12/29/2007

Into the Wild, Jon Krakauer

Coming of Age, schon wieder. Doch nein: eher gleich Coming of Death. Krakauer hat ein längeres journalistisches Essay geschrieben welches Leben und Ableben des zornigen jungen Mannes Chris beleuchtet. Selbiger reiste mit Tolstoi, Gogol und einer second-hand-Flinte in die Wildnis Alaskas und verhungerte dort in dem Wrack eines Busses. Jaja, die wilden neunziger.

So weit, so finster die Geschichte. Doch sie ist doppelbödig. Gab es Chris wirklich? Schreibt Krakauer als Krakauer? Hier wurde absichtlich keinerlei Recherche betrieben, um die Lektüre so nüchtern wie möglich zu gestalten. Kann alles stimmen, muss aber nicht.

Zwei gequälte Seelen. Zum einen ist da Chris: zuviel gelesen, zuviel gezweifelt, zu sehr in die Arme des sibirisch-markigen Literaturpatriarchats getrieben. Jahre trampt er umher ohne wirkliche Ahnung. Er feiert sich selbst und stirbt jämmerlich. Er hat Jack London nie als großen Leider begriffen. Der Elch ist eigentlich ein Karibu und Inkompetenz kann nur zu den falschen Früchten führen. Zum anderen ist da Krakauer: als Alpinist, Naturbursche und Investigator steht er sich Fragen bezüglich Chris’ Drama und kommt letztlich bei sich selber an.

Warum muss (junge) Männlichkeit sich der Natur so unwirsch nähern? Sucht Mann Absolution, Ernüchterung oder Rausch? Der Autor benennt viele ähnliche Schicksale und Bedürfnisse: er erwähnt auch Thoreau und Konsorten nicht nur beiläufig. Wie legitim sind Nationalparks als Fight Clubs? Into the Wild ist das erste Werk, das von Chuck Palahniuks Lektüreliste konsumiert wurde.

Achso: bald kommt der Film. Der Weg wird kein leichter sein, denn Sean Penn wird einem wohl das Herzlein brechen. Den Soundtrack machte Eddie Vedder, der Anfang der neunziger auch einiges um die Ohren hatte.

300, Zack Snyder

Doch, das ist ein Weihnachtsfilm. Denn zu Weihnachten ist die Welt auf die Stabilität des Zuhauses reduziert und die Welt sinkt in leise simmernde Dümpfe hinab. Und dumpf, hui, das ist 300 mit Wonne und Pracht. Die eigene Plautze wird zum Rollcontainer bei soviel Pfunden Kriegsfleisch, aber egal: die sterben da und wir hier beileibe (ha!) nicht.

Der Film macht immer noch Spaß, so wie eben Comics Spaß machen können. Die zahlreichen Verwurstungen des Neo-Grind-Schinkens machen natürlich auch Spaß. Vor allem South Park wäre da zu nennen: der gender-gebendete Mr. (also Mrs.) Garrison wird lesbisch und verteidigt seine neue Lieblingsbar gegen die neuen persischen Besitzer. Ausgezeichnet. Spaß, Spaß, Spaß.

Es sei noch bemerkt, dass die Verwurstung von alten Spielzeugserien recht lukrativ ist. Somit bleibt zu hoffen, dass Transformers 2 von einem zeitgemäßen He-Man gefolgt wird. Hope dies last, sucker. Die Gerüchte sind jedenfalls da draußen und Skeletor ist bestimmt voll gruselig, im Gesicht und so. Fast wie ein Perser.

Suttree, Cormac McCarthy, pt. 2

Am Ende merkt man, dass Suttree nicht als enger Plot sondern als collagenhaftes Panorama geschrieben wurde. Aber selten ist das so großartig wie hier.

Nach diversen weiteren Eskapaden verschwindet Suttree. Ein Toter liegt in seinem Bett und der Morast schluckt seine Spuren. Zuvor war er in die Stadt gezogen, ist mit einer Prostituierten zusammengekommen und wurde sehr krank. Die Stadt hat ihn vergiftet und sein Leben am Fluss unmöglich gemacht. Das Gift mag er ausgespien haben, doch ein kalter Fleck bleibt.

In seinem Romanen bewegen sich McCarthys Protagonisten entweder zwischen Wüstenstaub oder Uferschlamm. Letzterer wird bei Suttree mehr als nur geworfen. So wie bei Blood Meridian etwa die Wüstensonne das Leiden in die Knochen hineintrocknet so dringt die alte Nässe des Flusses durch die Haut der Schiffbrüchigen und trübt Sicht und Seele gleichermaßen.

Ein weiteres herrliches, weises und wichtiges Buch von McCarthy. In einigen Jahren wird es wieder gelesen. Mal sehen, was es dann anrichtet.

Welch unverhohlener Hype.

12/23/2007

Leben mit Fleisch

Es gibt ein frisches Magazin da draußen welches dem Geist des Konsumgrabens in vielerlei Hinsicht entspricht.

Es ist das meatpaper und kommt sowohl geschnitten als auch am Stück. Auf den ersten Blick scheint es aber über derlei Kalauer erhaben zu sein. Im Geleitwort fasst man zusammen: "It’s a full-blown fleischgeist out there."

In der Zwischenzeit wurde Suttree fast fast fast ausgelesen. Einige Kapitel mussten vor lauter Frohlockung doppelt gelesen, einige Sätze laut gesprochen werden. Die nächste Sitzung bringt die letzten Seiten und unter konvulsischen Zuckungen wird hier dann auch ein Abschlusswort vermerkt.

So. Immer noch keine Bescherung. Hoffentlich schieben die Raupen mit den Gaben den Graben nicht ganz zu, so dass ein Durchkommen noch möglich ist. Stillstand ist der Tod und Fleisch ist auch nur eine flüchtige Molekülkombination.

Es ist immer Mahlzeit.

12/20/2007

Saisonbedingte Ausfälle

Zu gewissen Zeiten im Kalendarjahr muss man sich stetig präsenten Ängsten stellen. Und es gibt ja zweifellos wenige Menschen auf der Welt die bedrohlicher sind als Billy Idol. Das war so und das wird immer so sein.

Billy ist mit der Gabe der Lungenentzündungsimmunität gesegnet. Deswegen braucht Billy auch nie einen Schal oder die oberen fünf Knöpfe vom Hemd. Billy hat nie etwas zu verschenken gehabt und sein Musikant trägt die Sonnenbrille nur weil Billy ihm soeben die Augen herauskaute.

Billy freut sich so weil hinter der Kamera ein Bus voller Klosterschüler brennt.



Ist das ein Symptom? Ist das ein Zeichen? Ist das die letzte Warnung oder der Anfang vom Ende? Hoffentlich ist Billy auf unserer Seite.

Mehr infame Jahresendzeittracks bei der Times Online.

Todeszug nach Yuma, James Mangold

Warum Western? Weil sie das wohl gnädigste Vehikel für klassische Dramatik sind. Die Bühne ist vorgefertigt und jedes neue Werk kann sich wahlweise ins Genre einnisten oder es in Frage stellen.

Mangold hat auch Cop Land und Walk the Line gemacht. Die Stilisierung von hadernden Herren scheint ihm im Blut zu liegen. Hier sind es Bale und Crowe, die sich ein knackiges Duell liefern, wie es in so vielen Western abläuft: der ehrliche Farmer ist verkrüppelt und arm und nur der Gesetzlose kann sich kultivieren und sich die Freiheit nehmen, die das Land verspricht. Wie bei Jesse James wird die Frage der nachwachsenden Männlichkeiten auch angesprochen: der respektlose Farmerssohn lernt seine Lektion doch der psychopathische Robin des Gangsters hat keine Zukunft mit seinem haltlosen Lebensstil. Unheil ist für alle da, doch nur einige haben die richtigen Strategien dagegen.

Yuma hat jede Menge Abstand zu Jesse James, Western/Fanboy-Schema/Todeszelebration hin oder her. Yuma ist griffiger, ruppiger und geradliniger. Die Bilder von Jesse sind herber, frischer und verstörend elegisch. Aber Kumpanenwirtschaft, die Logik von Revolvern und Dynamit sowie die tickende Uhr bleiben Grundmotive in Yuma und anderswo.

12/17/2007

Suttree, Cormac McCarthy

Wie kann das sein? Wie macht er das?

Das große Bild ist der Fluss. Ja klar, gähn-gähn. Aber nein.

Manche leben unter Brücken, manche werden hier ihren Müll los. Andere brechen winters ins Eis und verschwinden. Dann sind da noch Fischer wie Suttree: sein Hausboot steht im stehenden Gewässer.

Suttree ist ungebunden und somit haltlos. Da waren nie Stricke die hätten reißen können. Unter den Menschen ist der Sumpf. Wo hört das schwarze Wasser auf und wo fängt die Erde an? Manchmal tritt der Fluss über die Ufer und frisst eine Straße oder unterhöhlt den Friedhof und versenkt Grabsteine. Die Menschen sind blinde, einfarbige Insekten, die zwischen Provisorien und Fäkalien arbeiten, saufen und strampeln.

Im Knast lernt Suttree Gene kennen, einen Menschen der bald zum Child of God werden kann. Das Attribut "einfach" hat schon zuviele Silben, um ihn zu beschreiben. Wie er versucht, ein waidwundes Schwein mit einem Zinneimer und einem Holzscheit zu erschlagen, ist atemberaubend. Oder die Sache mit den 42 Fledermäusen.

Vielfarbige Galle ist und bleibt ein Thema.

Faulkner war nie so sichtbar wie hier. Diese Sprache: grob und körnig und treffend und schwarze Löcher reißend. Das Unwort "Erhaben" geistert herum, aber nein: das würde ja heißen, das Verstand und Vernunft irgendwie beteiligt wären. McCarthy schreibt nicht für Menschen. Harold Bloom nennt ihn den wichtigsten alten weißen Literaten der USA neben Roth, Pynchon und Delillo. Recht so. Bei Suttree ist der Leser eines der Insekten, das nur kurz in jenem Kosmos zu Besuch ist, ohne ihn ganz zu verstehen.

Und das verstörendste daran ist der humoristische Einschlag. Jawohl, Suttree ist irgendwie komisch. Wie kann das sein?

Dieser Eintrag mag verfrüht sein, denn er entsteht auf halber Strecke. Suttree ist eines der wenigen Bücher, bei denen das Umblättern weh tut weil man damit dem Ende näher kommt.

Jagut, das mag nur eine effiziente Selbsthypnose sein. Keiner ist wie Cormac und der Enthusiasmus lässt sich nur schwer zügeln.

Kaufen, fressen, lachen, weinen.

12/12/2007

Gone Baby Gone, Ben Affleck

Es wird schon deutlich, dass die Geschichte vom Verursacher von Mystic River kommt. Aber auch ohne Sean Penn ist Gone Baby Gone ordentlich.

Die Motive sind bekannt doch der Fokus liegt zwingend auf der Darstellung der traumfreien amerikanischen Unterschicht. Gone Baby Gone befasst sich sehr explizit mit weissem Müll und Affleck (verdammt, ja!) stellt die Bilder so zusammen, dass man das billige Plastik und den kalten Rauch fast riechen kann. Der Showdown muss dabei im Grünen stattfinden.

Aber obacht: Dies ist ein fast schon altmodisch-moralischer Film und das ist man (zumindest im Graben) nicht gewohnt. Hier gibt es auch Gangster aber es sind nicht die bösen Absichten, die sich verstecken, sondern die guten. Das macht die Sache nicht einfacher und das ist spannend zu beobachten.

Noch was zu Casey: Jesse James' größtem Fan gelingt die Wandlung zum außerordentlichen Ermittler durchaus. Die wässrigen Augen sind nicht nur zum Staunen gut und zusammen mit Michelle Monaghan wirkt er von Anfang an als geschundene, aber ehrliche Haut.

Es sei noch gesagt, dass Shutter Island auch von Lehane ist. Wer mag da wohl die Filmrechte dran erworben haben? Genau der.

12/10/2007

A Long Way Down, Nick Hornby

Der Abbruch kam auf Seite vierundvierzig. Konzept klingt gut, aber die Gier auf die anderen Titel im Regal ist zu stark. Bei High Fidelity war damals die Aufmerksamkeit schon auf Seite zwei gesichert.

Vielleicht später, im nächsten Jahr.

12/09/2007

American Gangster, Ridley Scott

Breitwand! 70er! Viel Budget! Ridley Scott und seine Mitarbeiter wollen einen Oscar. Oder mehrere. Die heimliche Hauptrolle hat aber mal wieder die Bühne: der New Yorker Sprawl ist der Ort an dem die Helden hausen. Hier ist der Schmutz und hier muss man mit verwischten Grenzen leben: Korruption hat den Asphalt unterhöhlt und macht die Herren grimmig und knirschend. Die Fasern sind toll. Alles ist abgewetzt und stumpf. Schweiß, Blut, H, Rauch, Pfützen aller Art und Kies. Man beachte außerdem, wieviel Zucker der schwarze Pate in seinen Kaffee macht!

Die Schwarz-Weiss-Semantik wird zugegebendermaßen sehr ausgespielt. Der schwarze Gangster, der weiße Cop. Der eine ist sauber in optischer Hinsicht, der andere in moralischer. Diese Gegenüberstellung wird aber nicht flach, denn Crowe beziehungsweise Washington spielen ernsthaft und füllen nicht nur ihre Kostüme aus. Vor allem aber rennt der Film nicht der wahren Geschichte hinterher beziehungsweise vergewaltigt sie auch nicht. Ja gut, diesbezüglich müsste man jetzt den echten Gangster fragen. Das Ding fließt jedenfalls voran.

Und der Gangster an sich achtet ja nicht wirklich auf PC, also auch dieser Film nicht. Dass der Alt-Mobster und sein drogendealender Nachfolger für manche mit MLK verglichen werden kann nur übel aufstoßen. Dass Uniformen nicht für Loyalität stehen verunsichert noch weiter. Blöd nur, dass der Film auf Tatsachen beruhen soll. Hell, yes: Geschichte ist noir und teils stockfinster. Beim American Gangster kommt's recht dicke.

Gleich in den ersten Minuten fliegt Blut auf Badezimmerkacheln. Das kann ja nur ein Verweis an den beängstigend auratischen Scarface sein. Tradition verpflichtet. Der Gangster ist mehr als ein gieriger Bandit, er scheint die amerikanischste aller Lebensstil-Ikonen zu sein, wie schon bei Jesse James hier angemerkt wurde.

Inland Empire, David Lynch

Uh, Mr. Lynch, seien Sie sanft. Au, nicht so doll. Au! Nein! Aufhören! Langsamer! Iiih, das schabt! Verflixt noch mal! Wieso machen Sie das immer wieder? Ach, verflucht.

Inland Empire ist vom Umfang her sicherlich ein Hauptwerk von Herrn Lynch. Er hat aber bisher immer bizarr-schöne Bilder aufgefahren, um das Interesse und die Faszination des Zuschauers zu wecken und zu halten. Er bot Szenen als Inseln zum Herumspringen. Hier geht das aber eher schlecht. Bei fast drei Stunden Spielzeit geht einfach alles unter. Der einzige optische Anker, den man hat, ist Laura Dern. Die macht das alles toll aber sie kann nicht zur Re-Vision des Werkes verleiten. Lynch hat sich selbst dekonstruiert, er hat aus mehreren Teilprojekten einen Film gebaut und absichtlich so viele Links und Klammern in den Plot eingefügt, dass er zum Ende hin zerfasert.

Vergleich zu Lost Highway: Hier geht es um klassischere Detektivromankonstruktionen, wenn auch in Fragmenten. Die Töne sind hier deutlich maskuliner (wenn auch als Klischee): Frau Arquette ist die Hyper-Ische schlechthin. Einer der Helden ist ein viriler Automechaniker, der andere ein Jazz-Mann mit offenem Kragen. Aggressionen werden mit Marylin Manson und Rammstein unterlegt.

Inland Empire hat jetzt Beck im Programm. Beck passt derweil allzu gut ins Nerd-Chic-Hollywood und ist weit weg von wuchtiger Plakation. Beck ist un-gothic und das ist schön für ihn aber auch schade.

Die Newtonisten wird Inland Empire mehr aufregen als die Derridarianer, aber selbst letztere könnten die Spielzeit auch nutzen, um ein nettes Buch zu lesen.

Beim Inhalt kann man (wie so oft) seine eigenen Wahrheiten finden. Hier eine Option: Laura/Nicki ist der Filmstar, die Ikone, die die eingangs gezeigte Zuschauerin benutzt, um ihr Unterbewusstes aufzuräumen. Probleme hat sie ja, denn polnische Oger kloppen sie ins Gesicht. Der TV-Schirm bzw. die Leinwand werden zum Spiegel (auweia, Lacanisten haben hier eh viel zu kauen), nicht nur für die Zuschauerin, sondern auch für die Schauspielerin. Ein Film im Film, gefilmt als Film mit filmischen Mitteln. Wer spielt, wer schaut zu? Das sind die üblichen Fragen, die gestellt werden. Hatte Lynch die Hollywoodhölle nicht schon in Mulholland Drive eindringlich dargestellt?

Symbolisch fallen hier vor allem Innenräume auf, die es zu erforschen gilt. Hallen, Zimmer, Flure, Gänge und Türen sind eine überdeutliche Metapher für erzwungenen und vorenthaltenen Zugang. Bei Lost Highway gibts Autos und der echte Mulholland Drive ist eine schlingernde Serpentine am Rande des Wunderlands. Inland Empire ist eine Totalität und führt somit zu Stagnation auf hohem Niveau. "Da ist mehr" wird an einer Stelle gehaucht. Wieviel "mehr" verträgt das Auge bzw. der suchende Blick?

Aber die Häschen rocken arg.

12/06/2007

Confessions of a Dangerous Mind, George Clooney

Was verbindet dumpfe Fernsehunterhaltung und Geheimdienstmorde? Sex natürlich.

Der Erfinder des Herzblatt-Konzepts kann ja sowieso kein glücklicher Mensch gewesen sein. Und Fernsehmenschen traut man ja den einen oder anderen Mord schon zu. Allerdings trauert man professionellen Mistproduzenten auch nicht wirklich hinterher. Glauben kann man denen auch nicht, somit sind ihre Geständnisse höchstens schmuddelige Wahnvorstellungen. US-TV im 20. Jahrhundert hat Clooney auch noch einmal ein wenig nüchterner verarbeitet, mit "Good Night and Good Luck".

Sam Rockwell und Drew Barrymore (sind die sich nicht schon beim absurden "Charlie's Angels" begegnet?) sind goldig bis genial, Clooneys Freundeskreis reiht sich brav und stimmig ins Werk ein. Der Film ist jenseits von erzwungener Coolness und auch keine dröge Geschichtsstunde. Unterhaltsam weil verkatert-gebeutelt. Besser als Fernsehen.

Sphären I - Blasen, Peter Sloterdijk

Kein Roman, neinein, also auch keine Geschichte. Oder? Dochdoch! Herr Sloterdijk erzählt die Geschichte vom Raum - Weg von der Diktatur der Geschichtlichkeit und hin zu den weiten Feldern, die sich zwischen Gesichtern aufspannen, im Selbst, im Mutterleib und sonstwo.

Damit hat er die Haupt-Direktive modernder Romanciers erfüllt: nimm was simples und mach was episches draus. Ideenmarktlückenfüllung also? Das kann nicht im Graben sitzend entschieden werden.

"Sein und Raum" statt "Sein und Zeit", schreibt er, aber Heidegger wird eher erweitert als korrigiert. Jedenfalls scheint es so.

Herr S. ist kein Anthropologe und somit ist seine Raumgeschichte auch nicht chronologisch. Die einzelnen Kapitel, durchsetzt mit Exkursen, regen eher jeweils für sich dazu an, Räume neu (oder überhaupt) in variabler Theorietiefe zu denken. Erhellend ist die Lektüre allemal. Prächtig sind die kulturgeschichtlichen Beispiele und die Illustrationen. Eine wahre Schande ist es allerdings, dass bei dem Preis keine Kolorierung der Bilder drin war.

Überhaupt das Layout. Alle stöhnen über den Umfang der Trilogie, aber eigentlich ist das Ding künstlich aufgeblasen. Die Schrift ist riesig, das Format auf schwer getrimmt. Wahrscheinlich ist das bei S.'s Prominenz eine Bringschuld. Oder, mit Rückgriff auf das Thema Raum: nur, was genug Luft verdrängt kann auch genug Platz für zeitlose Gedankenreinheit bieten.

Herr S. schreibt sehr lebendig und entschuldigt sich (zu Recht) an keiner Stelle für seinen weitreichenden Wortschatz. Das trägt zu dem Unterhaltungswert des Werkes bei. Er reiht sich in keine Fachdebatte ein und schließt keinen interessierten, aber uninformierten Leser aus (so wie er hier im Graben sitzt und blättert). Ist Peter S. etwa der deutsche Umberto U.? Und soll das ein Gesichtspunkt für das Sphärenlesen sein?

Der nächste Band befasst sich mit den Räumen da draussen, den Atlanten. Der erste Band der Trilogie verursachte keinen Argwohn. Sphären I scheint wie ein sehr selbstsicheres Sprungbrett, eine gelungene erste Raumfahrt. Aber vielleicht sollte sie doch eher erstmal zu Heidegger führen, bevor man sich der Kartographie zuwendet. Bei manchen Geschichten machen die Hausaufgaben mehr Spaß als das spätere Abfragen.

12/05/2007

Mr. Brooks, Bruce A. Evans

Na sowas. Kevin Michael Costner glänzt und Moore auch und der Film thrillert gut voran bis zum Schluss.

Dabei fällt auf, wieviel Genre-Kenntnis das Drehbuch beim Zuschauer anscheinend schon vorraussetzt. Der Film hält sich nicht lange mit Erklärungen auf sondern schildert fix die Verschlitterungen der einzelnen Charaktere. Großartig ist die Spannung/Komplizenschaft von Brooks und Marshall.

Mr. Brooks hat zahlreiche prominente Vorbilder, die allesamt erkannt werden können aber trotzdem wirkt er nicht wie eine simple Hi-Fi-Kopie. Training Day, Fight Club, American Psycho und weitere Werke waren den Autoren bekannt. Aber das ist schon OK so. Mit ganz viel Wohlwollen kann man sogar (nicht nur wegen William Hurt) eine leichte Nuance von History of Violence erkennen, Cronenbergs Geschenk von 2005.

Ach, der Schluss. Der Epilog mit dem Alptraum ist ein wenig weich - ein echtes Ende mit großem E wäre konsequenter gewesen. Nächstes Mal. Ansonsten aber angenehm RTL-Kino-Sonntag-inkompatibel (nagut, die Hoffnung stirbt zuletzt).

Elizabeth Costello, J.M. Coetzee

Genialität ist ein schweres Wort, doch es mag hier treffend sein. Der Kurzroman ist ein Proseminar der Geisteswissenschaften. Coetzee stellt Grundprobleme dar deren Besprechungen jeweils schon seit Jahrhunderten ganze Bibliotheken füllen. Es geht um die Tätigkeit des Lesens, des Schreibens und um die Position des Menschen dabei in der Mitte oder am Rand. Herr Coetzee, wer hat Ihnen das beigebracht?

Disgrace war schon so ein Kunstück: da hat er die Agonie und die Tiefe der postkolonialen Epoche als klassisches, aktuelles und auch noch zügiges Drama inszeniert.

Das U verabschiedet sich bei der Lektüre von Elizabeth Costello nie. Die Fahrten der alternden Literatin rahmen die philosophischen Exkurse und bieten eine spartanische und doch zweckmässige Bühne für sehr prägnante Erörterungen. Costello trifft auf Menschen, die aus der Perspektive von Nicht-WASPs, Christen oder Familienangehörigen ihre Berufung beurteilen. Denken und Schreiben ist spannend - wer hätte das gedacht? Für Coetzee ist die Sache ernst - ein verstaubtes Bildungsbürgerideal verteidigt er nicht. Der Campus ist nur eine Arena von vielen.

12/02/2007

Die Unbesiegten, William Faulkner

Klingt der Name schwer und wuchtig und Kanon-kompatibel? Das wäre vollkommen unangebracht. Zum einen: Faulkner hat’s für Geld getan. Er hat in Hollywood Romane verdaut und ähnliche Brot-Jobs gemacht. Der Nobelpreis hat ihn auch nicht vom Saufen abgehalten. Faulkner ist kein Weiser vom Berg.

Zum anderen ist ein Roman wie Die Unbesiegten jenseits von Wucht, haut einen aber trotzdem um. In der bekannten fiktiven Südstaatenregion tobt erst der Bürgerkrieg und dann die Rekonstruktion: eigentlich eine prächtige Bühne für Heldenmut und Glorie. Doch die Figur des weißen Gentleman der alten Schule, inkarniert in Daddy Sartoris, wird in in vielerlei Hinsicht gebrochen und aufgeweicht. Der Erzähler der Geschichte ist des Vaters Sohn und der Sklavenjunge Ringo wächst quasi als sein Bruder heran. Die Sklaven des Hauses sind Fürsorger und Beschützer. Hier sind die Rassen weder getrennt noch gleich.

Die Gewinner des Bürgerkriegs sind im Süden keine Sieger. Hier, rund um Jefferson, zeichnet man sich eher dadurch aus, im einen oder anderen Sinn nicht besiegt worden zu sein.

Und Oma ist die Größte: während der virile Herr des Hauses im Gebüsch den Yankees auflauert, muss sie den Haushalt durch das Chaos und den schwarzen Exodus geleiten. Zum Ende steht der Sohn am Totenbett des Vaters und ihm fällt auf, dass er dessen Gesicht nie unentspannt gesehen hat. Schmerzhaft muss er den alten Südstaatentugenden abschwören. Wie gesagt: keine Wucht, aber das Erhabene im Detail.

Die Perspektive des Kindes beziehungsweise des Heranwachsenden ist eingeschränkt und das Geschehen hat eine verstohlene Qualität; der Protagonist ist gleichzeitig von seiner Welt umschlossen und gleichzeitig kein Teil von ihr. Er formuliert seine Zweifel selten und so wird der Leser mit den Schilderungen allein gelassen – auf die Spitze getrieben hat Faulkner diese Perspektive mit dem zurückgebliebenen Benji, der den ersten Teil von The Sound and the Fury bestimmt.

Jawohl, das Ding wurde auf Deutsch gelesen. Es stammt von einem Flohmarkt auf Sylt und sieht fein braungelb und vergessen aus. Was für ein Geruch.

Faulkner hat auch eine Kurzgeschichte geschrieben, in der ein Graben vorkommt. Bei Gelegenheit wird deren Titel hier vermerkt. Es ist eine ziemlich finstere kleine Geschichte. Man weiss nie so recht, was in Faulkners Kosmos noch so lauert.

Altered Carbon, Richard Morgan

Solcherart Literatur muss einen gleichzeitig in den Arm nehmen und ein bisschen zu fest zudrücken. Morgan schafft beides. Zunächst trifft man auf altbekannte Motive und Kaufgründe für den Fan an sich. Bei Altered Carbon wäre das Philip K. Dicks Blade-Runner- Ästhetik und die Aufbereitung von William Gibsons Erbe. Autos, die fliegen, Mistwetter und die verzeckten Massen in finsteren Betonschluchten. Saubere Virtualität und zeternde AIs. Naniten im Neonblut quasi. Dicks L. A. ist hier konsequenterweise nur eine ’Bay City’.

Aber Morgan kann diese Landschaft noch erweitern und wahrlich einen eigen nuancierten Lektüregeschmack erreichen: statt Zeitreisen gibt es Körperreisen. Die Betonung liegt nicht auf Replikanten obwohl die Maskerade durchaus eine Rolle spielt. Die Menschen speichern ihren Geist in Maschinen und werden dann in ’sleeves’ geladen, Körper von der Stange oder von der Straße. Und so kann man knackige Noir-Elemente wunderbar vom Leder reißen: ’Methusalems’ leben schon ewig und haben Geld für genug Backup-Kopien ihrer selbst. Das sind perfekte General Sternwoods. Die Wertigkeit von Blut, Schweiß und Tränen verschiebt sich und der Protagonist Kovacs kann nun in verschiedenen sleeves auf’s Maul bekommen. Allerdings bekommt auch der gelegentliche Beischlaf eine beunruhigende Komponente. Kurz vor dem Showdown wird die Wahrheit formuliert: das Fleisch wächst von allein doch um die Maschinen muss man sich kümmern. Selbstkontrolle ist sinnlos in einer Welt der gelebten Selbst-Losigkeit.

Die Existenz in Altered Carbon ein stetiges Ringen mit dem Content Management System der Körperkonsumkultur.

Morgan drückt aber auch zu: stets hat man das Gefühl, dass da noch viel mehr ist in dem Universum, das er sich ausdachte. Kovacs ist nur ein Partikel in einer größeren, eigenständigen Dynamik. Da werden dutzende von interessanten Dingen und Geschichten nur angerissen. Und außerdem gibt es Schießereien, Prügel-Sessions und Splatter-Sequenzen. Eine Punktlandung im postcyberpunkigen (doch, das Wort gibt es wirklich) dritten Jahrtausend.

11/28/2007

Machtlos, Gavin Hood

Gavin Hood kommt aus Südafrika und hat einen gescheiten Film gemacht, der trotzdem ein wenig beunruhigt. Das Publikum verlangt offenbar nach filmischen Verarbeitungen von Patriot Act und Abu Ghuraib und seltsam ist nun, dass so offene Kritik an der US Politik einfach verhallt. Ein bisschen Naivität muss sein. Man könnte meinen, dass auch hier eine Verdauung stattfindet. Die verstörenden Bilder von CNN und sonstwo haben ein neues Refugium des Konsumentenkosmos erreicht: den Blockbuster-Kinosessel. Zuckrig-schöne Darsteller machen die Wahrheitsfetzen ein wenig erträglicher, so dass man sich ihrer leichter entledigen kann.

Die finstere Ästhetik der modernen Kriegsführung wird sichtbar. Die diversen und singulären Körper selbst sind das Schlachtfeld. Die Suizidbomber möchten das Fleisch vieler nachhaltig versehren und die Folterknechte nutzen die Schmerzkapazitäten des Einzelnen. Die einen spielen mit Massenpanik, die anderen mit dem brechenden Ego-Widerstand.

Schön auch Idee und Ausführung der geschachtelten Handlungsstränge. Einfach, aber ein stimmiger Schlusspunkt für grimmige Bilder.

11/26/2007

Stalingrad, Joseph Vilsmaier

Und hopp-zwei-drei steckt man im Zynikergefängnis: die Szenen mit den weissgewandeten Soldaten erinnern an nichts geringeres als Star Wars. Sturmtruppen mit Schusswaffen, anonym und vor schweren Maschinen drappiert, sind Teil der bedrohlichen Außenwelt. Der Imperator ist natürlich dunkel gekleidet und bar jeder Menschlichkeit.

Und dann hebt auch noch der letzte Y-Wing vom Eisplaneten ab.

Jetzt kann man sagen, dass der hiesige Konsument ein Opfer von korrumpierten Kausalverknüpfungen ist. Erst war da der zweite Weltkrieg, dann wuchs eine Generation mit dessen Bildern aber ohne Feuergefechte und Vertreibung auf und dann brauchte eine Unterhaltungsindustrie Blaupausen für episches Kasperletheater. Der Konsument hier wiederum kam noch später und wurde erst mit den verwursteten Bildern gefüttert bevor ihm die Urmotive dargereicht wurden. Da ist Herr Vilsmaier freilich nicht dran schuld.

Wo bleibt die Unterhaltung? Das ist bei solchen Stoffen immer ein Ausloten der Tiefe: entweder man denkt, da ist ein authentischer Abgrund, etwas wichtiges und dunkles oder aber man denkt an AT-AT-Walker und Ewoks. "We are sliding down on the surface of things" sagte B. E. Ellis und mit dem Bezug zu Kälte, Finsternis und Einsamkeit im Konsum- wie auch im Schützengraben hat er immer noch recht. Geschichte ist seltsam und Filme darüber auch. "Just the facts, ma'am"? Nee.

11/25/2007

Possession, Neil Labute

Zwei Literaturwissenschaftler rekonstruieren die Art des Kontakts zweier toter englischer Poeten und nehmen darüber selbst Kontakt zueinander auf. Zwei Beziehungskisten entwickeln sich parallel und man kann dann als Zuschauer beim Vergleichen oft "Hach!" sagen. Die Bilder des 19. bzw. 20. Jahrhunderts gleiten wiederum zueinander wie akademisch Liebende das wohl täten.

Das Preisen der Literatur ist in Filmen generell recht knifflig. Wer lesen will, der soll es halt tun und keine Filme drüber schauen. Beachtenswert hierbei ist das hohe Maß an Bibliopornographie: altes Papier, bleiche Tinte, erhebene Handschriften und wuchtige Bände. Das macht freilich Sinn bei dem Thema. Jaja, schauen und lesen sind zweierlei.

Ansonsten ein mittelmässig spannender Film mit netten Bildern und zum Glück nicht zu lang.

11/23/2007

Abbitte, Joe Wright

Blumentapete herrscht. Diese Literaturverfilmung bedient sich eines jungen Stoffes von einem der meistgehypten Schreiber Britanniens und ist ein Klotz voll Farbe, Wucht und Drama auf Stelzen.

McEwan kann auch schlechte Bücher schreiben, meist macht er das aber mit seinen besseren Werken wieder gut. Abbitte war und ist ein überraschend schmaler Roman mit einer kompakt gelieferten Meditation über Schuld und Sühne. Nun also das alles auf Film.

Und es ist alles auf einmal sehr aufgeblasen. Das tut der Optik gut: die Gartensymbolik rauscht dahin. Ums Herrenhaus herum gibt's Gestrüpp und Zwielicht, Dinge wachsen im Verborgenen, trallala. Der zentrale Brunnen ist das Taufbecken und uns' Piratenbraut (zu der später mehr) macht sich und den Knaben nass. Die Kriegszenen sind perverserweise schön: es wird nicht wirklich gekämpft doch es gibt eine ausgiebige Ruinen-Tour. Als Bilderwelt ist Abbitte ein schickes Teil. Die Bündigkeit des Romans hat aber jede Geltung für den Film verloren und so mäandert der Plot mit allerhöchster Grimmigkeit durch die Zeitebenen.

Dass das Ding schlussendlich in der Gegenwart ankommt geht im Buch ganz gut, doch im Film wirkt es wie eine nachträgliche Versalzung des Stoffes. Da wird auf den letzten Metern noch mal ein grosses Fass aufgemacht ohne dafür noch Zeit zu haben.

Abbitte ist auch ein weiteres Beispiel für furchtbare Kinder im Film: groteske Minderjährige bevölkern diese Welt und richten allerhand an und aus. Ein Hoch auf die Besetzung hierfür: so grausige Gnome gab es selten. Äpfel und Stämme.

Keira Knightley kann sich mit Abbitte bestimmt nicht vom Piratenschatten lösen. Sie beeindruckt zwar mit elfenhafter Gestik aber ist von der Mimik her recht flach. Genetik und Hunger reichen irgendwie nicht ganz. Vielleicht hat die Synchronisation alles verhunzt. Schätzelein, lach doch mal.

Alle Jahre wieder. Jetzt erst mal ein Schnaps zur Verdauung.

Rechtfertigung

Hier gab es eine Zwangspause. Die Schuldzuweisung deutet in eine bekannte Richtung. Ein Spaten flog.

11/19/2007

The Premature Burial, Roger Corman

War 1962 ein gutes Jahr für Schocker? Jedenfalls sind Umsetzungen von Poe fürs Kino eine wunderbare Sache. Grandmasta Grusel baute seine Geschichten um eine Idee herum, die optisch gut aufgemöbelt knappe anderthalb Stunden durchaus unterhalten kann. Als hätte er er die Bedürfnisse Hollywoods vorausgeahnt. Corman hat einige solcher Filme fabriziert und konnte davon ganz gut leben.

Freilich ist das hier ein Genrefilm, eine Aneinanderreihung von Blaupausen - doch ist gothic fiction das nicht immer ein wenig? Überraschenderweise ergibt sich ein leichter Nachhall von Plan 9. Dies geschieht vor allem, weil Corman die Nebelmaschine anscheinend stetig laufen ließ, jedenfalls in den Außenaufnahmen. Spukig.

Der vom Tode besessene Protagonist baut sich also die idiotensichere Krypta - und gibt sie für die Liebe seines Lebens wieder auf. Es ist zu beobachten, wie hysterisch er sich eigentlich verhält. Stimmungsschwankungen und lähmende Panik sind dem Ideal des tough guy diametral entgegengesetzt und sorgen in der Umwelt freilich für Bestürzung.

Auch sehr cool der Sarg mit dem kleinen Fenster über dem Gesicht. Der Scheintote konnte seine Augen öffnen, doch bleibt reglos. Wenn die Sargträger doch nur herschauen würden! Doch nein: dem Toten schaut man nicht ins Gesicht. Sehen und nicht gesehen werden. Dabei besteht eben doch ein verstohlenes Interesse an den Verstorbenen: Mediziner und Forscher experimentieren in Kellern mit Strom an Leichen herum und Totengräber verdienen ihr Geld mit dem Spaten. Ganze Gebäude werden um den Tod, um Totes herum errichtet und doch darf der Kern des Ganzen nicht erörtert werden. Schlösser, Burgen, Grüfte: was geht rein, was kommt raus?

Erfrischend.

11/18/2007

Planet of Slums, Mike Davis

Uah, Sachbuch. Aber wie! Herr Davis liefert eine enorme Anzahl von Fussnoten und Verweisen und hält sich nicht etwa mit der Ästhetik des Schmutzes in einer quitschsauberen Erstwelt-Optik auf. Vielmehr umreisst und erläutert er die Lebensbedingungen von vielen, vielen Menschen die weit, weit weg wohnen. Hier soll keine soziologisch-geopolitische Kompetenz geheuchelt werden: für eine Fachdiskussion reichen die Kapazitäten im Graben nicht. Das tat der faszinierten Lektüre aber keinen Abbruch.

Städte sind seltsam, als Metapher und als Heimat. Wittgensteins Sprachspielerei trifft Darwin trifft Natur vs. Kultur und so weiter. Architektur wurde ja schon bei Ayn Rands Roman als ergiebiger Denkrahmen ausgewiesen.

Slums of today: Kinder in Nairobi setzen Fäkalien in Flaschen als Erpressungsmittel ein. Andere Nachbarschaften wenden sich Spiritualismus und Hexenkult zu da ihr Leben von grundauf furchtbar ist. Scheiterhaufen türmen sich neben den Highways. Kabul erstickt in einer Decke aus festgetrampeltem Müll. In Brasilien wachsen die Slums einzelner Megaplexe zusammen und werden zu unkontrollierbaren mehrstöckigen Sümpfen.

Bahnbrechende Neuigkeiten sind nicht zu finden, aber eben Genauigkeit. Für Davis ist es der neoliberale Oktopus, der mit Privatisierungswahn und fadenscheinigen Hilfsprogrammen die urbanen Eiterbeulen eher erstarken als veröden lässt. Der ehemalige Fleischhauer und heutige Soziologe betont aber auch, dass es im dritten Jahrtausend "weit, weit weg" als Koordinate nicht mehr gibt. Er kritisiert sowohl zweidimensionalen Almosen-Optimismus als auch die dumpf-schicke Haltung von ökologischen Romantikern. Die Dinge sind komplizierter als man denkt und vor allem sind sie sehr viel schmutziger.

Durchweg lesbar, durchweg ernüchternd. Zum Weiterlesen mag sich Davis' Aufarbeitung des Viktorianischen Zeitalters oder die Ökologie der Angst in Kalifornien anbieten. Oder der Blick wandert zu Sennett: vielleicht beantwortet sein "Fleisch und Stein", welches Material letztlich härter ist.

11/17/2007

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford, Andrew Dominik

Jawohl, so wird das gemacht. Jede seiner vielen Minuten nutzt das vortreffliche Werk um ein Panorama zu zeichnen in das man sich als Zuschauer gern hineinflezt. Hier wird nicht auf Pointen oder den body count geachtet, hier spannt sich ein klassisches Drama ohne zu stauben. Die Ermordung des Jesse James erweitert den ausgehöhlten Begriff des Westerns und ist durchweg erfreulich und gut.

Große Bilder überall. Spätestens als die Banditen nächtens im Gehölz ihre Masken aufsetzen geht der Mund zum ersten Mal auf. Bei Tageslicht geht es weiter: das weite, leere Land isoliert alles und jeden. Kälte bleibt stets im Bild - und (Achtung Wortscherz) mit keinem der Charaktere kann man wirklich warm werden. Auch die Räume der Häuser wirken nicht sauber reduziert sondern wie kurz nach zuviel fiesem Schnaps in zu kurzer Zeit. Leergespien und ausgeblutet beinhalten sie die Verlorenen. Das eine Blut sprüht zum Dachbalken, anderes gegen die Wand.

Die Schauspieler leisten sich keinen Fehler. Rockwell ist der feixende Verlierer der tanzend tut während er taumelt. Pitt macht den James wie er den Achilles machte: müde, weitab der grossen Hoffnungen, für immer jenseits der Normalsterblichkeit. Hier ist er aber noch ein wenig gebrochener: beim Taktieren seiner potentiellen Mörder weiss man nie wirklich, wo Spiel und Ernst enden und wo Jesse selbst anfängt. Affleck meistert die uneitle Rolle des dümmlichen Welpen ganz hervorragend. Er schaut glasig in die Welt hinaus als ob er sich zu lange selbst in ihr suchte und nicht fand.

Eastwoods Erbarmungslos ist hierbei kein Pate. Jesse James behandelt das gute alte Thema Medien und Amerika. Der Fan, der Held, die Masse und der Tod bilden einen soliden Nährboden für ein erwachsenes Trauerspiel.

Der Film konnte wohl nur so gut werden, weil die Originalgeschichte fast zu gut ist, um wahr zu sein. Verbrecher sind in den USA etwas anderes, vielleicht sogar etwas notwendig-besonderes. Fakt und Fiktion brechen sich wohl dort in kaum einem anderen Archetypen so sehr. Schaun wir mal, was mit American Gangster demnächst ins Haus steht.

Neuer Link

Man kann ja nicht alles hören. Da hilft allschools.de durchaus. Bittesehr.

Plan 9 From Outer Space, Edward D. Wood, Jr.

Ja, schon wieder. Erst bei wiederholter Betrachtung offenbart sich Woods Planlosigkeit beim Drehen. Die geringe Laufzeit des Werkes mag zur Re-Vision verleitet (verlitten) haben, doch es kann auch sein dass das dumpf-stumpfe Kasperletheater einen grotesken Charme entwickelte, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Jaja, und Dich kriegen sie auch noch.

Ludmila's Broken English, DBC Pierre

Mit seinem Debüt Vernon God Little hat DBC Pierre Gerüchten zufolge die Schulden bezahlt, die sich während einer zehnjährigen Drogenkarriere angehäuft hatten. Außerdem hat er damit den wohl erfrischendsten Roman über Schulmassaker und TexMex-Spannungen geschrieben. "DBC" soll "dirty but clean" heissen. Aha.

Mit diesem neuen Roman betreibt der Autor zumindest Imagepflege. Wieder geht es um Sex, Gewalt, Dreck, Drogen, und in mehrfacher Hinsicht grenzüberschreitenden Humor. Letztlich ist es das Diktat des Fleisches, das als Urmotiv herhalten muss: die Heath Twins sind jüngst getrennte siamesische Zwillinge, die dem mutierenden englischen Pflegesystem entkommen. Ihr Weg in die zivile teilglobalisierte Außenwelt führt sie dann zum frischen reinen Fleisch von Kauf-/Mietbräuten aus dem ehemaligen Sovietreich: Ludmila.

Pierre macht wieder keine Gefangenen. Der Zielgruppe wird der infame Film über die Reisen des Borat in Amerika noch im Gedächtnis sein. Der Humor ist hier ähnlich und wer ihn nicht mag, wird diesen Roman verfeuern.

Oberflächlich somit auf jeden Fall verstörend. Insgesamt aber eher ein Schritt zur Seite für Pierre: herb und schnell wälzt der Text dahin. Ist die amüsant-literarische Eroberung des Wilden Ostens gerade im Trend? Es gab da doch diese Dame, die über ukrainische Traktoren schrieb, oder? Mal schauen.

11/15/2007

Von Löwen und Lämmern, Robert Redford

Wie aufgeräumt! Das Ding geht los und man ist drin und trotz mehrerlei unterschiedlicher Schauplätze offenbart sich des Themas Tragweite. Also vom Handwerk sauber und durchaus unterhaltungskompatibel. Soweit, so gut, so zynisch.

Wo ist der Haken? Man weiss ja, dass die Revolution nicht televisioniert wird. Im Kino findet sie aber auch keinen Platz. Das Werk beweist einmal mehr, wie sehr das Hollywood-System doch von grossen Namen und *hüstel* Modethemen (an denen Blut klebt) gestützt wird. Jemand, der sich so einen Film anschauen will, weiss das aber freilich.

Redford will nur Gutes, das darf man ihm ruhig glauben. Bedeutendster Beleg dafür dürfte die nüchterne Art sein, mit der die Bilder gemacht wurden. Vor Ort in Afghanistan spielt sich das Drama in einer Eiskuhle ab und kein zweiter Hubschrauber muss spektakulär zerschossen werden. Die Darsteller liefern punktgenau. Cruise macht uns den Republikaner sehr gut und Redford gefällt sich selbst als Politikprofessor und auch dem Zuschauer. Es wird klar, dass der Krieg da drüben auf vielen Schlachtfeldern gefochten, verteidigt, beendet und gewonnen werden könnte. Konjunktiv.

Achja. Krieg und Kino. Wäre es besser, wenn letzteres ersteren ignorieren tät? Man wird es nie wissen. Von Löwen und Lämmern ist zumindest keine vertane Zeit und mag Ausgangspunkt für uncoole politische Positionierungen sein.

11/13/2007

Chase This Light, Jimmy Eat World

Die Erwartungen drücken hier recht schwer - eine der tiefsten postadoleszenten Verkaterungen wurden mit dem Frühwerk untermalt und haben somit den Konsumgraben arg gefurcht. JEW's Name ist zwar nicht so verkrustet wie der der Smashing Pumpkins, doch die Neugierde auf Fortsetzungen blieb.

Die Erinnerung an sinnfreie Diskussionen von Ausverkauf und Avantgarde klingeln noch in den Ohren. Aber das ist ja hier kein Schulhof und man sitzt auch nicht in der Erst-Kneipe am linken Barrand. JEW reihen gute Songs aneinander. Von einer etwaigen Punk-Attitüde ist das vielleicht das signifikanteste Erbe. Allerdings sind diese guten Songs nicht gut durch Räudigkeit und knucklebustin' madness, sondern durch zutiefst harmonische Vielseitigkeit. Somit trifft man sich mit den ehernen Gesetzen des gemeinen Pops. Jeder Song auf Chase This Light ist eine Hermetik für sich, die einen gern eintreten und verweilen lässt. Hier wird niemand auf den Baum gejagt... hier möchte man auf einem Ast sitzen und ein bisschen zuhören und runterschauen.

Zur Rebellion vollkommen ungeeignet. Aber die potentiellen Rebellen von heute versteht ja eh kein Mensch.

Und läuft und läuft und läuft. Skandalfreie Fenstermusik kann man das auch nennen. Zum richtigen Beschimpfen reicht es nicht denn niemand kann sich dem Charme von Cinemascope-Songs entziehen. Ist das erwachsen? Ist das nicht das Ende? Jimmy Eat World sind wie die gekämmte Antarktis des Gitarrenmusikglobus die dem strubbeligen Nordpol der Queens of the Stone Age entgegensteht. Bei Mr. Homme wuppen fluppenbewehrte Tanzzwerge den Ellbogenfoxtrot um ein Lagerfeuer aus Knochen - Mr. Adkins hat ein wenig den Schnee weggefegt, Klappstühle mit Kissen aufgestellt und ein Streicherorchester eingeladen, das wahlweise mitspielt oder zuhört.

Warum können beide Bands nicht mal einen Totalausfall fabrizieren und somit ein wenig sterblicher wirken? Mit Alben wie Chase This Light wird die Furche im Graben jedenfalls nicht verrissen.

11/08/2007

The Orchard Keeper, Cormac McCarthy

Diesmal das Debut. Und wie da der Faulkner aus den Seiten trieft! Somit kann man mit dem einzigen kleinen Makel beginnen: McCarthy macht das Verfolgen der Geschichte durch Rück-, Neben- und Zwischenblenden ein wenig kompliziert. Aber ist das denn schlimm? Seine Sprache hat noch nicht die famose stumpfe Gewalt entwickelt, die bei den späteren Werken so zu beeindrucken weiss. Doch trotzdem ist kein Satz zuviel in den 250 Seiten: McCarthy zeichnet Bilder vom Leben im Tod, die plumpe Morbidität nicht nötig haben. Kompliziert ist gut und Faulkner ist eher Schatten am Horizont als Kopiervorlage. Wie nur manchmal im Konsumgraben lohnt sich bei The Orchard Keeper die verstärkte Aufmerksamkeit. Es fügt sich am Ende alles zu einem wahrlich *erhabenen* Bild zusammen. Ja, erhaben. Nicht esoterisch.

Die Geschichte befasst sich mit drei Generationen von nordamerikanischen Männlichkeiten zwischen Wildnis und Kaff in den 1940ern. Der Einsiedler, der windige Alkoholschmuggler und the Kid, ein staunender Junge, treffen aufeinander. Alle haben ihren eigenen Weg durchs Gehölz und durch die Jahre - teils miteinander, teils nebeneinander. The Kid erlangte ja dann im unglaublichen Blood Meridian eine Schlüsselrolle im Gesamtwerk.

Gewaltige Symbole können schnell angelegt werden. Das Buch ist gemäss der vier Jahreszeiten geordnet: Regen und Erdrutsch, Kälte und brechendes Eis. Die Rolle der Tiere ist nicht zu unterschätzen. Ein Kopfgeld für Greifvögel, ein halbblinder Hund und eine Katze, die aus dem verfallenden Haus auszieht.

McCarthy ist unvergleichlich da er über einen Ort schreibt, der die Kategorien "ehrlich" und "echt" nicht anerkennen kann. Ein ununterschätzbarer, wichtiger, grosser Autor. Mehr, mehr, mehr. Hier sitzt ein Fan, der noch enttäuscht werden muss.

Plan 9 From Outer Space, Edward D. Wood, Jr.

Dass man landauf landab hier vom "schlechtesten Film aller Zeiten" spricht, sagt ja schon einiges aus. Allein das Wissen darum drängt den Konsumenten in die Nerd-Ecke. Es impliziert auch, dass es irgendwo überhaupt gute Filme gibt.

Plan 9 enttäuscht tatsächlich unausgesprochene Erwartungen, wodurch selbige Selbstverständlichkeiten erst offengelegt werden. Dekonstruktion deluxe. Die Schnitte sitzen arg schief, der Plot ist recht sinnfrei und die Dialoge schlichtweg bizarr. Das macht den Film auf seltsame Art und Weise wertvoll: seine debile Konzeption erzeugt ein gutes, braves Kichern. Man bestaunt die Drolligkeit der Bemühungen aller Beteiligten. Ein wahrlich einmaliges, weil unvergleichliches Erlebnis. "Grabräuber aus dem Weltall" sollte er eigentlich heissen. Da muss man mal drauf kommen.

Wie immer ist die Geschichte hinter der Geschichte um einiges interessanter: das Leben und Streben des Mr. Wood oder seiner Darsteller etwa. Die auf der DVD befindliche Dokumentation läuft genauso lang wie der Hauptfilm und steht jenem an Unterhaltungswert in nichts nach.

Der Werdegang von Bela Lugosi ist recht aufschlussreich, um die menschenfressenden Qualitäten der Unterhaltungsfabrik anzudenken. Nach dessen Ableben wurde er hier prompt durch seinen Chiropraktiker ersetzt. Hauptsache, das Dracula-Cape sitzt. Asche zu Asche, Pappe zu Pappe. Ein ehrlicher Film und somit lange nicht so furchtbar wie Independence Day und Konsorten.

11/07/2007

Halloween, Rob Zombie

Ein Werktags-Hackstückchen, kein Samstags-Superhorror-Couchversteck-Brett.

Und ein wenig beklemmend ist es schon. Slasherfilme sind ja ähnlich wie Fussball im TV, doch ihr Recycling durch einem offensichtlich sehr, sehr enthusiastischen Regisseur verstört etwas. Die erschreckend simplen Erklärungsversuche stossen dem Hobby-Humanisten hier besonders übel auf: wütendes Kind, böser Mann. Das Umfeld ist schuld, *gähn*. Rein cinematographisch ist die Geschichte des jungen Mike aber noch am spannendsten. Daeg Faerch spielt den babyspeckigen Strähnfrisur-Killer so gut, dass man Angst um seine geistige Gesundheit haben darf.

Derartige Filme predigen die Dualismen in einer ansonsten konfusen Welt. Myers ist stumm und in seiner Rolle als Naturgewalt der Welt entrückt. Die Opfer hingegen sind umso fleischlicher: Sie schreien, erstreben Stuhlgang oder werden im Laufe des Films immer ramponierter. Konsequenz und Hysterie, quasi.

Eine Symbolik, die sich bei den lieben Kleinen fortsetzt, als Mike schon erwachsen und der Zelle entkommen ist: der kleine Junge ist als Tod geschminkt (ein Knochengesicht hat keine Mimik und ist nur kühle Materie) und das kleine Mädchen als antike Königin. Er stellt die stumpfe Wahrheit des Sterbens dar, sie steht (hier aber auf harmlose Art und Weise) für das (Aus-)Schmücken des Lebens. Schluss mit dem gender-bending! Hurra! Klare Qualifikationsverteilungen! Nochmal ein bisschen *gähn*.

Insgesamt ist das Werk keineswegs revolutionär. Vor allem die zweite Hälfte ist zwar sehr laut doch recht spannungsarm. Einige Schnittfehler sind doch allzu offensichtlich. Der Film macht nicht Spass genug, um den eisernen Humanisten johlen zu lassen.

Immerhin bleibt die Marke Myers somit im Pulp-Kosmos erhalten. Einmal im Jahr darf man sich das ja leisten, solange man den Rest des Jahres mit good clean fun füllt.

11/04/2007

Tannöd, Andrea M. Schenkel

Im Wald, da sind die Räuber. Zwischen den Wäldern sind die einsamen Gehöfte. Die Geschichte trägt sich in der deutschen Provinz der 50er Jahre zu, eine unheimlich-schattenhafte Welt der Grosseltern zwischen dem Kriegsende und weit weg vom Wirtschaftswunder. Und freilich haben dann Verbrechen, die in jener temporal-spatialen Einsamkeit geschehen, eine ganz eigene Aura. Eine Hof-Besatzung wird dahingemetzelt und fragmentarische Augenzeugenberichte erschliessen dann den Tathergang für den Leser.

Könnte es sein, dass dies ein Bestseller ist, weil gestresste Städter nicht wirklich Zeit für normale Text-Längen haben? Jene läsen dann Tannöd um bei feinem Grusel die Unzulänglichkeiten im eigenen Lebenskosmos spielerisch auszuloten. Schenkel schreibt wunderbar und ein paar Seiten mehr hätten dem Werk bestimmt nicht geschadet.

Für die einen ist es nur Krimi, doch das ganze schürft schon ein wenig tiefer. Es bedient sich der Linien zwischen Einsamkeit, Verantwortung, Gemeinschaft und Legenden. Tannöd ist weder Herbstmilch noch Pater Brown in Bayern sondern ein auch an Schlafes Bruder erinnerndes feines kleines Textlein deutscher Neben-Geschichte. Ob das den Hype rechtfertigt?

"Stadl" heisst übrigens "Scheune." Das ist gut zu wissen.

11/02/2007

The Fountainhead, Ayn Rand, Teil 1

Jagut, das ist ein dickes Buch. Deshalb erstmal nur eine Sichtung des ersten der vier Teile.

Der Roman stammt aus einer seltsamen Zeit: Amerika entdeckt zwischen den Weltkriegen die Hochhäuser und der sogenannte Fortschritt bekommt eine vertikale Dimension. Städte recken sich den Sternen entgegen. Architektur ist nach wie vor ein sehr ergiebiger Spielplatz für Metaphern. Raumerschaffung, Grenz(er)ziehung, Bögen spannen von da nach dort und über etwas hinweg. Yadda, yadda, yadda. Materiell fixierte Content Management Systeme.

Howard Roark und Peter Keating sind Architekten und haben entgegengesetzte Vorstellungen von ihrer Zunft. Letzterer schläft sich hoch; er sieht das glitzerne Business und passt sich an. Roark hingegen ist brutalstmöglicher Idealist und hackt sich lieber Arme ab statt am Bau rumzupfuschen. So simpel, so unterhaltsam.

Ist Roark Avantgardist? Purist? Zen-Meister? Humanist? Dann wohl halt Objektivist, aber in Rands eigener Lesart. Die Autorin nutzt den leicht lesbaren Roman nicht nur zur Unterhaltung sondern auch zur Erörterung ihrer philosophischen Grundansichten, die so verstaubt eigentlich nicht sind. Vielleicht sind die folgenden Teile ja anders. Mit diesen vielversprechenden ersten Seiten sollte das Weiterlesen nicht allzu schwerfallen. Da könnte grosses drinstecken in diesem Gebäude.

Bis jetzt hat Keating sich einen Chefposten er-mobbt und Roark scheitert an seinen hehren Zielen. Schaunwamal wer das Prinzesschen kriegt.

Planet Terror, Robert Rodriguez

Warum hat dieses Werk so viel schlechtere Spielzeiten als des Tarantino sein Beitrag zum 2007er Grindhouse Doppelpack? Weil Rodriguez rücksichtsloser ist als sein Kollege, aber keineswegs weniger kreativ. Planet Terror baut sich in herrlich hemmungloser Manier um jegliche Form der plakativen Gewalt und Abjektion auf. Bizarr lange Dialog-Sequenzen fehlen, stattdessen wird hemmungslos derb umhergesplattert.

Der Ekel selbst ist ein bewährtes Thema für Arbeit, Spass und Spiel. Müllwerker und Psychoanalytiker haben mit Stoffen zu tun, die unangenehmst durch die Finger rinnen können, wenn man sie denn zur Halde schleppen will oder auch nur anfassen muss. Viele Regisseure reihen sich in die Arbeitsfront ein und versuchen verzweifelt, den Massen den Umgang mit den Biomassen zu erklären.

Es geht also um Blut, Schleim, Kotze, Husten, Knochenblubb und Glibber im Allgemeinen. Und wo kann man mit solchen Requisiten am ehesten punkten? Freilich im staubigen Südwest-Texas, fernab jeder Yankee-Hygiene. Da hört einen keiner schreien und die Flecken auf dem Boden verwehen fix und die Steaks sind auch noch exzellent.

Und das klingt jetzt besonders abstrus: wie auch bei Death Proof steht die Stärke der Weiblichkeit in diesem Machwerk im Mittelpunkt. Rodriguez huldigt aber der ikonenhaften Einheit des Bildes: ein Betty-Page-Klon mit automatischer Waffe statt eines Beines bedient schon eine enorm plumpe Metaphorik. Die Olle kann auch noch tanzen und das Schmollmündchen ist stets nett drapiert. Und Fergie wird zur Halbzeit der Hinterkopf weggefressen. Mahlzeit. Hyperfeminine Fleisch-Dekorationen.

Oft wird vergessen, dass Rodriguez einer der ersten aus Hollywood war und ist, der die gesamte Kapazität des Digitalkinos nutzen will. Der Herr hat ja auch Spy Kids gemacht, ein Werk das bisher keinen Eingang in den Konsumgraben fand. Kurzum: Planet Terror ist ein Heidenspass. Inhaltsmässig verarbeitet und hypt er das Genre-Kino der Vergangenheit, technisch ist er, ähem, richtungsweisend. So ist das nun mal.

10/31/2007

Die Fremde in Dir, Neil Jordan

Nie war die grossartige Mrs. Foster dem Schatten von Travis Bickle so nah. In vielerlei Hinsicht finden sich Parallelen, etwa bei der Angleichung des Outfits an die Wandlung des Charakters. Nach den ersten Erschiessungen (Mord ist anders, hu?) lässt sie die Jacken fallen. Sie will Schmauchspuren loswerden, sicher, doch auch will sie sich aus dem Kokon befreien und mit blanker Haut der schmutzigen Aussenwelt begegnen. Eine Taufe mit Blei und Blut. Dann, als sie ihren Kurs erkennt, kommt die Lederjacke. Dementsprechend derb ist die Tötung des fiesen Gangsters, der sie nie persönlich bedroht hat. Jodie braucht keinen Iro, dass will auch wohl keiner sehen.

Man bemerke hierbei Bacons Frisiermoment bei Death Sentence.

Foster ist erwartungsgemäss präsent in dieser Geschichte. Jede Einstellung ihrer Person drückt etwas aus und die deutsche Synchronstimme wirkt wie immer falsch und seltsam. Das Gewicht der Stimme kommt auch im Plot selbst zur Geltung, da Erica durchs Radio mit der Stadt zu sprechen versucht oder sie eben nur zum Zuhören bewegen möchte.

Leider ist der Film auf obskure Art und Weise unfreiwillig komisch. Komik ist ja immer gut, aber wenn Erica ihren Peiniger mit martialischen Sprüchen zu Leibe rückt, dann klingt das seltsam. Die Gewalt wirkt gleichzeitig verstörend banal und omnipräsent. War das Absicht?

Das Ende ist wunderbar. Der Abschaum muss sterben, so oder so. Der alptraumhafte Megaplex kann mit den gegebenen Kompetenzen der Exekutive nicht gereinigt werden. Filmtechnisch geht das auch in Ordnung, weil die Schläger einfach als Tiere dargestellt werden. Sie haben nicht genug screen time um dem Zuschauer irgendwie ans Herz zu wachsen.

Ethisch gesehen wird dem Zuschauer freilich die von Hollywood gewohnte stützende Hand vorenthalten. Ericas Wut ist nicht etwas, dass durch Tränen und Geigen und Zögern und dem Überreichen der Waffe getilgt werden kann. Heulkrämpfe lösen selten die Knoten der düsteren Vergangenheit, schön wär's. Dem Polizisten Mercer wäre durch Quengeln auch nicht geholfen.

Eine Wahrheit spricht der Film gekonnt NICHT an: Selbstjustiz ist letzlich das Ende der Zivilisation. Erica will keinen Richter, Mercer auch nicht. Staatliche Institutionen erweisen sich als obsolet. Ziemlich clever gemacht. Das Superhelden-Prinzip (caped crusader und so weiter) und noch viele andere Motive sind in dem Stoff versteckt - etwa die Rolle der bewegten Bilder dank Handy-Kamera, Hautfarben und die Überschneidung urbaner Sphären.

Was würden Rudy Giuliani oder einer von den junior thugs der Rütli-Schule dazu sagen?

10/29/2007

Desperation, Mike Garris

Und nun ist tatsächlich ein TV-Movie auf DVD hier vor die Flinte gelaufen. Die bescheidenen Erwartungen wurden zumindest nicht unterschritten. Doch wenn man zuvor Romeros Klassiker schaut, dann kann diese Stephen-King-Verfilmung nur abstinken.

Nichts gegen Mr. King. Wer verkauft, hat recht. Keine Frage. Und King nimmt ja eine seltsame Rolle zwischen Roman und Film ein: Schreibt er Filme auf oder gleich Drehbücher? Bei King und seinem Unterhaltungsauftrag stehen Hoch und Tief nah beieinander. Duddits ist Klump in Text und Bild und Es beeindruckte ganze Kinderkohorten durch sein Auftauchen im TV. Shining wiederum ist grossartig in Text und Bild. Ja gut, Kubrick kann wohl auch keinen wirklich schlechten Film drehen.

Achso, Desperation: Ein Dorf in der Ödnis und eine Bedrohung aus der Unterwelt. Das King-typische Ende und ein überlebender Knabe und eine ältliche Autorengestalt. Mehr vom gleichen. Insgesamt scheint Desperation ein kleiner Remix von Night of the Living Dead zu sein, nur mit mehr Budget und der Absicht, eine familienähnliche Zielgruppe von Werbeblock zu Werbeblock zu begleiten.

Night of the Living Dead, George A. Romero

Die Zombies heissen nicht Zombies sondern Dinger. Revolutionär! Ansonsten ein höchst interessanter Film welcher wahrlich Schlüsselelemente des Genres definiert.

Die sozialkritische Lesart ist plump doch nichtsdestotrotz vorhanden. Ben ist schwarz und mobil: der Konflikt mit dem WASP mit Familie und schütterem Haar scheint vorprogrammiert. Das Ende vom Lied ist freilich düster: Die Präsenz der Untoten und ihre Wirkung auf die (noch) Lebenden verdeutlicht Misanthropie und Zweifel am Humanismus insgesamt.

Die Blonde schreit und läuft und ist ein szenenbestimmendes Ärgernis des besorgten Zuschauers. Es gibt eine Szene, in denen die Akteure sich ihre Vorgeschichte erzählen. Bens Geschichte ist eine unverfilmbare (weil viel zu teure) Action-Sequenz. Die blonde Barbra bekommt von Ben dann aber den Mund verboten, denn ihre Erzählung scheint emotional zu verstörend für ihn. Die Reinheit des Weiblichen ist Wunsch des Zuschauers und des Hauptdarstellers.

Und freilich ist der Grund für all den Terz zwischen den Sternen zu suchen. Strahlung! Infektion! Böse Aura! Dort oben sind auch bequeme Kausalrelationen nicht zu finden. Warum wir, warum jetzt? Egal - alle untot!

Immer wieder gern. Ein erfrischender Schuss ins Gehirn.

Garden State, Zach Braff

Der Film ist nach wie vor richtig, gut und wichtig. Die Hauptaussage ist aber wenig originell: Alle sind kaputt, drum tu nicht so als wärst du heil. Aber wenn in einem Film alle heile wären und blieben wäre das eh recht öde anzuschauen.

Die Bilder waren zuerst da. Grandiose Stilleben dienen den Szenen als Vorbild und die frontale Couch ist schon ein sehr amerikanisches Motiv. Die Familie sitzt in einem Boot und das Boot ist über dem Abgrund auf Sand aufgelaufen und die Familie ist trotzdem froh. Der Humor ist gänzlich anders als im Sitcom-Kosmos und ist unisolierbar mit der verhuschten Grundstimmung verknüpft.

Der erste Schnitt des Filmes war eine Stunde länger als das Endprodukt. Grossartige Dinge fehlen, wie vor allem mehr Zeit mit Vati. Solche Szenen hätten die Fabel um den Matrizid der klassischen Tragödie näher bringen können. Doch Braff hatte recht mit seinem rigorosen Einsatz der Schere: für Ausmasse à la L.A. Crash sind hier zu wenige Akteure beteiligt und die Sets zu homogen.

Trotzdem herzerwärmend. Eine andere Art von Oktober-Film.

10/25/2007

Ratatouille, Brad Bird

Ein Hoch auf die Stofflichkeit. Das Wasser der Seine fliesst besser als echtes Wasser. Das Küchenkupfer kupfert wunderbar. Das glaubt man gern doch es selbst zu sehen ist durchaus angenehm. Die perfekte Oberfläche hinter der sich nichts verbirgt.

Etwas verstörend: die Augsburger Puppenkiste ist allgegenwärtig. Ob Pixar das weiss? Jedenfalls wirken die menschlichen Figuren im Film wie aus Holz geschnitzt und in Kleider gesteckt, eben aufgrund besagter Stofflichkeit. Inhaltlich wird das auch aufgegriffen bei der Steuerung des Küchenjungen durch die Manipulation seines Skalps durch die Ratte. Ob das bei Robots auch so war? Kybernetik, Steuerung, Maschinenwerk?

Reinheit und Kontamination. Beim Vergleich mit Nemo kommt die Rattensause schlechter weg, denn unter Wasser ist es gemütlicher. Da ist man stets gewaschen und rein und in der Stadt ist Ungeziefer am Ruder. Paris ist Frankreichs zentrale Menschengeschwulst. Weitab von den Produktionsstätten der Zutaten bietet famose Kochkunst hier eine kurze Flucht in die Sinnlichkeit. Das Gericht als sauberes Mikroversum, eine flüchtige Inkarnation der Idee von Harmonie und Proportion. Mein Tellerrand so sauber wie mein Seelenrand es sich wünscht zu sein.

Mit Steamboat Willie hat das wenig zu tun. Musik und rhythmische Ordnung haben ihrer Stellenwert beim Unternehmen Unterhaltung im Animationsfilm verloren. Lieder sind old school. Keiner singt hier, auch kein Stinktier.

10/22/2007

Rule of the Bone, Russell Banks

Affliction war so gut. Ein grimmiges Buch in der amerikanischen Arbeiterödnis, zu vergleichen mit nichts geringerem als Springsteens Album Nebraska. Schneematsch auf der Motorhaube, trüber Horizont, gestohlene 9 mm vielleicht im Handschuhfach, zusammengehalten von grauem Klebeband. White Trash ohne Ha-Ha.

Das vorliegende Werk, auch schon wieder ein Jahrzehnt alt, ist der Adoleszenz-Roman von Mr. Banks. Einige Kapitel sind vorab schon als Prosa veröffentlicht worden. Beim Lesen bleibt das Gefühl des Fragmentarischen, so als hätte sich der Autor nie ein Bild vom Ganzen gemacht. Die Odysseen des jungen Chappie aka Bone reihen sich wie Perlen aneinander und wie immer ist das Motiv der Reise verknüpft mit Lebenslektionen. Reisepartner kommen und gehen; manche retten, manche reissen den driftenden Erzähler in etwas rein. Wer kommt mit aufs Floss und wo geht es überhaupt hin und wo gibt es was zu rauchen? Diese Anordnung mag zunächst kurzatmig und allzu simpel sein, doch es trifft das Herz des Genres doch trotzdem: eine Vernarbung folgt der anderen und der junge Geist kann nichts anderes als weiteratmen bzw. –rennen.

Inhaltlich gesehen sind Ortswechsel und Bewegung ständige Pflicht beim Semi-Obdachlosen Bone. Der Stiefvater ein Triebtäter, die Mutter eine dämliche Kuh voller Angst, der beste Kumpel dumm wie Brot, der Chef der örtlichen Biker-Gang aufgepumpt und klotz-psychotisch und so weiter. Der Knochen-Junge gibt sich selbst einen neuen Namen, er will mit einem preiswerten Tattoo seine Herkunft wegtaufen.

Bone ist nicht so gut wie Affliction. Hier ist der Knochen in der Mitte und hält alles zusammen, konzentrische Kreise der Qual scharen sich um ihn herum. Bei Affliction wurde eine Verschachtelung des Unglücks und der Armut erreicht. Banks ist aber trotzdem super. Statt epischer Wucht liefert er rasend schnelle Unterhaltung ab. Jede Frisur ein Abenteuer und am Ende wird viel gestorben.

Letters from Iwo Jima, Clint Eastwood

Gleich nach dem Zweitkonsum von Flags of our Father also Letters from Iwo Jima. Die Geschichte wird hier weitaus direkter erzählt – Kern der Handlung ist diese furchtbare Schwefelinsel, nicht auch noch ihre Rolle in der heimatlichen Öffentlichkeit.

Die japanischen Charaktere kommen nie hölzern daher, doch wirken sie ein wenig überzeichnet. Wenn die Herren wirklich so waren, dann ist die Realität mal wieder besser als die Fiktion. Mal ehrlich: ein Pferd im Stellungskrieg? Das ist grotesker als ein Hund im Büro.

Historisch gesehen ist die erbärmliche Ausstattung der Verteidiger höchst niederschmetternd. Durchfall und Munitionsmangel lassen Verzweiflung regieren – die Modernisierung des Krieges kam in Japan offenbar nur schwerlich voran. Feudale Strukturen bestimmen und besiegeln Schicksale. So könnte man auch das unsägliche Pferd erklären. Tote Tiere sind überhaupt allerhand: man bedenke noch den freundlichen Hund, den der Ex-Militärpolizist erschiessen musste. Tiere tragen keine Uniformen, sie sind blankes Leben und nie Vertreter von Ideologien und Machtstrukturen. Vielleicht ist deshalb ihre Rolle so seltsam in modernen Kriegs- und Friedenszeiten. Bedeutet zivilisatorischer Fortschritt auch das Ende der Abhängigkeit und der Huldigung des Tieres im menschlichen Leben?

Nochmal zurück zum Film. Die Kämpfenden begegnen sich nicht. Wer das Mündungsfeuer sieht, hat keine Zeit für Konversation. Das kurze Auftauchen des amerikanischen Kriegsgefangenen ist darum umso bedeutsamer – in der vorliegenden DVD-Version spricht selbiger auch unsynchronisiert Englisch. Er ist der Fremde.

Interessant wäre es zu erfahren, ob und wie der Film in Japan selbst aufgenommen wurde. Es ist nicht schwer, nach den beiden Filmen am Singular der Geschichte zu zweifeln – jede Nation hat ihre, jede/r Betroffene hat seine/ihre. In Flags of our Fathers wird sie noch einmal dupliziert und zum hyperrealen Massenspektakel. In Iwo Jima sind es die verlorenen Briefe der verlorenen Briefschreiber die die unbarmherzige Zersplitterung der einen Geschichte zeigen. Welcher Staatsakt könnte sich mit jeder einzelnen dieser Stimmen befassen? Der Aspekt der Pluralität destabilisiert somit die gewünschte Homogenität des Staatsgebäudes. Was sagen Kaiser hierzu?

Flags of our Fathers, Clint Eastwood

Jaja, man hats gesehen. Der Krieg, ein Sieg und seine Zeugen. Eastwoods Film über den Krieg im Pazifik kann artig als künstlerischer Kommentar zu embedded journalists und Propaganda im Allgemeinen gesehen werden. Das ist aber nicht alles. Desillusioniert kann man sagen, dass dies eine allzu romantische Schilderung der Unreinheit des modernen Krieges ist. Wer mit dem Hinterfragen auch nach einem solchen Werk aufhört, den hat die Propaganda eben doch gekriegt – nur eben eine andere als die im Film dargestellte.

Bei diesem Zweitkonsum fiel auf, dass die Geschichte hinter der Geschichte, die Eastwood zur Schilderung letzterer benutzt, eigentlich sehr einfach ist. Im Kino lag das Werk zunächst quer im Magen, da mit der Kontinuität gespielt wurde: Rückblende, Erinnerung, flashback. Die Erkennbarkeit der Einfachheit einer Geschichte ist aber durchaus nützlich und hier auch vollkommen angebracht.

Der grosse Vorteil dieses Filmes gegenüber Apocalypse Now, Full Metal Jacket u. ä. ist die Sanftheit der Erzählung. Freilich gibt’s Gewaltdarstellungen und heutzutage wäre deren Unterlassung auch fragwürdig. Aber das Hinterfragen geht weiter. Grandiose Bildpoesie stösst sanft an statt aufzurütteln. Der Vater stirbt und zum Schluss gehen die Jungs schwimmen. Die Zeit löst sich auf und die Vergangenheit bleibt als unverdaulicher Klumpen bestehen.

Die Flagge der Väter war mit einer anderen Art Mühsal verbunden als die Flagge der Söhne und Töchter – ein einfaches Stück Tuch war sie wohl nie. Clint ist gut.

10/19/2007

I Am Legend, Richard Matheson

Aufgrund der geringen Textlänge wurde eine kurze Salve Splatter erwartet, doch weit gefehlt. Ganz weit gefehlt sogar – I Am Legend ist eines dieser Bücher, dass die derzeitige Erzählmode als antiquiert und wenig innovativ entlarvt. Es erschien in den 1950ern und enthält doch alles, was folgende Vampirgenerationen zwischen Blade und Buffy so rigoros melken und variieren. Charlie Huston hätte ohne Richard Matheson wahrscheinlich auch nicht den Noir-Pulp-Vampirismus schustern können.

Die Metaphorik ist genauso brutal wie der reine Inhalt. Eine Seuche ist in den 70ern über die Welt gekommen: Robert ist der letzte Mensch und nachts scharren die vampifizierten Nachbarn an seinem Haus. Tagsüber schlafen sie und er hastet mit geschnitzten Pflöcken von Haus zu Haus und in die leere Stadt hinein. Erst läuft ihm ein Hund zu, dann eine Frau.

Dieses Werk ist ein gemeinsamer Vorfahr von Zombies und Vampiren in der Unterhaltungsliteratur, sollte man denn dem Genre eine zweidimensionale Genealogie unterstellen wollen. Mit Erstaunen folgt man Robert durch seine wissenschaftlichen Analysen des Vampirbazillus. Fachbücher und Mikroskope werden genutzt, um die dunkle neue Welt zu verstehen. Eine alternative Geschichtsschreibung (war die Pest des Mittelalters nicht vielleicht doch ein Virus des grossen V?) vernichtet die einst heile Vergangenheit.

Das ganze wurde laut Klappentext einst mit Charlton Heston verfilmt, der für Orson ja einst den Mexikaner machte, den Herrn in der Wüste sah und den Planet der Affen bereiste. Gerüchten zufolge ist eine Neuauflage mit Will Smith in Bearbeitung. Das klingt erstmal ziemlich vielversprechend, da I, Robot ein wirklich guter Film war. Der Aspekt der Hautfarbe erhält dadurch, wenn man denn will, noch mehr Gewicht. Vampire sind ja immer so blass.

Freilich ist das alles Unfug – doch niemand kann den Nutzen und den Fluch von Gucklöchern leugnen, die man in sorgsam geschmiedete Türen eingefügt. Cocooning ist ein Produkt des zwanzigsten Jahrhunderts. Das Heim ist die Burg und das Gefängnis und auch die Folterkammer. Musik kommt von Platte und das Steak aus dem Gefrierfach. Und vielleicht fühlt es sich gut an dem schlurfenden Nachbarn, der eh immer nervte, endlich mal einen 9-Zoll-Pflock in den Leib zu rammen.

Horror beginnt immer mit „I“ und Matheson hat das meisterlich verstanden.

10/17/2007

Poppy Shakespeare, Clare Allan

N hat ein breites Kreuz. Sie ist verrückt und verbringt somit ihre Zeit in einer entsprechenden Institution, damit sie nicht sich selbst und andere gefährdet. Als Poppy ankommt, führt N sie herum - sie ermöglicht der Neuen den Einstieg ins Verrückt-Sein. Allerdings stellt Poppys blosse Anwesenheit den Alltagstrott in Frage denn sie hält sich seltsamerweise für geistig gesund. Und N? Ist sie N-ormal oder doch N-uts?

Der Wahnsinn umtost die Logik und sorgt für ein eindringliches Lektüre-Erlebnis. Clare Allan hat sich sowohl Catch 22 als auch das Kuckucksnest genau angeschaut. So ist es schon auf dem Buchdeckel vermerkt doch sie erweitert den Themenkreis in einigen Punkten. Der Humor ist entwaffnend und Ns Version der englischen Sprache lässt die Ohren erröten und klingeln. Die Charaktere in und ausserhalb der Klapse sind Schemen und Schelme doch niemals blosse Karikaturen. Ein grosser Plot-Haken zieht sich freilich auch durch die Geschichte und spätestens auf den letzten Seiten zweifelt der Leser an den Geisteszuständen von sich selbst oder den Protagonisten. Das gehört ja dazu.

Nur Wahnsinnige halten sich für gesund, hu?

10/13/2007

Firewall, Richard Loncraine

Wir wolln den Indy sehn, wir wolln den Indy sehn, schalalalalala.

Wie, noch nicht? Ach so. Erstmal Firewall. Mr. Ford ist Yuppie-Dad bei der Bank und fiese Gangster vergeiseln seine Familie damit er ihnen Geld rüberhackt.

Die technifizierte Welt ist Gefahr, Chance und Schlachtfeld hierbei. Cell phone, iPod, xp und so weiter. Entspannenderweise wird der Film nie politisch, so wie vielleicht "Der Staatsfeind Nr. 1" mit Hackman und Smith es ansatzweise war. Ford ist halt vor allem Vati. Das Ende mit der Spitzhacke war dann aber doch ein wenig abrupt, wenn auch erfrischend analog in der Ausführung. Der WASP und seine issues.

Uh, der wiki dazu sagt:
The plot line is similar to a real life robbery (the Securitas depot robbery) that occurred in Southern England on 22 February 2006, twelve days after the movie's release in the USA. The raid was the biggest to date in the history of English crime as armed thieves abducted and threatened the manager (and his family) of a cash storage depot for the Bank of England in order to gain access to over £53 million (approximately US$92.6 million).

Jetzt aber bald die Kristallschädel, ja?

The Darkling, Leong Po-chih

Manche Filme sind gut im Kontext. Dieser hier ist für sich genommen ein furchtbares Machwerk - aber im Zusammenhang mit anderem Konsum durchaus nützlich. Denn durch so einen Schrott merkt man, wie verwöhnt man doch eigentlich ist. Eine erfrischende Spei-Kur.

Charmefrei und spannungsarm robbt sich die Geschichte nach vorne, umschifft Hürden wie Logik und Sinn und fährt die Karre schliesslich gegen die Wand. Splatter-Elemente hätten das alles wenigstens witzig gemacht. Doch nein, da sitzt nur ein embryonaler Chucky in einem Vogelkäfig und lumpt sich durch die Köpfe. Ja, Vogelkäfig. Eine Leitidee kann unter Umständen unterstellt werden: der ehrliche Arbeiter zerbricht zwischen dem Innen und dem Aussen der Familieneinheit denn er will eigentlich nur an Autos schrauben. Klare Sache.

Die Kunden bekommen, was sie verdienen, hu? Wie im wirklichen Leben.

10/12/2007

Captain America 2.0

Der Kapitän ist tot, es lebe der Kapitän.

Ja freilich war es klar, dass der Über-Patriot nicht tot bleibt. Im Schlusskapitel der beachtlichen Civil War Storyline wurde der blonde Steve von Snipern erschossen und nun wurde die Ikone wiederbelebt.

Hier der Artikel bei Comic Book Resources und hier bei Marvel.

Das schwarze Spandex passt irgendwie nicht zu dem lackierten Torso. Aber man darf nicht vergessen, dass man sich auch an die Flügel an den Schläfen gewöhnt hat.

An Cap scheiden sich die Geister. "You think the 'A' on my head stands for France?" Jau, Cap, zeig's ihnen, den Feiglingen.

Es ist unklar, ob der neue Cap auch blond ist. Jedenfalls ist er nicht Steve. Revolutionär ist das da in der rechten Hand. Eine Waffe? EINE PISTOLE?!?! Das kann nicht richtig sein. Mal schaun, was passiert. Vielleicht ist das auch nur eine weitere verlegerische Finte.

In Rainbows, Radiohead

Welch ein neuartiger Vertrieb. Das ganze Album solls zum Download geben und man bezahlt keinen fixen Preis, sondern was man will. Hier geht das los. Da geht es aber tüchtig rund und teils geht der Server ziemlich unter.

Also wie kommt der Kram nun hier in den Graben? Erst mal nicht. Denn was nützen mp3s wenn man von Radiohead so fantastische Über-Verpackungen erwarten konnte? Ein Verweis auf die Bilderbuch-Edition von Amnesiac muss reichen. Radiohead bieten immer ein wenig MoMA-Feeling für den Karstadt-Kunden. Und wenn bei den ersten Durchläufen alles nach Hirnfrost klingt, helfen die Graphiken durchaus bei der Verdauung des Menues. Zum Glück soll das auf Materie fixierte Album auch noch erscheinen, dann allerdings auch nicht im normalen Rahmen: Bonus-DVD und Vinyl-Trallala liegen bei.

Kostet dann ja auch nur 40 £.

Diese Vorgehensweise können sich nur Giganten erlauben. Kleinere Acts müssen weiter bei myspace rumkrebsen und nur juveniler Enthusiasmus kann das Knarzen im dortigen Getriebe verzeihen. Niemand kann bestreiten, dass die Musikindustrie sich an Gegenwart und Zukunft anpassen muss. Aber ob Radiohead als Paradepferdchen in neue Marketing-Lösungen führen können ist zweifelhaft.

10/09/2007

Red Harvest, Dashiell Hammett

Oi, welch body count. Wahrlich eine rote Ernte, denn am Leben bleiben die wenigsten.

Anders als Chandlers Big Sleep geht es hier nicht in L.A. zur Sache, sondern in der depressionsgeschüttelten Provinz - Personville, aka Poisonville. Der Tonfall von Hammett ist erwartungsgemäss gelenkig, salopp und kantig. Doch anders als genannter Kollege geht es hier viel mehr um die Dialoge der Charaktere. Wo Chandler ab und an eine wahrlich existentialistische Wahrheit aufblitzen lässt, ist Hammett viel näher am Plot und lässt keine innere Reflektion zu. Somit kommt der wahre Horror erst in der Retrospektive des Lesers, also beim Tippen dieser Zeilen.

Alles ist getränkt in Schmutz, jeder ist sich selbst der nächste, und alle haben genug Gründe für Mord und Totschlag. Das ewige Gerede perlt dahin und der namenlose Protagonist-Ermittler kann freilich auch am Ende nicht das Böse so ausmerzen, wie es der Leser wohl gern hätte. Die Gangster werden zu Cops und die Klienten zu Tätern.

Nichts wird gut.

10/08/2007

Haunted, Chuck Palahniuk

Ist doch nur Spass.

Just you and what you bring in your one suitcase.

In leicht brodelnder Galle richtet uns' Chuck allerlei herzhafte Kurzgeschichten an. Diese sind gewohnt krass - hier hat der Künstler nur wenige Seiten zur Vefügung, um den Erwartungsdrang der Leser zu erfüllen. Angerichtet wird alles in einer grotesken Rahmenhandlung, die gewohnte Motive wie Klaustrophobie, Zwang, und Paranoia nutzt und schmückt. So manch ein Satz bebt vor Kraft und bildet zitternd einen ganzen Absatz. Kein Wort ist zuviel. Der Autor als Täter, inhaltlich wie auch stilistisch.

Chuck will nie die Hölle zeichnen - er will nur das Diesseits so grundlegend vernichten, dass man taumeln muss und mit einem leisen Wimmern weiterblättert.

Jede (j-e-d-e) der Geschichten beseitigt jedweden Appetit. Freilich gehts auch oft ganz direkt ums essen und gefressen werden. "I passed out and you - you ate my ass?" Katzen, Penisse, Frühgeburten. Chop, chop. Dann wieder gehts um Penetrationen jedweder Art - am glorreichsten ist die Geschichte um Betty, die gang-gebangte Beatmungspuppe.

Am bekanntesten mag der Opener "Guts" sein - sie bedient die urban myths der Masturbationsunfälle und ist so grotesk, dass die Lesungen derselben selbst zum Mythos wurden. Immer wieder kippten nämlich Teile der Hörerschaft in Ohnmacht. Das ist literarische Effizienz. Oder doch nur Biologie? Oder ein weiterer Hoax? Auch Palahniuks Epilog kann ihn nicht wirklich freisprechen.

Ausgezeichnet. Aber gut, dass es vorbei ist.

Ist doch nur Spass, hu?

Batman Begins, Christopher Nolan

Nanna-nanna-nanna-nanna-nanna-nanna-nanna... jawohl. Dem allgemeinen Lob für diese Umsetzung des Batman-Motivs kann man sich nur anschliessen.

Die Geschichte spielt jenseits aller Zeit, in einer fiktiven Stadt: es wird stets auf die Depression verwiesen und Elemente der 20er/30er verbinden sich mit aktuellen Motiven. Batman's Kosmos ist ein Symbol für seine Geschichte als Konsumgut. In Zeiten der Hard-Boiled Unterhaltung entstanden, schwang er sich neben anderen Maskulinitäten wie Spade und Marlowe auf, um Teil der westlichen Fast Food Kultur zu werden. Gotham's Name verweist an die Vorgänger jener U-Kultur, die im 19. Jahrhundert mit einem gewissen Poe grosse kommerzielle Erfolge feierte. Alles ist verknüpft, in Gotham und um Gotham herum, strukturell wie auch historisch.

Furcht als Motiv und Farbe zu benutzen war eine ausgezeichnete Idee. Die Zerstörung von Wayne Manor und die zeitweise Anarchisierung Gothams ist den jüngsten Entwicklungen im Bat-Universum entnommen. Der Schatten des Zombies umtost die Stadt.

Die Batman-Renaissance wurde übrigens mit Frank Miller eingeleitet, welcher auch für das jüngst gelobte Sin City verantwortlich ist.
Danke, Frank.

Bald kommt Nolans (und Bales) zweiter Batman. Statt des Tumblers wirds ein Batpod geben (eine Fledermaus-Harley quasi) und der Helm soll beweglich sein - eine Revolution. Vor allem aber wird Heath Ledger das Maul zu weit aufreissen.

Munich, Stephen Spielberg

Ein Thriller. Munich ist ein Thriller mit historischen Motiven. Sowas! Irgendwie ist Ryan hier im Graben immer noch als besonders besonders verankert, als grosse epische Parabel auf die grosse WW2-Narration. Aber Munich... die Erinnerung tangiert Carlito's Way und irgendwas mit Gene Hackman... Respektlose Zyniker mögen sagen, dass Spielberg hier auf den Hail-70's-Zug aufspringt (erst die Sitcom, dann die Remakes von Shaft bis TCM) der dann von Fincher mit Zodiac weiter geritten wurde.

Der Nahost-Konflikt ist so furchtbar blutig und verzwickt, dass er weder in einem Blog noch in einem Hollywood-Blockbuster auch nur ansatzweise sinnvoll erklärt werden kann. Bei Munich weist da aber leider nichts drauf hin.

Die Bilder sind freilich gelungen und als Drama geht das alles gut. Bana ist besser als damals, als er Banner sein sollte. Doch als Einführung in historisch-kulturelle Komplexitäten langt das nicht, dafür ist der Plot zu bekannt. Da reicht es auch nicht, in der Schlussszene die Türme ragen zu sehen. Mal wieder. Soll dies wirklich der Identitätsknoten für diese Generation sein, das Millenniums-Plateau für die westlichen Zivilisationen?

10/06/2007

King Kong, Peter Jackson

Der Ur-Kong wurde nie konsumiert und deshalb dachte man zuerst, dass Jackson hier ein wenig übertreibt. Das tut er aber eigentlich gar nicht. Heute würde freilich keiner mehr Saurier mit Affen kämpfen lassen, hu? Da kann man ja gleich Filme über riesige Roboter machen. Bei dem dicken Affen merkt man mal wieder, wie sich das ikonenhafte Bild von der Ur-Erzählung gelöst hat. Und schon raubt er die Prinzessin und Mario muss über die Fässer springen und den Hammer finden.

Hulk smash.

Aber schön wars - Filmgeschichte und dreistündige Verzuckerung zugleich. Mit wuchtigen Bildern kennt sich der Regisseur ja aus und er zögert auch nicht, dieses Wissen einzusetzen. Alles bleibt stimmig, da auch die Felsen um Skull Island herum designt wurden und auch der Broadway von damals. Jackson filmt fürs Kino und soll das auch weiter tun, ob nun Dreiteiler oder nicht. Etliche Kleinigkeiten bereichern das Ding - vor allem die Lektüre von Heart of Darkness vom Schiffsjungen ("Das ist gar keine Abenteuergeschichte!").

Naomi Watts ist goldig und kann neben den Polygonen bestehen - sie macht aus Ann weder eine Irre noch eine Blöde, nur weil die Rolle eben Affenliebe vorsieht.

Die Skyline von New York damals schrammt ein wenig an der Falling Man Thematik herum, doch das hat Herr Jackson sicher nicht gewollt. Los, weiter. Kong II geht schlecht und Godzilla hat leider auch schon einer neu aufgegossen. Muss also der Hobbit dran glauben.

10/05/2007

Falling Man, Don DeLillo

Alles nicht so einfach. Zunächst kann man denken, dass der womöglich wichtigste amerikanische Schriftsteller der Gegenwart mit seinem 9-11-Roman endlich Licht ins Dunkel bringt und die Verdauung des Ereignisses erleichtert. Das ist freilich falsch. DeLillo lässt es nicht zu, als lichtbringender Dämonenbezeichner zu fungieren: Falling Man ist bereits ein berühmtes Foto und hat bereits Texte und mediale Bearbeitungen inspiriert. Sollte DeLillo dies beim Schreiben gewusst haben, so kann man das als weiteren Bezug zur massenmedialen Gewaltkultur ansehen: der Autor begreift sich als ein weiterer Koch in einer unendlichen Küchenlandschaft.

In früheren Romanen hat DeLillo schon ein berühmtes Pferd gesattelt: any plot moves deathward, so wie bei Libra und White Noise. Der Tod ist mehr als Huibuh sondern geheiligtes Ende in der Zeichenkette dieser Epoche. Auch in Falling Man kann man diesen Gedanken aufspüren, doch das Pferd wird beileibe nicht geschunden. Der Performance-Künstler Falling Man stellt den Sturz nach, der Tod wird evident und zum Spektakel. Wieder ist es das kollektive Betrachten, das Massengefühl, welches unausweichlich mit dem event (ha!) verbunden ist. Wenn der Mann immer wieder fällt, taumeln dann auch die Türme immer wieder zu Boden? Wann hören die Bilder auf? Dem entgegen steht die grossartige Truppe Alzheimer-Patienten, die einen creative writing Zirkel bilden. Deren Tod ist nah doch ihr Geist schwebt woanders.

Besonders erwähnenswert ist DeLillos Art, Kinder darzustellen: wie schon Heinrich und Wilder in White Noise ist "The Kid" in Falling Man eine fast schon groteske alternative Lebensform - passiv doch aufmerksam, durchsichtig und doch massiv.

Freilich gibt es noch viele andere interessante Ideen. Dies ist keine Novelle, so wie The Body Artist. Und so kommt man auch zu dem eventuellen Haken bei der Evaluierung dieses Textes, sollte man das denn vorhaben: der Fallende Mann (ob in echt oder auf Foto oder beides) kennt nur eine Richtung, nämlich zum Tod hin. DeLillos kurzer Text hingegen bewegt sich seitwärts und schlingert sogar. Der Roman Falling Man kann nicht einstimmig gelobt werden. Die Erwartungen waren schlichtweg zu gross. Die vielen Perspektiven und Ideen (das existentialistische Erwachen durch Poker-Kultur etwa) verfransen sich ineinander und DeLillo weigert sich fast, eine Bühne für EIN wuchtiges Bild zu schaffen. Vielleicht ist es das, was er zeigen will: die Vielheit zwischen den Türmen und ihrer Zerstörung, die Vielheit zwischen diesem einem Datum und heute.

Interessanterweise lässt sich das dicke, dicke Underworld eher als Schlüssel zu 9-11 lesen als Falling Man. Hier gibt es die amerikanische (Gegen-)Idylle im Breitwandformat. Eine bezeichnende Randnotiz ist freilich, dass DeLillos dickstes Buch von 1997 die Twin Towers auf dem Cover hatte.

10/03/2007

Das Bourne Ultimatum, Paul Greengrass

Eigentlich gibt es ja noch zwei Bourne-Romane, doch die Filme werden jetzt aber wohl ihr Ende finden. Erstens sind Trilogien eine runde Sache und zweitens ist schon Teil Drei ganz knapp am Überflüssigsein vorbeigeschrammt - das aber auf höchst sympathische Weise.

Ja gut, es gibt auch einen dicken Plot-Haken, der erfolgreich genommen wird. Aber ansonsten sind die drei Teile einander sehr ähnlich. Was macht Bourne aber anders als Bond oder auch McClane? Zumindest lässt er die Ironie weg. Damon macht seine Sache gut, allerdings nur dadurch, dass sein Ausdrucksvermögen recht begrenzt ist. Mr. Affleck scheint das gleiche Problem zu haben - in Stoffen, die das berücksichtigen, kann die Leistung aber beim einen wie beim anderen sehr gut sein (siehe Hollywoodland).

Es ist das Fehlen von Humor, dass diesen Film so besonders macht. Ja, es ist ein dritter Teil und ja, wir werden wohl mehr über die mit Bourne verbundenen Fragen erfahren aber egal. Innovation durch Nicht-Innovation. Feiern der Nüchternheit. Keine Gadgets, keine Auren. Mit einer Vorführung von Bourne könnte man keine Appläuse im Saal verursachen, wie das bei Sin City der Fall ist. Man fühlt sich an Bournes Opa erinnert: das wäre wohl Clancys Jack Ryan, einst so stumpf-normal verkörpert von uns' Harrison. Achja: Ryan wurde auch einst vom Affleck verkörpert (sogar von einem Baldwin). Da schliessen sich wieder die Kreise zum Bourne hin.

Die deutsche Synchronstimme macht Matt zum ewigen Maschinenbau-Drittsemester. Unglücklich.

Hu, und der Brühl macht den Bruder der Potente. Funny Germans, indeed.

Beim Abspann: ist das Moby? Der gute alte Moby! Mach Sachen! Allahand! Den gibts noch? Der Song ist dem Film ähnlich: bewährt, sauber und zeitgemäss, doch leicht draussen aus dem üblichen Geschwurbel und somit durchaus passend.

Jason Bourne, unser Hafen der ellenbogenbrechenden Ruhe.

9/30/2007

Sin City, Frank Miller + Robert Rodriguez

Der wiederholte Konsum hat sich doch gelohnt, da auf der xxl-recut-trallala Edition eine theater version drauf ist: man hört die Reaktionen des Publikums bei der Premiere in Austin. Da weiss man, was man sieht, denn der Mob kann sich nicht irren. Ein anderes DVD-Schauen ergibt sich: der vereinzelte Applaus, die Zwischenrufe, das Gelächter bei den Schüssen ins Becken.

Normalerweise ist Bonus-Geschwurbel bei einer DVD immer so ein Kleingeldquetschen, das die Verpackung schöner macht aber dann eben doch nie angeschaut wird. Hier aber nicht wirklich: neben der besagten Tonspur enthält das Ding unter anderem auch noch eine recht aufschlussreiche Kochstunde von Herrn Rodriguez (breakfast tacos) und eine Version ohne Graphik-Einsatz, also mit purem greenscreen. Der Box soll auch ein Original Miller Comic beiliegen.

Das ist doch mal nett.

Der Film selbst begeistert noch immer. Bestehende Genre-Konventionen werden überzitiert und somit sehr, sehr sichtbar. Graphisch und inhaltlich ein Heidenspass. Die Episoden aus der schwarzweissroten Version von Los Angeles könnten ewig weitergehen.

Das filmgeschichtliche Kapitel, das Sin City begonnen hat, führt zwar auch zu solch skurrilen Geschossen wie 300, aber das kann dem Markt ja nicht schaden. Solange die Maschinen nur die Bilder machen, die die Hirne erst erdenken müssen, ist alles in Ordnung.

Die Vorfreude auf II und III steigt durchaus. Kauf da, sei ein Teilnehmer.

9/29/2007

Kiss Kiss Bang Bang, Shane Black

Die Vorzeichen waren schon ausgezeichnet: der sinnvollste Titel seit langem, die Kapitel sind nach Chandlers greatest hits benannt und Downey Jr. macht auch mit.

Jaja, es ist wieder nur so ein Krimi mit toten Ischen im Kofferraum, Kloppe auf dem Parkplatz und sinistren Lustgreisen. Die Geschwindigkeit dieser Filme ist ja manchmal etwas entnervend. Wer hat den Koffer und wer das Motiv und wem ist da was passiert? Hier ist das im Grossen und Ganzen auch so.

Aber eine Enttäuschung ist wahrlich nicht eingetreten. Kilmer macht den Gay Perry ganz wunderbar - eine entzückende Figur mit wundersamen Schusswaffen, die hoffentlich zukünftige Script-Schreiber beeindruckt. Michelle Monaghan (Harmony), die ernüchterte Dreissigplus, gibt pity-fucks aus wie andere Reiscracker, aber sie ist dabei stets authentisch und sauber.

Monaghan wird auch beim jüngst wegen Maddie verschobenen Gone Baby Gone mitspielen - das echte noir verdrängt das unterhaltsamere noir.

Und Downey soll knautschiger Präsident werden. Den polierten Iron Man kann man ihm jetzt echt nicht mehr abkaufen. Harrys off-Kommentare sind wunderbar, die ironische (und doch nie kühle) Nachbearbeitung des Geschehenen angebracht und stimmig. Ein wahrer Zauberer. Was der wohl mit zehn Fingern anstellen könnte. Der New Yorker in LA - muss ja schief gehen, nicht nur wegen der verdammten Wärme.

So wird's gemacht.

The Killer Inside Me, Jim Thompson

Wie auch Pop 1280 hat man es hier mit einer echten Sau als Protagonisten zu tun. Dass die 1950er so etwas wie das Thompson-Werk überhaupt ausgestossen haben, scheint bemerkenswert und revidiert mal wieder einige Klischees über die Zeit der Suburbanisierung. Lou ist krank, und was er tut, ist es auch. Der Titel ist Programm. Doch Lou ist immer noch der Sheriff und somit das Bollwerk gegen den ganzen Müll, der sich in den Windfängen der Kleinstadt sammelt.

Eigentlich will Lou nur der Kleinstadt entfliehen, und somit freilich auch dem unguten Stern, unter dem er geboren war. Das leere Haus des Vaters, ein Arzt, kann der missratene Spross nicht füllen. Der Erfolg bei der vernachlässigten Frauenwelt scheint ihm zu gefallen. Seine Fast-Verlobte, natürlich die persilreine und doch aalgeile Grundschullehrerin, bekommt statt eines Ringes und einer Beteiligung an Lous Leben aber doch nur die Faust ins Zwerchfell.

Die Wildnis von West Texas hat Lou zu einem Tier werden lassen. Kein Cowboy-Mythos kann ihn auffangen. Der Showdown wirkt somit fast grotesk anachronistisch: mit der Flinte im Anschlag wird der Übermacht und dem Schicksal entgegengehechtet. Aus der Tür hinaus ins Helle.

Lous Wagenburg war auf rotem Schlamm gebaut, quasi.

Hammetts Red Harvest scheint der nächste logische Schritt zu sein. Und hier gibts erstmal das fiese Thompson-Stück.

9/28/2007

The Waste Land, T.S. Eliot

Meine Damen und Herren, aus gegebenem Anlass: Poesie, unkommentiert.

Vier Zeilen vom Waste Land:

I sat upon the shore
Fishing, with the arid plain behind me
Shall I at least set my lands in order?
London Bridge is falling down falling down falling down

Der komplette Text steht auch im Projekt Gutenberg.

THE WASTE LAND


"Nam Sibyllam quidem Cumis ego ipse oculis meis
vidi in ampulla pendere, et cum illi pueri dicerent:
Sibylla ti theleis; respondebat illa: apothanein thelo."


I. THE BURIAL OF THE DEAD

April is the cruellest month, breeding
Lilacs out of the dead land, mixing
Memory and desire, stirring
Dull roots with spring rain.
Winter kept us warm, covering
Earth in forgetful snow, feeding
A little life with dried tubers.
Summer surprised us, coming over the Starnbergersee
With a shower of rain; we stopped in the colonnade,
And went on in sunlight, into the Hofgarten, 10
And drank coffee, and talked for an hour.
Bin gar keine Russin, stamm' aus Litauen, echt deutsch.
And when we were children, staying at the archduke's,
My cousin's, he took me out on a sled,
And I was frightened. He said, Marie,
Marie, hold on tight. And down we went.
In the mountains, there you feel free.
I read, much of the night, and go south in the winter.

What are the roots that clutch, what branches grow
Out of this stony rubbish? Son of man, 20
You cannot say, or guess, for you know only
A heap of broken images, where the sun beats,
And the dead tree gives no shelter, the cricket no relief,
And the dry stone no sound of water. Only
There is shadow under this red rock,
(Come in under the shadow of this red rock),
And I will show you something different from either
Your shadow at morning striding behind you
Or your shadow at evening rising to meet you;
I will show you fear in a handful of dust. 30
Frisch weht der Wind
Der Heimat zu
Mein Irisch Kind,
Wo weilest du?
"You gave me hyacinths first a year ago;
"They called me the hyacinth girl."
- Yet when we came back, late, from the Hyacinth garden,
Your arms full, and your hair wet, I could not
Speak, and my eyes failed, I was neither
Living nor dead, and I knew nothing, 40
Looking into the heart of light, the silence.
Od' und leer das Meer.

Madame Sosostris, famous clairvoyante,
Had a bad cold, nevertheless
Is known to be the wisest woman in Europe,
With a wicked pack of cards. Here, said she,
Is your card, the drowned Phoenician Sailor,
(Those are pearls that were his eyes. Look!)
Here is Belladonna, the Lady of the Rocks,
The lady of situations. 50
Here is the man with three staves, and here the Wheel,
And here is the one-eyed merchant, and this card,
Which is blank, is something he carries on his back,
Which I am forbidden to see. I do not find
The Hanged Man. Fear death by water.
I see crowds of people, walking round in a ring.
Thank you. If you see dear Mrs. Equitone,
Tell her I bring the horoscope myself:
One must be so careful these days.

Unreal City, 60
Under the brown fog of a winter dawn,
A crowd flowed over London Bridge, so many,
I had not thought death had undone so many.
Sighs, short and infrequent, were exhaled,
And each man fixed his eyes before his feet.
Flowed up the hill and down King William Street,
To where Saint Mary Woolnoth kept the hours
With a dead sound on the final stroke of nine.
There I saw one I knew, and stopped him, crying "Stetson!
"You who were with me in the ships at Mylae! 70
"That corpse you planted last year in your garden,
"Has it begun to sprout? Will it bloom this year?
"Or has the sudden frost disturbed its bed?

Line 42 Od'] Oed' - Editor.

"Oh keep the Dog far hence, that's friend to men,
"Or with his nails he'll dig it up again!
"You! hypocrite lecteur! - mon semblable, - mon frere!"

II. A GAME OF CHESS

The Chair she sat in, like a burnished throne,
Glowed on the marble, where the glass
Held up by standards wrought with fruited vines
From which a golden Cupidon peeped out 80
(Another hid his eyes behind his wing)
Doubled the flames of sevenbranched candelabra
Reflecting light upon the table as
The glitter of her jewels rose to meet it,
From satin cases poured in rich profusion;
In vials of ivory and coloured glass
Unstoppered, lurked her strange synthetic perfumes,
Unguent, powdered, or liquid - troubled, confused
And drowned the sense in odours; stirred by the air
That freshened from the window, these ascended 90
In fattening the prolonged candle-flames,
Flung their smoke into the laquearia,
Stirring the pattern on the coffered ceiling.
Huge sea-wood fed with copper
Burned green and orange, framed by the coloured stone,
In which sad light a carved dolphin swam.
Above the antique mantel was displayed
As though a window gave upon the sylvan scene
The change of Philomel, by the barbarous king
So rudely forced; yet there the nightingale 100
Filled all the desert with inviolable voice
And still she cried, and still the world pursues,
"Jug Jug" to dirty ears.
And other withered stumps of time
Were told upon the walls; staring forms
Leaned out, leaning, hushing the room enclosed.
Footsteps shuffled on the stair.
Under the firelight, under the brush, her hair
Spread out in fiery points
Glowed into words, then would be savagely still. 110

"My nerves are bad to-night. Yes, bad. Stay with me.
"Speak to me. Why do you never speak. Speak.
"What are you thinking of? What thinking? What?
"I never know what you are thinking. Think."

I think we are in rats' alley
Where the dead men lost their bones.

"What is that noise?"
The wind under the door.
"What is that noise now? What is the wind doing?"
Nothing again nothing. 120
"Do
"You know nothing? Do you see nothing? Do you remember
"Nothing?"

I remember
Those are pearls that were his eyes.
"Are you alive, or not? Is there nothing in your head?"
But
O O O O that Shakespeherian Rag -
It's so elegant
So intelligent 130
"What shall I do now? What shall I do?"
I shall rush out as I am, and walk the street
"With my hair down, so. What shall we do to-morrow?
"What shall we ever do?"
The hot water at ten.
And if it rains, a closed car at four.
And we shall play a game of chess,
Pressing lidless eyes and waiting for a knock upon the door.

When Lil's husband got demobbed, I said -
I didn't mince my words, I said to her myself, 140
HURRY UP PLEASE ITS TIME
Now Albert's coming back, make yourself a bit smart.
He'll want to know what you done with that money he gave you
To get yourself some teeth. He did, I was there.
You have them all out, Lil, and get a nice set,
He said, I swear, I can't bear to look at you.
And no more can't I, I said, and think of poor Albert,
He's been in the army four years, he wants a good time,
And if you don't give it him, there's others will, I said.
Oh is there, she said. Something o' that, I said. 150
Then I'll know who to thank, she said, and give me a straight look.
HURRY UP PLEASE ITS TIME
If you don't like it you can get on with it, I said.
Others can pick and choose if you can't.
But if Albert makes off, it won't be for lack of telling.
You ought to be ashamed, I said, to look so antique.
(And her only thirty-one.)
I can't help it, she said, pulling a long face,
It's them pills I took, to bring it off, she said.
(She's had five already, and nearly died of young George.) 160
The chemist said it would be alright, but I've never been the same.
You are a proper fool, I said.
Well, if Albert won't leave you alone, there it is, I said,
What you get married for if you don't want children?
HURRY UP PLEASE ITS TIME
Well, that Sunday Albert was home, they had a hot gammon,
And they asked me in to dinner, to get the beauty of it hot -
HURRY UP PLEASE ITS TIME
HURRY UP PLEASE ITS TIME
Goonight Bill. Goonight Lou. Goonight May. Goonight. 170
Ta ta. Goonight. Goonight.
Good night, ladies, good night, sweet ladies, good night, good night.

III. THE FIRE SERMON

The river's tent is broken: the last fingers of leaf
Clutch and sink into the wet bank. The wind
Crosses the brown land, unheard. The nymphs are departed.
Sweet Thames, run softly, till I end my song.
The river bears no empty bottles, sandwich papers,
Silk handkerchiefs, cardboard boxes, cigarette ends
Or other testimony of summer nights. The nymphs are departed.
And their friends, the loitering heirs of city directors; 180
Departed, have left no addresses.

Line 161 ALRIGHT. This spelling occurs also in
the Hogarth Press edition - Editor.

By the waters of Leman I sat down and wept . . .
Sweet Thames, run softly till I end my song,
Sweet Thames, run softly, for I speak not loud or long.
But at my back in a cold blast I hear
The rattle of the bones, and chuckle spread from ear to ear.
A rat crept softly through the vegetation
Dragging its slimy belly on the bank
While I was fishing in the dull canal
On a winter evening round behind the gashouse 190
Musing upon the king my brother's wreck
And on the king my father's death before him.
White bodies naked on the low damp ground
And bones cast in a little low dry garret,
Rattled by the rat's foot only, year to year.
But at my back from time to time I hear
The sound of horns and motors, which shall bring
Sweeney to Mrs. Porter in the spring.
O the moon shone bright on Mrs. Porter
And on her daughter 200
They wash their feet in soda water
Et O ces voix d'enfants, chantant dans la coupole!

Twit twit twit
Jug jug jug jug jug jug
So rudely forc'd.
Tereu

Unreal City
Under the brown fog of a winter noon
Mr. Eugenides, the Smyrna merchant
Unshaven, with a pocket full of currants 210
C.i.f. London: documents at sight,
Asked me in demotic French
To luncheon at the Cannon Street Hotel
Followed by a weekend at the Metropole.

At the violet hour, when the eyes and back
Turn upward from the desk, when the human engine waits
Like a taxi throbbing waiting,
I Tiresias, though blind, throbbing between two lives,
Old man with wrinkled female breasts, can see
At the violet hour, the evening hour that strives 220
Homeward, and brings the sailor home from sea,
The typist home at teatime, clears her breakfast, lights
Her stove, and lays out food in tins.
Out of the window perilously spread
Her drying combinations touched by the sun's last rays,
On the divan are piled (at night her bed)
Stockings, slippers, camisoles, and stays.
I Tiresias, old man with wrinkled dugs
Perceived the scene, and foretold the rest -
I too awaited the expected guest. 230
He, the young man carbuncular, arrives,
A small house agent's clerk, with one bold stare,
One of the low on whom assurance sits
As a silk hat on a Bradford millionaire.
The time is now propitious, as he guesses,
The meal is ended, she is bored and tired,
Endeavours to engage her in caresses
Which still are unreproved, if undesired.
Flushed and decided, he assaults at once;
Exploring hands encounter no defence; 240
His vanity requires no response,
And makes a welcome of indifference.
(And I Tiresias have foresuffered all
Enacted on this same divan or bed;
I who have sat by Thebes below the wall
And walked among the lowest of the dead.)
Bestows one final patronising kiss,
And gropes his way, finding the stairs unlit . . .

She turns and looks a moment in the glass,
Hardly aware of her departed lover; 250
Her brain allows one half-formed thought to pass:
"Well now that's done: and I'm glad it's over."
When lovely woman stoops to folly and
Paces about her room again, alone,
She smoothes her hair with automatic hand,
And puts a record on the gramophone.

"This music crept by me upon the waters"
And along the Strand, up Queen Victoria Street.
O City city, I can sometimes hear
Beside a public bar in Lower Thames Street, 260
The pleasant whining of a mandoline
And a clatter and a chatter from within
Where fishmen lounge at noon: where the walls
Of Magnus Martyr hold
Inexplicable splendour of Ionian white and gold.

The river sweats
Oil and tar
The barges drift
With the turning tide
Red sails 270
Wide
To leeward, swing on the heavy spar.
The barges wash
Drifting logs
Down Greenwich reach
Past the Isle of Dogs.
Weialala leia
Wallala leialala

Elizabeth and Leicester
Beating oars 280
The stern was formed
A gilded shell
Red and gold
The brisk swell
Rippled both shores
Southwest wind
Carried down stream
The peal of bells
White towers
Weialala leia 290
Wallala leialala

"Trams and dusty trees.
Highbury bore me. Richmond and Kew
Undid me. By Richmond I raised my knees
Supine on the floor of a narrow canoe."

"My feet are at Moorgate, and my heart
Under my feet. After the event
He wept. He promised 'a new start'.
I made no comment. What should I resent?"
"On Margate Sands. 300
I can connect
Nothing with nothing.
The broken fingernails of dirty hands.
My people humble people who expect
Nothing."
la la

To Carthage then I came

Burning burning burning burning
O Lord Thou pluckest me out
O Lord Thou pluckest 310

burning

IV. DEATH BY WATER

Phlebas the Phoenician, a fortnight dead,
Forgot the cry of gulls, and the deep sea swell
And the profit and loss.
A current under sea
Picked his bones in whispers. As he rose and fell
He passed the stages of his age and youth
Entering the whirlpool.
Gentile or Jew
O you who turn the wheel and look to windward, 320
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as you.

V. WHAT THE THUNDER SAID

After the torchlight red on sweaty faces
After the frosty silence in the gardens
After the agony in stony places
The shouting and the crying
Prison and palace and reverberation
Of thunder of spring over distant mountains
He who was living is now dead
We who were living are now dying
With a little patience 330

Here is no water but only rock
Rock and no water and the sandy road
The road winding above among the mountains
Which are mountains of rock without water
If there were water we should stop and drink
Amongst the rock one cannot stop or think
Sweat is dry and feet are in the sand
If there were only water amongst the rock
Dead mountain mouth of carious teeth that cannot spit
Here one can neither stand nor lie nor sit 340
There is not even silence in the mountains
But dry sterile thunder without rain
There is not even solitude in the mountains
But red sullen faces sneer and snarl
From doors of mudcracked houses
If there were water
And no rock
If there were rock
And also water
And water 350
A spring
A pool among the rock
If there were the sound of water only
Not the cicada
And dry grass singing
But sound of water over a rock
Where the hermit-thrush sings in the pine trees
Drip drop drip drop drop drop drop
But there is no water

Who is the third who walks always beside you? 360
When I count, there are only you and I together
But when I look ahead up the white road
There is always another one walking beside you
Gliding wrapt in a brown mantle, hooded
I do not know whether a man or a woman
- But who is that on the other side of you?

What is that sound high in the air
Murmur of maternal lamentation
Who are those hooded hordes swarming
Over endless plains, stumbling in cracked earth 370
Ringed by the flat horizon only
What is the city over the mountains
Cracks and reforms and bursts in the violet air
Falling towers
Jerusalem Athens Alexandria
Vienna London
Unreal

A woman drew her long black hair out tight
And fiddled whisper music on those strings
And bats with baby faces in the violet light 380
Whistled, and beat their wings
And crawled head downward down a blackened wall
And upside down in air were towers
Tolling reminiscent bells, that kept the hours
And voices singing out of empty cisterns and exhausted wells.

In this decayed hole among the mountains
In the faint moonlight, the grass is singing
Over the tumbled graves, about the chapel
There is the empty chapel, only the wind's home.
It has no windows, and the door swings, 390
Dry bones can harm no one.
Only a cock stood on the rooftree
Co co rico co co rico
In a flash of lightning. Then a damp gust
Bringing rain

Ganga was sunken, and the limp leaves
Waited for rain, while the black clouds
Gathered far distant, over Himavant.
The jungle crouched, humped in silence.
Then spoke the thunder 400
DA
Datta: what have we given?
My friend, blood shaking my heart
The awful daring of a moment's surrender
Which an age of prudence can never retract
By this, and this only, we have existed
Which is not to be found in our obituaries
Or in memories draped by the beneficent spider
Or under seals broken by the lean solicitor
In our empty rooms 410
DA
Dayadhvam: I have heard the key
Turn in the door once and turn once only
We think of the key, each in his prison
Thinking of the key, each confirms a prison
Only at nightfall, aetherial rumours
Revive for a moment a broken Coriolanus
DA
Damyata: The boat responded
Gaily, to the hand expert with sail and oar 420
The sea was calm, your heart would have responded
Gaily, when invited, beating obedient
To controlling hands

I sat upon the shore
Fishing, with the arid plain behind me
Shall I at least set my lands in order?
London Bridge is falling down falling down falling down
Poi s'ascose nel foco che gli affina
Quando fiam ceu chelidon - O swallow swallow
Le Prince d'Aquitaine a la tour abolie 430
These fragments I have shored against my ruins
Why then Ile fit you. Hieronymo's mad againe.
Datta. Dayadhvam. Damyata.
Shantih shantih shantih