11/19/2009

Father of Lies, Brian Evenson

Gerne machen sich feiertags aufgeklärte Europäer über den Glauben der nordamerikanischen Bevölkerung lustig. Fundamentalismus wird genannt und mit großem tststs wird die Bezeugung der Liebe zu Jesus dort belächelt. Vielleicht könnte deshalb ein kleiner Roman wie FoL hier nicht funktionieren. Muss er aber auch nicht.

Ein Gläubiger hat ein Problem. Er wütet in seiner Gemeinde und vergeht sich an ihren jungen Mitgliedern. Zum Arzt wird er geschickt. Den trickst er aus. Der Gemeindevorstand deckt ihn dabei, allerdings mit einer wahrlich bizarren Heilsrhetorik. Und dann reden auch noch seltsame Gestalten mit ihm, die nur er sehen kann. Das hat nichts mit dem filmischen Sakralhorror zu tun, der unter dem Chiffre 666 laufen könnte. Dies ist die Geschichte eines Vaters, der sowohl Opfer ist als auch Opfer produziert. Treudoofe Schafschristen und Thrillseeker stößt der Roman zwischen die (stumpfen) Hörner.

Evensons Sprache ist schnell und unbefangen, er wechselt mühelos zwischen der Perspektive des Triebtäters und des Vaters hin und her. Keine ist bequem. No line left behind. Vater unser? Vater derer.

Der Autor (hier online, hier wiki) selbst soll wegen eines Romans seinen Job in einer christlichen Institution verloren haben. Sei's drum - der kommt auch noch auf die Liste. Echt gutes Zeug, das. Die Neugierde auf The Open Curtain wächst.

2012, Roland Emmerich

PFFFRRRRRCH! Ka-PFRUCHCHCHCHCHCH! PRPRPRPRUUUFFFFFFFFF!

10.000 BC ist noch nicht verwunden, aber mit 2012 ist Herr E. auf einem guten Weg. Warum? Weil alles so herrlich kaputtgeht. Kaputt ist besser als heile, denn das passiert nur einmal. Raumzeitbruch, events deluxe. Hurra!

Die Schelme der FAZ und anderer morbider Medienhäuser mögen ein Wortspiel mit "Oberfläche" wagen: so wie die Erdkruste aufbricht und ihre Tiefe offenbart, so sehr dümpelt die Handlung des Filmes in stetiger Beschleunigung dahin. Mumpitz! Thema verfehlt, sechs.

Was viele von den gesellschaftlichen Bewahrern (FAZ-Beteiligte, Kindergärtner, Polizisten, nüchterne Kneipiers) nicht verstehen wollen: nur in der Apokalypse ist endlich was los, nur bei der rückhaltlosen Zerstörung hat der Betrachter die Chance, das Erhabene zu erleben. Deswegen ist wahrscheinlich auch das Panorama des WW2 so ein Evergreen. Das ist mehr als Flucht, das ist auch Selbstauflösung.

11/16/2009

Der Informant!, Steven Soderbergh

Vielleicht ist das ein Neidfilm. Brad und George haben den famosen Burn After Reading gemacht und die Groteskereien der Coens ausgelotet. Soderbergh benutzt also den dritten Ocean's-1X-Stern und macht seinerseits einen Film über seltsame Begebenheiten und noch seltsamere Menschen. Nagut, das muss nicht stimmen.

Der Informant! verteidigt Paranoia als Status Quo und befreit sie aus der Spinner-Ecke. Freilich ist alles verknüpft und ein jeder belügt jeden und freilich muss ein jeder sein eigenes Lügennetz spinnen, um den Unwahrheiten der unsichtbaren Feine kühn zu begegnen! Der Humor ist dabei weniger HAHA als eher drollig, aber sehr sympathisch. Das hätte schiefgehen können. Ist es der Bezug auf eine reale Geschichte, der die größten Faxen verhindert? Aber vielleicht ist selbst diese Geschichte nur eine ausgeschmückte Halbwahrheit, die von den Intentionen dutzender Erzähler durchdrungen in den Seilen hängt. Und vielleicht beweist Soderberghs Film, dass man ein Komplott nicht durch Schweigen, sondern durch wahnhafte kommunikative Störfeuer zur Implosion bringen kann.

Radikale Materialentfremdung: es beginnt mit Mais und endet in virtuellem Finanzgeschacher. Dazwischen? Ein als "gestört" bezeichnetes psychisches System, das vom Schnauzbart kommt und zur Plautze wird.

Herrn Damon hätte man das nicht zugetraut. Welch uneitle Rolle, die dann auch noch so treudoof und angemessen gespielt wird! Das hat das Marketing schon berücksichtigt, aber trotzdem. Sehr gut. Jetzt darf er sich auch wieder als Bourne herumschubsen.