11/14/2012

Black Hole, Charles Burns

Noch eine Runde mit diesem. Konsumerlebnis gleichbleibend erschütternd: der Alptraum der erinnerten Adoleszenz zu Beginn des Niedergangs der westlichen Industrienationen, hier im sehr bewaldeten Nordwesten der USA, macht immer noch verlegen. Burns mag sich nur der schwarzen Tinte bedienen und doch schafft er eine Inversion der Geschichte - genau wie die Leiber der Helden sich neu nach innen und außen ausstülpen, so rumpelt die Geschichte dem Strand entgegen. Doch keiner entkommt dem devianten Gewebe.

11/11/2012

Dead Island, Techland

Hier und hier. Das Ding ist länger als gedacht, sehr viele Kapitel spulen sich nach recht einfachen Vorgaben ab: geh da hin, schlachte dich da durch, bring den Koffer oder das Insulin oder die Keule oder die Munition oder den Schlüssel zum Gärtner oder zum Rettungsschwimmer (!) oder zum Militärtypen.

DI lebt von dem Gegensatz Urlaub-Horror, und vor allem die ersten Kapitel sind allein durch diese Lokalisierung originell. In Badehose kann man das faule Fleisch zur Gänze sehen. Im gechlorten Pool sammelt sich das Material am interessantesten. Leider kann man die Meute nicht mit Wasserbällen ablenken.

Das täglich Brot, also das Außer-Funktion-setzen der belebten Leichen, hat sehr feine FX. Dinge brechen und platschen, etwas reißt und etwas zerfasert. Von der Handhabung ist alles aber recht simpel: feine Waffe besorgen und hektisch um die Viecher herumbewegen und zuhauen. Manchen können schneller zuhauen, manche langsamer, und bei mangelnder Pflege zerfällt die Zaunlatte am Jochbogen. Es gibt etwas sechs unterschiedliche Zombietypen, aber irgendwie hat man die irgendwann durch. Dann kommen Menschen. Böse Räuber. Die halten wenig aus, vor allem nicht mit Zaunlatten.

Ist OK. Muss es keinen Nachfolger zu geben.

21 Grams, Alejandro González Iñárritu

Hier und hier. Das wurde sogar im Kino gesehen und ist immer noch ein sicherer Ritt in den Untergang, aber im Guten.

Die Unfähigkeit des Einzelnen, die eigene Biographie zu begreifen und einzusetzen, macht verlegen und nachdenklich. Das ist vor allem ein Problem, da Menschen sich diesen Planeten teilen und manche sogar einen Haushalt und Gene teilen oder teilen wollen. Der Titel suggeriert es: es geht um die banale Materie, um die widerliche Zerbrechlichkeit von Knochen und Arterien und Zukunftsentwürfen.

Stoßstangen, deren Gewicht in Kilogramm und nicht in Gramm etwas zählt, werden stets zäher sein als geschundene Menschenleiber.

Und da ist die Rache: erzwungenermaßen baut sich Aggression auf, wenn Investitionen verfallen oder verschwinden. Bei 21 Grams ist der Übergang von Trauerarbeit zur Wut fließend, und gerade weil viele derartig hochklassig besetzte Filme hier strikt trennen, um die Psychohygiene der Kunden nicht zu erschüttern, ist dieses Produkt lobend zu erwähnen und zu huldigen. Herr Penn ist ja bockig genug, sich nur noch derlei bockige Stoffe auszusuchen. Herr del Toro macht ab und zu noch so einen Quatsch wie Savages, weiß aber auch hier zu punkten - vielleicht sind gerade Christen, die ihren Glauben verlieren, so eine Schau.

Die phantastische Naomi Watts ist allerdings mit ihrer Darstellung allem und jedem überlegen - als nachhaltig ruinierte Mutter geistert sie dahin und nimmt die borstige Schärfe ihrer Umgebung an. Sie wird nur noch von Routinen und small-talk zusammengehalten und steht nicht nur am Rand, sondern wird zum Rand - dieser eindringliche dumpfe Blick und das mädchenhaft-hysterische Gezeter mischen sich zu einer echten Ruine. Kommt schon, Ihr Schweine, heilt das Trauma, redet von fünf Schritten und Abschiednehmen und dem ganzen Dreck, Ihr könnt sie mal. Ach, Frau Watts. Dankesehr.

Die Jungfrauenquelle, Ingmar Bergman

Hier und hier. "Jungfrukällan" - ein feines Wort. Immer diese Europäer! Während Hitchcock 1960 den Karneval von Psycho feiert, liefert Bergman diese Parabel über die Endlichkeit der Familie und mörderische genetische Allianzen ab.



Die Banditen vergewaltigen die jungfräuliche Zukunft der Familie, als selbige fast allein zum Kerzen segnen loszieht (Kerzen! Segnen! Durch den Wald, alleine! Da schüttelt der zynische Millennier den Kopf). die selben Banditen bitten dann bei der Familie um Obdach. Letztere erkennt die Banditen als Mörder ihrer Tochter (Indizien: Kleidung und geraubter Ramsch der Tochter). Dann geht Vati mit strengem Blick ins Dampfbad, geißelt sich fein mit junger Birke, und schmeißt sich auf die Räuber.

Nicht nur die Vergewaltigung, auch die Tötung der Banditen ist mit das herbste, was ohne große Schnitte und treibende Musik in Schwarzweiß erledigt wurde. Herb, ja: vor allem das Röcheln auf der Mono-Tonspur trägt zur Wucht des Filmes bei.

Zwölf Jahre später machte Wes Craven daraus (und aus anderen Dingen) The Last House on the Left.