5/04/2007

The Road, Cormac McCarthy

"Erschütterung" trifft das Leseerlebnis recht gut. Soeben die Lektüre beendet - und es war vortrefflich. Fordernd auch: die ureigene Sprache ist für sich allein schon sensationell und entwickelt durch ihre Knappheit eine enorme Wucht, wie auch in den anderen McCarthy-Werken.

Zyniker mögen sagen, dass The Road der verschärfte Gegenbegriff zu Year Zero oder Mad Max oder anderen Erzeugnissen sei, quasi vom anderen Ende des Spektrums. Die Welt ist kaputt und die Menschen sind wenige - zwei davon, Vater und Sohn, schlagen sich nach Süden durch. McCarthy ergeht sich nicht in einzelnen Splatter-Szenarien und Action-Sequenzen; vielmehr ist das finsterkalte Gesamtbild schon so grauenhaft, dass man das eine oder andere Beispiel an menschlicher Degeneration schon erahnt.

Diese Eindringlichkeit und dieses Thema machen den Bewunderer freilich verdächtig: will der McCarthy-Fan eigentlich den Weltuntergang?

Wie auch schon bei der Borderland-Trilogie und anderen Werken ist eine eklatante Zartheit zu spüren, doch bei The Road wird sie durch die allgegenwärtige Finsternis noch potenziert. Horrorleser und Stephen-King-Adjutanten werden das Buch ebenso schätzen wie Oprah es tat (aus ihrer Edition entstammte das vorliegende Exemplar).

"Perhaps in the world's destruction it would be possible at last to see how it was made."

Wer beim Schluss nicht weint, hat das Buch verpennt.

Wie immer geht der Blick auf die Umgebung des Romans. Den Pulitzer-Preis hatte Mr. McC. schon lange verdient. Es ist aber ein wenig wundersam, dass er ihn für so ein hartes Brett bekommt... spielt da Al Gore's Umweltaktivismus rein oder der Klimawandel (nicht das gleiche!) oder das Fiasko im Irak?

Das beste Buch, dass dieses Jahr durch diese Finger faserte. Echt jetzt!

Year Zero, Nine Inch Nails

Was für eine Vorfreude. Schon seltsam.

Schon die Promotion liess die Hoffnung höher schnellen... da baute sich viel guter Willen auf. Ein Wohlwollen, ein Fortschrittsglaube. Ein Fünkchen Avantgarde und man selber ist ein Teil davon. Die Vorhut, vor den Herden des Pop.

Zur Inszenierung des Albums müssen wohl keine Worte mehr verloren werden. Ist das vielleicht die nächste Version des Bush-Bashings? Herr Reznor kennt offensichtlich Half-Life 2 und Mad Max und Konsorten.

Das Simulakrum des zivilen Widerstandes. Oi-weh.

Aber zur Sache, Schätzchen. Year Zero ist lauter als With Teeth, allerdings hörbar im gleichen Kreativ-Fenster entstanden. Der Vorgänger machte Spass, da nach The Fragile auf einmal wieder echte Songs (mit anfang-mitte-schluss) entstanden. Prägnante 4minüter, perfekt für Arbeit, Spass und Spiel. Year Zero jagt diese Song-Konzepte noch 8 mal durch diverse Verzerrer und klatscht dem Hörer das Endprodukt selbstbewusst um die Ohren. Das macht dann nicht mehr ganz so viel Spass in der Rock'n'Roll-Disco, eher im Klein-Kollektiv.

Downward Spiral war der weite Wurf, aber das zweite Album für die Band. Pretty Hate Machine ist viel eher mir With Teeth und Year Zero verwandt. The Fragile war eine Eskapade, ein bewundernswerter Ausbruch. Bei Year Zero stehen die Vocals nie im Hintergrund. Was Trent macht ist gut, doch es ist m. E. etwas viel. So wirken die Songs seltsam direkt und eindeutiger.

Downward Spiral ging in irren Kreisen ins Selbst hinein, ein Stacheldraht-Jojo ins finstere Zentrum, quasi. Die Verfeierung einer Implosion. Year Zero meint eine neue Zeitrechnung - eine neue, allgemeingültige Masseinheit. Ein Panoramabild, bei dessen Betrachtung sich die Fans in den Armen halten können.

Aber was soll man denn bitte sonst als Band machen, wenn der Man In Black einen schon vorher genialen Song ins Göttliche erhebt und danach (dazu?) stirbt?

Year Zero ist der letzten Pearl Jam ähnlich: Erfreulich und das Geld wert in jeder Beziehung, doch das Erhabene und erschütternd Neue kommt nicht zurück.

Doch, danke. Weiter so. Trent steht auf der guten Seite der Stadion-Musik.

Jetzt aber bitte wieder Radiohead, die fiepen auch.

5/01/2007

Shutter Island, Dennis Lehane

Mystic River als Film war keine Zeitverschwendung und die stadionkompatiblen Leistungen des Ex-Manns von Madonna haben zu Recht einen Preis gewonnen. Von Herrn Lehane habe ich daraufhin eine deutsche Version aus der Gennaro-Kenzie-Reihe gekauft. Lange her. Gewalttätig war's allemal.

Shutter Island ist finster und spielt im finsteren Jahr 1954. Es lebt zum einen von der zeitlichen Nähe zu historischen NS-Verbrechen; eine uramerikanische Naziploitation entsteht, m. E. aber nicht weiter anstössig. Zum anderen drängt sich die genrebekannte Spukschloss-Klaustrophobie (es spielt alles in einer Klapse auf einer Insel) ins Bild.

Lehane lässt die Seiten dahinfliegen. Die eigene Konsumgeschwindigkeit überraschte. Kein meisterlicher Haken scheint der letzte zu sein. Der Plot wird immer noch einmal aufgestachelt. Die zweite Hälfte ist noch schneller als die erste. Das Finale bleibt im Gedächtnis und kann als ein Musterbeispiel für bitterschöne Thrill-Momente herhalten. Man staunt.