9/11/2012

The Cabin in the Woods, Joss Whedon, Drew Goddard

Hier. Jawohl, jawohl, jawohl! Der beste Film des Jahres in dieser Preisklasse. Whedon kann tolle Dinge, nicht nur Marveldisney Geld einbringen. Hier führt er unser aller Lieblingsgenre vor und fügt ihm mit Leichtigkeit zwei, drei Dimensionen hinzu. Man wagt den Vergleich mit From Dusk Til Dawn, zumindest war das Konsumerlebnis ähnlich. Eine große Gaudi mit etwas Gore, eine sehr süffisante Zurschaustellung und keine Bloßstellung der zentralen Wirklichkeit jugendlichen Filmfleisches.

Absolute Konsumpflicht, am besten jährlich.



Spoiler-Info: saD nrohniE sseil hcim rov ennoW uz nedoB neheg. llovrednuW.

9/10/2012

Dazed and Confused, Richard Linklater

Dies, nicht dies. Weil die 1990er ja so wenig zu bieten hatten lobte man sich mal wieder eine aufregendere Zeit herbei, nämlich die 1970er. Dies ist das Zeitfenster, in dem verwirrende Unterhaltungselektronik noch nicht so allgegenwärtig die Blicke leerte und man daheim vor selbiger vor sich hin kiffte. Nein, damals rottete man sich zu mehreren auf Feldern und Wiesen und unter Bäumen dazu zusammen. Überhaupt wurde mehr geredet - nicht so anstrengend in eine Richtung hinein wie in den 1960ern sondern eher performativ zum Zeitvertreib. Überhaupt teilen sich in DaC viele Leute mit. Aber niemand leidet so richtig. Das vermeintliche seelische Trauma körperlicher Züchtigung durch Ältere (die Schule ist aus und die Oberstufe verpaddelt die Mittelstufe mit derbem Hölzern) ist eigentlich gar nicht so schlimm.

Die Nähe zu American Graffiti ist verblüffend: auch hier stehen cruisende Autos mit ihren Insassen im Mittelpunkt und man weiß nicht genau ob sie ein episches Gleichnis auf moderne Menschheiten sind oder ihr Fehlen schlichtweg verstören würde. Vermutlich letzteres: Linklater hat einen sehr, sehr lockeren Film abgeliefert, der auf Sympathien baut und keine Zerwürfnisse zulässt. Sie eint die Generationen vor der Leinwand. Harmlos? Vielleicht. Boys will be boys. Bei DaC ist das ein freundliches Versprechen.

9/09/2012

Kingdom Come, Alex Ross & Mark Waid

Dieser. Ka-Boooooom! KC ist eine erdige, markante, unprätentiöse, bildgewaltige DC-Heldenorgie. Es geht freilich wieder um das Ende der Welt und um die Rolle von Helden und Vorbildern darin und wie die Kostüme innen und außen sitzen. Schon wieder ist es die nahe Zukunft, mit alternden Umhangträgern. Schon wieder müssen sie sich ganz gerontologisch kokett aufstellen und sehr kosmische Rhetoriken austauschen.

Alex Ross hat auch Earth X für Marvel gemacht, da ging es dann um die rasante Inflation der Supermenschen. Das ging auch gut, für eine Miniserie. Vielleicht ist Ross ein genuiner Meta-Comic-Macher, einer der die Grundprinzipien in wahrhaft orgiastischen Bildern herunterbricht und für zukünftige Generationen konserviert: seine Charaktere erinnern zumindest eher an antike Helden als verpeilte Teenager mit Spinnensinn. Hier ist Wucht am Werk und sogar so seltsam alberne Charaktere wie "Shazam" Captain Marvel machen Sinn und provozieren Staunen.

Pink, Gus van Sant

Dieser. Der Regisseur schreibt also ein Buch. Dieses befasst sich freilich mit dem Filmemachen und stellt die raumzeitlichen Techniken einer kinematographischen Raumfahrt in Frage. Es gibt da einen Zwischenraum, einen oszillierenden Riss, und der heißt Pink. Mit der Manipulation von Bild und Ton kann man dort eintauchen, und es ist ein bisschen wie Zen nur irgendwie hipper und der Jugend von heute gefällt es so sehr, dass sie konspirativ drum herum schleichen kann.

Kann man da nun queere Thesen heraus-/hineindestillieren? Nur, wenn man unübersichtliche Menschenpolitik gut findet. Das transversale, filmontologische Moment ist aber viel spannender: wie ist das, wenn einer die ganze Zeit "infomercials" dreht und dann auf einmal in echte Filmkunst hineinstolpert? Kommt man dann nicht unweigerlich zu kniffligen und letztlich erhabenen Fragen über Zeit, Raum, Menschen, Richtung, Bewegung, Erinnerung, Horizonte (siehe Gerry) und dergleichen? Die Künstlerkolchose des Protagonisten ist jedenfalls ein herrlicher Nährboden für derlei Ausflüge und alle Beteiligten können sich, einmal dem windigen Tagesgeschäft der Seilschaften und den PR-Projekten entkommen, den wichtigen Dingen der Existenz zuwenden. Und das geht freilich nur durch Kameras, also Gehirne.

Y: The Last Man #5, Brian K. Vaughan, Pia Guerra

Das Finale. Mit Wonne und Wehmut und Weltschmerz wirft man sich die Fluten der Zukunft und lässt eine Welt voller Östrogen zurück. Y ist eben doch nicht der allerletzte Buchstabe im Alphabet und so beinhaltet dieser Endpunkt nicht nur eine Auflösung aller Handlungsstränge sondern schafft es sogar, die ganze Gaudi auf eine neue Stufe zu heben. Eine Geschichte kann immer nur so gut sein wie ihr Ende und hier stimmt einfach alles: es wird noch einmal gestorben und gelebt, getäuscht und elaboriert, und dann wird auch noch eine vernünftige, oder zumindest plausible, Zukunftsvision in luftigen Bildern aus der Stadt der Liebe umgesetzt.

Diese armen, irren Männer. Waren die vor dem "gendercide" schon irre? Oder wird ihr Wahnsinn danach im Untergrund weitergehen? "Y" darf nie, nie fortgesetzt werden, denn dafür ist dieses Ende zu rund... an einer Verfilmung als Blockbuster sollte aber gearbeitet werden.

Deus Ex: Human Revolution, Square Enix, Eidos Montreal

Jenes. Was war das damals vor siebenhundertdreiundachtzig Jahren für ein Fest: schleichen, Sonnenbrillen, kybernetische Augmentierungen... man kann Fertigkeitspunkte in bloße Gewalt stecken oder Schleichen lernen oder beides ein bisschen. Es gibt die bekannte MultiCorp-Dystopie und Roboter und EMPs und Terminals...

Jedenfalls haben die Produzenten dieses Produktes den Reiz des Urahns verstanden und ihn zeitgemäß mit Dialogstrecken und feinen Animationen aufgebrezelt. Inhaltlich soll es ein Prequel sein. Passt auch. Ähnlich wie bei Dragon Age 2 werden die maps auch gern einmal wiederverwendet: die Zeit des hektischen Durchrennens und Abhakens sind vorbei. Diese Ökonomie mag sinnvoll sein, aber DE:HR ist so schön, so graphisch einladend, dass man sich einfach nur mehr Räume wünscht.

Das Design von Räumen, Menschen, und Gegenständen ist keineswegs übertrieben und ultrafuturistisch sondern bringt die ganze Thematik mit den kybernetischen Gliedmaßen in eine nüchterne materielle Ökonomie zwischen Teflon, Plastik, und Budget: billige Cyber sieht auch billig aus, wohingegen die drei Zwischengegner herrlich durchgestylte und sehr, sehr teure Maschinenmenschkreaturen sind. Das hat das Produkt verstanden: Kybernetik kann man als Prothese und als Erweiterung verstehen, als Pflicht und Kür und einiges dazwischen - und das sieht man auch. Sehr gut.

Freilich gibt es auch mehrere Enden zu dieser Parabel. Das Schönste veranlasst man im Nebenraum, abseits der menschelnden Fraktionspolitiken: es ist die Selbstaufgabe, die Hingabe des längst durchterritorialisierten (Protagonisten-) Körpers im Niemandsland der Arktis. Gut so.

The Lost Weekend, Billy Wilder

Hier. Prost. Dies ist keine Komödie, sonder trifft das, was man beim Begriff "Melodram" denkt. Der zentrale Trinker ist Opfer und Täter und ist sich der Zuneigung einer Frau einer nicht gewiss genug (und trinkt) oder zu gewiss (und schämt sich dessen und trinkt weiter).

Vielleicht ist TLW einer der ersten populären Spielfilme, die die Massenbeschäftigung namens Saufen in all seiner Brisanz zeigen wollte: interessant wieder der Link zum trinkenden Intellektuellen, zum tragischen Künstler. Wie lang war Hemingway's Schatten wirklich? Muss man, um einen Gatsby zu erdichten, saufen wie Fitzgerald? Ist das Licht im August eigentlich nur der morgendliche Kopfschmerz von Herrn Faulkner? Großes Leid wird also mit moralischen und ästhetischem Kapital aufgeladen und ist somit freilich vollkommen inkompatibel mit den Drogen- und den Drogenfilmen, die auf dieses Kleinod folgen werden. Nicht zu unterschätzen auch das Konzept des "trockenen" und "nassen" Alkoholikers, der sich später bei den AA(c) in einer Pseudoreligion eine neue, eigene Spiritualität erdursten kann. Aber vielleicht können so auch nur nicht-Initiierte daherreden.

Prost. Irgendwie will der Konsument jetzt eine Platte von Pantera hören.

Y: The Last Man #4, Brian K. Vaughan, Pia Guerra

Nach diesem und jenem und dem. Wird abgeliefert? Klar wird abgeliefert. Yorick erreicht immer noch nicht die verschollene Liebste in Australien und noch immer kann er als letzter männlicher Mensch nur mit Atemmasken und Vollverschleierung in die Doppel-X-Apokalypse stolpern.

Dieser Band brennt fix dahin, da in der ersten Hälfte des Epos bereits so viel Schwung gesammelt wurde, dass das dicke Ende auch herbeirasen sollte. Außerdem geht es auch zu einem großen Teil um Affenliebe und Fäkalien, da ist man freilich sehr fix bei der Sache.