1/21/2009

Zeiten des Aufruhrs, Sam Mendes

Auweia, ist das ein guter Film.

Vorweg ist der dämliche deutsche Titel anzuprangern, den die noch nicht genug gescholtenen Marketing-Idioten dem Produkt aufgebraten haben. Aber das ist ja kein neues Problem.

Zur Sache: Winslet und DiCaprio machen das junge Vorstadtpaar auf enorm beeindruckende Weise, und ihr Über-Schmonz-Produkt des letzten Jahrtausends wirft zu keinem Zeitpunkt einen Schatten in die Revolutionary Road. Die 1950er an sich spielen hier keineswegs die Hauptrolle, es wird keine Nostalgieschiene gefahren: jawohl, die Menschen stehen im Mittelpunkt.

Und was für welche? Getriebene und Treibende, Suchende und Ungefundene freilich: aber auch hier schlägt der Drama-Hammer nicht wuchtig zu. Mendes nutzt die Stille und den Platz und den Raum so hervorragend, dass man als Konsument keine plakative Bedienung des ewig Gleichen erhält.

American Beauty war und ist ein Spitzenfilm, doch er hat einiges an Strahlkraft verloren weil seine Motive mittlerweile bei prime time Serien angekommen sind. In der Revolutionary Road wird die durchkapitalisierte Bürgergesellschaft frischer geschildert: nicht in ihrer Kaputtheit, sondern in ihrer Zerbrechlichkeit.

Da will man fast den Roman von Richard Yates lesen. Er ist sicherlich einer dieser Autoren, der wie John Updike mit seinem Rabbit in den bieder-beiläufigen Abgrund führen kann.

Großartig. Großartig. Großartig.

1/19/2009

Revolver, Guy Ritchie

Viele Leute hassen diesen Film bestimmt, denn Herr Ritchie lässt die Gangster-Comedy-Horror-Filme hinter sich. Hier ist ein Nachdenker am Werk, der den Menschen mitteilen will, was er sich so zum Denken und der Oberfläche und dem Geschichtenerzählen überlegt hat. Kinematographisch-kognitive Metaphysik halt. Die Kriminalgeschichte ist nur der Deckmantel für eine Exkursion ins Ich-Thema.

Der Ansatz ist knifflig, aber nicht mehr originell. Andere haben das leider schon besser gemacht. Jason Statham tut das was er kann gut (sogar mit Haaren), aber gegen ein überambitioniertes (böse Konsumenten könnten sagen: planloses) Drehbuch kommt er nicht an.

Revolver ist ein guter Einstieg für den anstehenden Konsum von I Am A Strange Loop von Douglas R. Hofstadter (zum Abspann dürfen sogar einige Wissenschaftler zu Wort kommen). Das ist schön. Aber will man denn, dass ein Film von Guy Ritchie sowas ist? Vielleicht geht er ja bald mal wieder mit mehr Herz(-blut) ans Filmemachen und mit weniger Hirn.

Angels, Denis Johnson

Johnsons Debütroman ist herb und körnig und beschreibt die amerikanische Welt da draußen, zwischen Tankstellen und Imbissbuden und dem Klein-Sein. Ein Paar findet sich und beide sind bereits gebrochen - aneinander brechen sie noch mehr und dann enden ihre Geschichten in Nervenklinik und Todeszelle.

Johnson umarmt niemanden, so wie es der Mann in Schwarz manchmal tat und so wie Mike Ness es kann. Er ist auch viel weniger gnostisch-erhaben als McCarthy. Angels ist anti-gloriös geschrieben und räudig und offenbart die Knochenmühle der Chancenlosen, die sich durch unverständlichen Aktionismus eigentlich nur näher an ihr Ende bringen können.

Seltsamer Nebeneffekt beim Konsum von Angels: Johnsons Roman Fiskadoro rutscht wieder auf die ToDo-Liste, der wurde vor langen Jahren einmal konsumiert aber wohl nie so ganz verdaut. Da geht es um postapokalyptischen Fischfang jenseits der Donnerkuppel und andere letzte/erste Dinge.