichten mit Katharsis am Ende lässt Scorcese andere erzählen.

7/10/2012

Flashpoint, Geoff Johns, Andy Kubert

Hier und hier. Hier ist ja was los. Beim Flash wird ja die seltsame Physik von Superheldencomics immer ganz besonders herausgefordert. Denn: wie schnell ist zu schnell? Muss der junge Mann in Rot nicht eigentlich von Staubflocken durchlöchert werden, wenn er so umherblitzt?

In diesem gesammelten Mehrteiler geht es um eine Speck-und-Bohne-Waswärewenn-Geschichte. Da wird einmal jemand gerettet und schon ist der Zeitfluss dahin und die Biographien bekannter Kollegen aus der Justice League sind kreuz und quer und verzerrt. Achtung, Spoiler: Batman ist zum Beispiel sein eigener alter Herr, dem man damals Frau und Sohn raubte. Superman ist als Alien-Freak jahrelang in einem Bunker isoliert worden und Aquaman und Wonder Woman teilen den Planeten in einem martialischen Krieg untereinander auf.

Flash bleibt eine Merkur-Figur: so richtig rocken kann er die Geschichte nur, indem er von Charakter zu Charakter flitzt und Dialoge in Gang bringt und die Fronten befriedet. Zeichnungen sind auch OK. Bunt und schnell. Das nächste, bitte.

7/09/2012

Cosmopolis, David Cronenberg

Hier und hier. Cosmopolis weiß zu gefallen, weil er so quer liegt. Ein unverdauliches Brikett liegt hier herum und vieles kann man daran aussetzen: diese Literaturverfilmung betont ersteres und hat Dialoge, wie sie auf der Seite Sinn machen, aber wie sie in Filmen ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit einfordern. Vielleicht könnte man bei mehrfachem Konsum das Brikett zernagen, doch warum? Das finstere Ding verspricht keinen Erkenntnisgewinn - aber vielleicht ist das schon eine zu romantische Herangehensweise an die audiovisuelle Stimulanz, die das Vertilgen von Popcorn begleitet.

Wie könnte man Delillos Vorlage beschreiben? Ein junger Mensch rauscht atemberaubend langsam durch das physische Manhattan, während er in seiner mobilen Festung, einer weißen Limousine, virtuelle Werte in Echtzeit und noch schneller quer um den Globus jagt. Episodenhaft trifft er Menschen - Masseusen, Ehefrauen, Angestellte - und zeigt dann allegorisch die Totalität der post- (oder anti-) industriellen und post- (oder maximal-) materiellen Welt. Der Film kann somit über wichtige Dinge verfügen: Autos, Schusswaffen, Rückbänke, Großstadt, Fensterheber. Fein. Es gibt kein beknacktes Gutmenschgetue, das ist auch fein. Hermetisch geschlossen wie ein modernes Auto es sein sollte. Tür zu, Welt weg.

So weit, so gut. Letztlich ist dieser Film aber leider überflüssig. Eine Transkription von Seite zu Leinwand hat nicht stattgefunden, und die Anerkennung von DCs Chuzpe rettet nur über das erste Drittel des Films. Aber es liegt vor allem am Hauptdarsteller. Der junge Mann mag ja seinen Beruf gefunden haben und sich ins Zeug legen, doch für diese Rolle, für diesen Typus Mensch ist er ungeeignet. Seltsam verkleidet wirkt das alles - zumal es ja schon einen Pat Bateman gibt, da draußen. Doch Moment, Moment! Vielleicht denkt DC wieder Meta-Meta? Vielleicht ist die Besetzung dieses Nicht-Person mit der wohl vielversprechendsten Hollywood-Prominenz ein Wink mit dem hyperintellektualisierten Zaunpfahl?! No business outside of business?

DC darf wieder etwas mit Herrn Mortensen machen. Vielleicht "Eastern Promises 2 - The Bunny Incident" oder so. Da diese Idee mit dem Autofahren in der Großstadt weiterhin so beeindruckt, stand nun der Konsum von Taxi Driver an.