10/22/2009

Go-Go Girls of the Apocalypse, Victor Gischler

Go-Go ist beschleunigte Fleischbeschau, und somit ist die Maxime dieses Romänchens auch schon genannt. Sehr kurzweilige Apokalypsenmischpoke mit flachen Charakteren, einer hinkenden Logik und Kannibalen. Maccaroni mit scharfem Käse. Mad Max mit D&D. Einhändig zu konsumieren, hu?

Gischler ist zu wünschen, dass einer der jungen Splatter-Regisseure sich seines Oevres annimmt und einen netten 90-Minüter konzipiert.

Away We Go, Sam Mendes

Zuerst hat man den Begriff "Kindheit" erfunden. Dann den Begriff "Jugend". Dann stritt man sich ob der chronologischen Grenzen und um die Restbedeutung von "Erwachsensein". Konsens scheint nun zu sein, das derjenige erwachsen ist, der Kinder bekommt. Dieses Ereignis lädt zum Rekapitulieren ein, der Beginn eines neuen Menschen ist ein biographischer Höhepunkt.

Junges Paar bekommt ein Kind und checkt die Familienmodelle von Freunden und Verwandten aus, um danach den offensichtlichen Schluss zu ziehen. Eine Odyssee mit dickem Bauch, quasi.

Sam Mendes, der kinematographisch arbeitende Familientherapeut der USA, hat AWG eher analog und knarzig und klein gefilmt. Die prominenten Nebendarsteller wirken da zum Glück nicht befremdlich, alle lassen sich auf das unabschließbare Projekt "Familie" ein. Ein schöner Film. Kein Eimer Weisheit, sondern eine Einladung zum Weiterleben.

10/20/2009

Tricks, Ridley Scott

Im Original "Matchstick Men".

Vielleicht ist das einer dieser Filme, bei denen Herr Cage Bock zum spielen hatte, die soll's ja auch geben. So könnte man erklären, dass er den ultraneurotischen Tagedieb so sympathisch spielt. Die Pointe des Films ist ein wenig wie Fight Club oder Sechster Sinn, aber das ist auch richtig so: bei jedem Trickbetrug gibt es ein großes Finale.

Sam Rockwell hätte mehr Spielraum verdient. Er ist einer von den Guten und hat das schon oft bewiesen.

You Don't Love Me Yet, Jonathan Lethem

Um Tiefe zu haben, braucht man auch eine Oberfläche. So kleinlaut huldigt Lethem diesmal der emotionalen Wahrhaftigkeit der menschlich aufgeladenen Kulturindustrie. Kleinlaut? Naja, dezent: Bei der Festung der Einsamkeit ging es um das Erhabene im Alltäglichen. Lumpige Comichelden haben den lumpigen Lebenskosmos in New York in eine epochale Mannwerdungsgeschichte und deren Schilderung geadelt. Die Festung ist ja auch ein ziemlich dickes Buch, das sich über mehrere Jahre erstreckt.

YDLMY spielt zwar nicht in NY sondern in LA aber Lethem beschreibt wieder, dass Pop eben nicht bloss ein Platzgeräusch am Rand "echter" Existenzen ist sondern deren Mörtel. Zwischen Hipness, Bandkultur und Galleriensnobbereien strauchelt die Protagonistin über die schon von Coupland geschilderten urbanen Alterszwänge. Teils ist das sehr witzig und teils infam. Aber am Ende wird alles gut, denn Lethem ist kein Zyniker. Er versucht, Tiefe aufzuzeigen, ohne dass er sie hinter allzu austauschbaren Oberflächen versteckt. Auf drollige und kurzweilige Weise schafft er das hier.