11/08/2007

The Orchard Keeper, Cormac McCarthy

Diesmal das Debut. Und wie da der Faulkner aus den Seiten trieft! Somit kann man mit dem einzigen kleinen Makel beginnen: McCarthy macht das Verfolgen der Geschichte durch Rück-, Neben- und Zwischenblenden ein wenig kompliziert. Aber ist das denn schlimm? Seine Sprache hat noch nicht die famose stumpfe Gewalt entwickelt, die bei den späteren Werken so zu beeindrucken weiss. Doch trotzdem ist kein Satz zuviel in den 250 Seiten: McCarthy zeichnet Bilder vom Leben im Tod, die plumpe Morbidität nicht nötig haben. Kompliziert ist gut und Faulkner ist eher Schatten am Horizont als Kopiervorlage. Wie nur manchmal im Konsumgraben lohnt sich bei The Orchard Keeper die verstärkte Aufmerksamkeit. Es fügt sich am Ende alles zu einem wahrlich *erhabenen* Bild zusammen. Ja, erhaben. Nicht esoterisch.

Die Geschichte befasst sich mit drei Generationen von nordamerikanischen Männlichkeiten zwischen Wildnis und Kaff in den 1940ern. Der Einsiedler, der windige Alkoholschmuggler und the Kid, ein staunender Junge, treffen aufeinander. Alle haben ihren eigenen Weg durchs Gehölz und durch die Jahre - teils miteinander, teils nebeneinander. The Kid erlangte ja dann im unglaublichen Blood Meridian eine Schlüsselrolle im Gesamtwerk.

Gewaltige Symbole können schnell angelegt werden. Das Buch ist gemäss der vier Jahreszeiten geordnet: Regen und Erdrutsch, Kälte und brechendes Eis. Die Rolle der Tiere ist nicht zu unterschätzen. Ein Kopfgeld für Greifvögel, ein halbblinder Hund und eine Katze, die aus dem verfallenden Haus auszieht.

McCarthy ist unvergleichlich da er über einen Ort schreibt, der die Kategorien "ehrlich" und "echt" nicht anerkennen kann. Ein ununterschätzbarer, wichtiger, grosser Autor. Mehr, mehr, mehr. Hier sitzt ein Fan, der noch enttäuscht werden muss.

Plan 9 From Outer Space, Edward D. Wood, Jr.

Dass man landauf landab hier vom "schlechtesten Film aller Zeiten" spricht, sagt ja schon einiges aus. Allein das Wissen darum drängt den Konsumenten in die Nerd-Ecke. Es impliziert auch, dass es irgendwo überhaupt gute Filme gibt.

Plan 9 enttäuscht tatsächlich unausgesprochene Erwartungen, wodurch selbige Selbstverständlichkeiten erst offengelegt werden. Dekonstruktion deluxe. Die Schnitte sitzen arg schief, der Plot ist recht sinnfrei und die Dialoge schlichtweg bizarr. Das macht den Film auf seltsame Art und Weise wertvoll: seine debile Konzeption erzeugt ein gutes, braves Kichern. Man bestaunt die Drolligkeit der Bemühungen aller Beteiligten. Ein wahrlich einmaliges, weil unvergleichliches Erlebnis. "Grabräuber aus dem Weltall" sollte er eigentlich heissen. Da muss man mal drauf kommen.

Wie immer ist die Geschichte hinter der Geschichte um einiges interessanter: das Leben und Streben des Mr. Wood oder seiner Darsteller etwa. Die auf der DVD befindliche Dokumentation läuft genauso lang wie der Hauptfilm und steht jenem an Unterhaltungswert in nichts nach.

Der Werdegang von Bela Lugosi ist recht aufschlussreich, um die menschenfressenden Qualitäten der Unterhaltungsfabrik anzudenken. Nach dessen Ableben wurde er hier prompt durch seinen Chiropraktiker ersetzt. Hauptsache, das Dracula-Cape sitzt. Asche zu Asche, Pappe zu Pappe. Ein ehrlicher Film und somit lange nicht so furchtbar wie Independence Day und Konsorten.

11/07/2007

Halloween, Rob Zombie

Ein Werktags-Hackstückchen, kein Samstags-Superhorror-Couchversteck-Brett.

Und ein wenig beklemmend ist es schon. Slasherfilme sind ja ähnlich wie Fussball im TV, doch ihr Recycling durch einem offensichtlich sehr, sehr enthusiastischen Regisseur verstört etwas. Die erschreckend simplen Erklärungsversuche stossen dem Hobby-Humanisten hier besonders übel auf: wütendes Kind, böser Mann. Das Umfeld ist schuld, *gähn*. Rein cinematographisch ist die Geschichte des jungen Mike aber noch am spannendsten. Daeg Faerch spielt den babyspeckigen Strähnfrisur-Killer so gut, dass man Angst um seine geistige Gesundheit haben darf.

Derartige Filme predigen die Dualismen in einer ansonsten konfusen Welt. Myers ist stumm und in seiner Rolle als Naturgewalt der Welt entrückt. Die Opfer hingegen sind umso fleischlicher: Sie schreien, erstreben Stuhlgang oder werden im Laufe des Films immer ramponierter. Konsequenz und Hysterie, quasi.

Eine Symbolik, die sich bei den lieben Kleinen fortsetzt, als Mike schon erwachsen und der Zelle entkommen ist: der kleine Junge ist als Tod geschminkt (ein Knochengesicht hat keine Mimik und ist nur kühle Materie) und das kleine Mädchen als antike Königin. Er stellt die stumpfe Wahrheit des Sterbens dar, sie steht (hier aber auf harmlose Art und Weise) für das (Aus-)Schmücken des Lebens. Schluss mit dem gender-bending! Hurra! Klare Qualifikationsverteilungen! Nochmal ein bisschen *gähn*.

Insgesamt ist das Werk keineswegs revolutionär. Vor allem die zweite Hälfte ist zwar sehr laut doch recht spannungsarm. Einige Schnittfehler sind doch allzu offensichtlich. Der Film macht nicht Spass genug, um den eisernen Humanisten johlen zu lassen.

Immerhin bleibt die Marke Myers somit im Pulp-Kosmos erhalten. Einmal im Jahr darf man sich das ja leisten, solange man den Rest des Jahres mit good clean fun füllt.

11/04/2007

Tannöd, Andrea M. Schenkel

Im Wald, da sind die Räuber. Zwischen den Wäldern sind die einsamen Gehöfte. Die Geschichte trägt sich in der deutschen Provinz der 50er Jahre zu, eine unheimlich-schattenhafte Welt der Grosseltern zwischen dem Kriegsende und weit weg vom Wirtschaftswunder. Und freilich haben dann Verbrechen, die in jener temporal-spatialen Einsamkeit geschehen, eine ganz eigene Aura. Eine Hof-Besatzung wird dahingemetzelt und fragmentarische Augenzeugenberichte erschliessen dann den Tathergang für den Leser.

Könnte es sein, dass dies ein Bestseller ist, weil gestresste Städter nicht wirklich Zeit für normale Text-Längen haben? Jene läsen dann Tannöd um bei feinem Grusel die Unzulänglichkeiten im eigenen Lebenskosmos spielerisch auszuloten. Schenkel schreibt wunderbar und ein paar Seiten mehr hätten dem Werk bestimmt nicht geschadet.

Für die einen ist es nur Krimi, doch das ganze schürft schon ein wenig tiefer. Es bedient sich der Linien zwischen Einsamkeit, Verantwortung, Gemeinschaft und Legenden. Tannöd ist weder Herbstmilch noch Pater Brown in Bayern sondern ein auch an Schlafes Bruder erinnerndes feines kleines Textlein deutscher Neben-Geschichte. Ob das den Hype rechtfertigt?

"Stadl" heisst übrigens "Scheune." Das ist gut zu wissen.