4/04/2008

Be Kind Rewind, Michel Gondry

Monsieur Gondry, der u. a. schon mit Science of Sleep und Eternal Sunshine verwirr-zauberte, steigert sich und hat eine knuddelig-drollige Komödie/Elegie aufs Nach- und Selbermachen verfasst.

Def und Black und Glover sind sympathisch, doch interessant ist vor allem das Ideengerüst, mit dem Gondry hantiert. Er befasst sich mit der klassischen Idee von Form und Inhalt beim "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" sowie Medialität und Nerdology. Im Mainstream harrende Bildbrocken wie eben jene Hollywoodemissionen, die dann in Videotheken restverwertet werden, werden offensichtlichst kopiert: aber wo fängt die Hommage an, wo die Raubkopie, und wie steht es ingesamt um die Kunstwertigkeit solcher U-Manifeste wie Ghostbusters und Rush Hour 2? Kann denn aus der Not geborene Kreativität böse sein?

Gondry hat aber auch keinen direkten Pamphlet gegen die obskuren Juristereien im Lizenzen-Dschungel verfasst (Sigourney !!) sondern meditiert einfach auf unsagbar freundliche Art und Weise über die Kunst des Geschichtenerzählens und die Rolle selbiger im Leben der Zielgruppe. Es geht letztlich quasi um die Konsumenten, die sich im Graben ein wenig ausruhen von dem Fernverkehr jenseits der Böschung.

Sehr interessant ist die Rolle der Afro-Amerikanischen Kultur hier: im Film ist es die (fiktive) Geschichte eines Jazz-Musikers, der Glover durch den Tag rettet. Die jüngere schwarz(Def)-weiße(Black, ha! Aber bestimmt nur Zufall...) greift auf den gesamten ollen Hollywood-Kram zurück, um sich die Freizeit zu füllen und zu teilen. Eine Kultur entsteht, die jedwede simple Hierarchien durcheinander haut.

Eine Darstellung von sog. "Massenkultur" ohne fies-metallischen Beigeschmack. Starkes Zeug.

Mit ein wenig Pappe und Klebstoff bringt Gondry soviel Inhalt in so wenig Zeit. Merci. Leider wird die zweite Filmhälfte ein wenig emotional: das Selbstgedrehte ist so gut, dass man die Rahmenhandlung fast ein wenig aus den Augen verliert. Da die Idee des "schwedens" zu gut ist: Hier gehts zu weiteren geschwedeten Filmen.

Sweeney Todd, Tim Burton

Der teuflische Barbier aus Londons Fleet Street wurde bereits in mehreren Werken bearbeitet und Burtons Film ist somit auch nur einer unter vielen. Ähnlich war es ja auch mit dem grandiosen Sleepy Hollow. Das Motiv der Rache und der Vergeltung ist wieder die Plot-Turbine. Aber hier spielt auch noch Sacha Baron Cohen (Unvergessen: Borat!) mit.

Vor allem optisch gibt's Sättigung: dank Prozessorenleistung entsteht ein düstergraues London welches jedweder Hygiene und Hoffnung entbehrt. Bonham Carter und Depp tragen ihre Kostüme nicht wie Spione im Gothrockkonzert sondern als wären sie für Manschetten und Rüschen geboren. Aber das kennt man ja bei denen.

Achja: die singen. Operettenhaft klabautert man sich durch die Szenen und auf überraschend kurzweilige Art und Weise. Da der Film eine einzige Übertreibung ist, kommt die breitgeränderte Theatralik hierbei sehr gelegen. Dazu blitzen die Messer blitzen sehr hübsch, bevor sie sich in Kehlen senken: der rigorose Einsatz von Blut verhindert, dass dieser Musical-Mutant bei der dankbaren Zielgruppe kleiner Singstar-Mädchen ankommen wird. Burtons Chefs hatten da sicherlich arge Bedenken.

Insgesamt ist Sweeney Todd natürlich auch ein Wirtschaftskrimi. Doch, klar! Rasiermesser und Restaurants gibt es nur in Städten, wo die Lebenswelt sich ausfasert und eine unheilige Nähe mit anderen Menschen gehalten werden muss. London ist nicht nur voller Wunder, sondern vor allem voller Fäkalien, die sich unter den Straßen ihren Weg zur Themse suchen. Des Mörderbarbiers Müllschlucker ist der Zulieferer für die Kochtöpfe im Erdgeschoss. Somit geht es in der modernen Stadtwirtschaft eigentlich nur um das möglichst effektive Verstecken von Abfall. Das Geschäft brummt, wenn Fleisch den Weg des Fleisches zurück zum Fleisch geht. Tiny Tim am Menschenfleischwolf symbolisiert freilich die Arbeiterklasse, die durch den Fund der Leichenteile erst Einblicke in die größere Maschinerie erhält.

Danke, Mr. Burton. Singen und Schlitzen reimt sich doch. Was Friseure können, können nur Friseure.

4/01/2008

True Romance, Tony Scott

True Romance ist ein Schlüsselfilm, denn er weist maßgeblich auf die kleine Revolution hin, die Tarantino und einige andere in Hollywood auslösten. Des Weiteren sind dermaßen illustre Schauspieler an dem Werk beteiligt, dass man das Universum der Filmindustrie-Seilschaften wunderbar verstehen kann. Warum spielte hier eigentlich Kevin Bacon nicht mit?

Tony Scott war zwar für Beverly Hills Cop 2 verantwortlich, aber auch für den Last Boy Scout. Beides sind Standardwerke, die eine junge Generation Krachkinokunden bereits im TV konsumiert und auf denen ihre Kriterien für gelungene Unterhaltung aufbauen. True Romance als Film beschreibt großartigerweise genau diesen Prozess, ohne dabei pädagogisch zu wirken (das verhindert schon der exzessive Kunstbluteinsatz, doch letzten Endes ist True Romance lediglich ein "radikalisierter" Actionfilm).

Also kurz zur Sache, Schätzchen, um jenen Punkt kurz klar zu machen: Die Wahre Liebe die in diesem brachialblutigen Werk zelebriert wird ist die verzweifelte Sehnsucht des amerikanischen Popcorn-Bürgers. Spider-Man #1 wird hier zur Bundeslade, Elvis ist der Heilige Geist, der wahre King halt, der regiert und befiehlt und dessen Antlitz seine Umgebung erleuchten lässt. Dem King folgt man bis in den Tod.

Umso schmuddeliger wirkt die Geschichte, zumal es ja mal wieder um den im Allgemeinen aber nicht im Speziellen geächteten Unterhaltungsstoff namens Kokain geht. Fluchtpunkt ist freilich Mexiko - ein Land, das dem pinken Plastik der US-Unterhaltungsindustrie weit weniger ausgesetzt ist. Unser Held verliert auch ein Auge und kann somit weniger zweidimensionale Ikonen betrachten.

Und erlöse uns von der Ablenkung, die wir im verschneiten Detroit so dringend brauchen.

Achso: der Drogenkurier, der sich nach dem Looping übergibt, spielt auch in einer Sitcom mit Patrick Duffy mit, oder? Das erdet einen doch.