9/06/2013

Batman: The Court of Owls, Vol. 1, Scott Snyder & Greg Capullo

Hier und hier. Was lange braucht, kommt endlich per Post.

Dies ist wieder ein schwelgerisches Epos, das mitten in Gotham sitzt und direkt auf Batman selbst abzieht. Es wird ein wenig Retcon betrieben, aber mit Stil. Wieder ist es das Burschentrauma, wieder ist es der lange Schatten der Familie Wayne, der die Handlung verursacht und antreibt.

Hier also Eule gegen Fledermaus. Und was für eine Eule: wie ein Steampunk-Ninja mit Messern kommt er daher, der Scherge. Und diese scharfen Klauen und Zähne lassen tatsächlich zucken, denn sie treffen auch des öfteren.

Eine besondere Freude ist die Neubearbeitung des Gefangenschafts-Themas: Batman steckt im Labyrinth und im eigenen Kopf fest. Wie das hier graphisch umgesetzt wurde, geht auf keine Tierhaut. Ein richtig gutes Ding das richtig viel Erwartung für die Fortsetzung verursacht.

Kitchen Confidential: Adventures in the Culinary Underbelly, Anthony Bourdain

Hier. Freilich kennt man Herrn Bourdain zunächst einmal aus dem Fernsehen. Dort ist er der erträglichste Koch, da er vor allem reist und isst. Hier schreibt er auch noch mit beeindruckender Geschwindigkeit über seinen eigenen beruflichen Werdegang, und das ist teils verblüffend, teils freilich sehr ekelhaft, und immer wieder das, was man auch heutzutage noch "authentisch" nennt.

So erzählt er manchmal von dem ganzen Koks und dem Heroin. Aber außer, dass das irgendwann dann auch vorbei war, sagt er nichts weiter. Er fährt eben keine Leidensgeschichte ab, gibt keine Schuld wie auch er selbst sich als Schuldigen bezeichnet. Bourdain wagt es auch, Menschen zu beschimpfen. Er fährt eine beeindruckende binäre Pragmatik in der Küche und wie er sich daran erinnert - das beeindruckt zunächst den Konsumenten auf der Couch und dann vielleicht auch den Management-Troll, der sich mehr um Entscheidungsprozesse kümmert. Und die Küche ist voller Entscheidungen. Kleine und unrühmliche und sie ist festgefahren in einen herben Ort- und Zeitapparat: wer zu lange Zwiebeln schält, hat am Ende eben viele Zwiebeln und trotzdem noch nicht den Austernlieferanten beschimpft, obgleich letzteres auch wichtig ist.

Schnell und teils sogar ziemlich lecker. Man möchte auch einen Brot-Irren kennen, der mit seinen Hefen konferiert und so eben echt feines Backwerk bauen kann.

9/05/2013

Point Omega, Don DeLillo

Noch einmal dies hier.

Alles faltet sich ineinander. Alles wird immer komplexer und für Augenzeugen komplizierter. Staaten wachsen und wuchern. Hirne wachsen und wuchern. Je mehr man von der Atmosphäre weiß, desto ungläubiger und nichtiger sitzt man unter dem Himmelszelt, das eben gar kein Zelt ist.

Und das alles wird gerahmt vom Film und seinen Möglichkeiten: wenn wir Licht und Ton einfangen und konservieren und dann erneut losjagen lassen, haben wir dann die Zeit gebeugt? Und ist ein sehr langsam abgespielter Film besonders real, weil das Menschenhirn und seine Augen dann viel mehr Zeit haben, die Informationen aufzunehmen? Oder ist Information etwa nicht der schönen Newtonischen Ordnung untergeordnet? Könnte es sein dass das Hirn so viel mehr ist als ein Faktenverwalter, so viel mehr als ein zerstreubares Opfer in einem vibrierenden materiellen Universum? Könnte die Hoffnung, mit Film irgendetwas aufklären oder erleichtern zu wollen, von Anfang an eben nur dies sein, eine Hoffnung?

Prachtvolles, feines, feistes Ding, das.

9/02/2013

Casablanca, Michael Curtiz

Hier und hier. Nun endlich der Konsum dieses Klassikers. Hat er gefallen? Durchaus, doch der marktwirtschaftliche Erfolg bleibt rätselhaft: was ist das für ein Hype, der da entstand und wie konnte er so lange überleben? Vielleicht ist das der abenteuerliche Hintergrund, denn schließlich sind Nazis und KZs mit von der Partie. Es gibt also eine Referenz zur totalen Weltpolitik. Vielleicht ist es auch die erzwungenermaßen scheiternde und doch fortbestehende Liebe zweier Menschen, die eben keine Teenager mehr sind, die diesen Film zur Referenz werden ließen.

Vielleicht ist es eine Kombination aus beiden. Keine Teenies und ernsthafte Geschehnisse, die einen Erwachsenen stets etwas angehen. Die beeindruckend gerahmten Protagonisten trugen ihren Teil dazu bei: Herr Bogart knurrt, Frau Bergman strahlt. Zusammen zentrieren sie dieses Melodrama-Abenteuer-Ding wie niemand seitdem. OK, vielleicht später Rock Hudson und Doris Day, aber da war ja dann der Krieg vorbei, las man jedenfalls.


The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford, Andrew Dominik

Hier und hier. Und das ist ein guter Film. Das ist ein kluger Film. Das ist ein Epos gegen die Epik und dann wieder für die Epik und hier traut sich einmal jemand, das gesamte Panorama einzufangen, dass eine lebende Sackgasse von einem Menschen zu bieten hat.

Freilich kann man hier eine bloße menschelnde Allegorie auf die brutale Pädagogik der Idole im massenkommunizierenden Alltag sein. Freilich kann man hier eine große Traurigkeit fühlen. Aber hier geht es auch um das, worum es in jedem grandiosen Western geht: um das Land und seinen Blick darauf. Hier gibt es Räuber, die heimatlos und haltlos durch ihre Lebensdekaden taumeln, die jedwede Orientierung verloren haben und noch nicht einmal in der Lage sind, diesen Verlust zu artikulieren.

Vielleicht gefällt der Film nicht, weil er so lang ist. Aber eigentlich ist er zu kurz. Der Konsument ist ebenso entwurzelt wie der Held und sein Mörder (oder der Held und sein Feind, je nachdem) und am Ende machen die eingetrübten Linsen der Kamera einen Sinn: denn es ist die mediale Perspektive, die geheuchelte Authenzität, die einen und alle in den Abgrund reist. James ist eine Trophäe, ein auratisches Artefakt, im Leben wie im Tode. Man kann in seinem Schlaglicht nicht neutral bleiben, man ist affektiv und kognitiv mit ihm verknüpft.

The Limits of Control, Jim Jarmusch

Hier und hier. Dies ist die Antithese von Dead Man auf mehrfache Art und Weise. Hier stirbt keiner, hier wird der Tod gebracht. Hier gibt es keine Reise in die Zukunft des Verfalls sondern in die Zentrale der Macht. Hier ist der Protagonist stets kontrolliert, wie es eben im Titel steht, und driftet nicht seinem Ende entgegen wie der tote Mann. Und auch im Titel steht die Endlichkeit der Kontrolle und selbige hat der eiskalte Held wahrlich prachtvoll internalisiert. Schläft nicht. Zögert nicht. Kleidet sich entsprechend. Macht sich die Kommunikations- und Verhaltensregeln seines Berufes sehr zu eigen. Verschwindet nach belieben.

Trotzdem reist er durch eine teils sehr abstruse Welt aus Versuchung und Verfall und macht überall dort Station, wo die Entropie bereits um sich gegriffen hat. Seltsame Charaktere finden ihn und einander. Dort hinten aber, im Zentrum der Entropie, haben die USA (das Imperium wird hier sehr fein von Bill Murray angeführt) ihren Bunker. Hier haben sie die Klauen in den Staub geschlagen. Hier führen die Streichholzschachteln hin.

Trotz dieses Helden ist der Film nicht ohne Humor. Am meisten in Erinnerung bleibt aber die sinnhafte Härte, die beeindruckende Unerbittlichkeit des Handelnden, die weit mehr ist als bloße Parodie auf Kriminalfilmelemente und dergleichen. Herr Jarmusch lässt handeln und denken.

I'm Not There, Todd Haynes

Hier und hier. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban. Ray-Ban.

Dieser Film ist eigentlich eine Kopfgeburt, wird seiner Thematik aber mehr als gerecht. Wie kann eine Biographie anders erfasst werden als in Episoden? Den großen kohärenten Erzählstrang gibt es nur im Eskapistenkino. Eigentlich erneuern sich die Zellen stetig und man wechselt Moden und Trachten und Perspektiven wie andere Menschen, Gruppen, und Gemeinschaften auch. Schlimm ist das bei einer so angespannten Beobachtungssituation wie bei Herrn Dylan. Er soll so viel sein. Er hat so viel zu tun. Er soll seiner Kundschaft treu sein und vor allem "sich selbst". Die größte Dämlichkeit liegt in diesem dogmatischen Glauben an ein echtes Ich, an eine reale Instanz da irgendwo drinnen. Haynes hat das hier sehr elegant erforscht.

Magnolia, Paul Thomas Anderson

Hier und hier. Die Floristik im Titel deutet schon auf die Ökologie hin, die hier dargestellt wird: alles ist verbunden und in bester Manier von Short Cuts und auch LA Crash fließen hier die Fluchtlinien zusammen und die sehr diverse Protagonistenschar ist irgendwie lockerer oder fester miteinander verbunden. Manche dieser Linien verfestigen sich, manche verdünnen sich.

Das ist schönes Mainstream-Kino, weil es ein ehrliches "wir" definiert. Es legt dar, wie im Guten und im Schlechten letztlich alle Orte und Zeiten geteilt werden. Dieser Himmel, unter dem alles stattfinden, ist gottseidank säkular. Hier zählt die Meteorologie, nicht göttliche Fügung. Und manchmal bringt der Himmel Taucher (Patton Oswalt!) und ziemlich derbe Frösche und setzt sie der Gravitation aus.