8/20/2010

Batman: Arkham Asylum, Eidos Interactive et al.

Verdammt, es ist Batman! Hier. Viel Furcht tat sich eingangs auf beim Konsumenten: manche Entwickler lassen die Lizenz allein das Produkt verkaufen und scheren sich einen Dreck um innovatives Gameplay und ein insgesamt wohliges Konsumerlebnis. Aber Arkham Asylum ist ein gutes Ding, da es sich an den aktuellen Comics orientiert und nicht an den diversen Filminkarnationen des Protagonisten. Auch schön: es nervt kein Robin. Die Optik ist schön gotisch, es gibt eine finstere Insel voller Irrer und am Horizont verbreitet Gotham City einen mattschwarzen Glanz.

Ums Schleichen geht es, denn Bruce Wayne ist ein Mensch. Nur der olle Clark kann sich ins MG-Stakkato werfen. Wenn geprügelt werden darf, dann im Arcade-Stil, bei dem es vor allem um die Optik geht. So soll es sein: wenn das Verbrecherkinn das Bat-Knie berührt, gibt's eine Zeitlupe. Das Auge prügelte schon immer mit, eigentlich macht es kaum etwas anderes.

Aber kurz ist das Spiel. Ein Drittel mehr Spielzeit wäre schon gut gewesen, aber nur wegen der Story: die Spielmechanik hat man dann durch. Wer sich schon die Bat-Claw erweitert hat, der will keine Batarang-Wurfmaschine aus dem Allzweckgürtel zerren. (Echte Fans dürfen manche Episoden mit der Stoppuhr durchspielen und Boni suchen und dergleichen.) Ein Auftritt von Twoface wäre sehr erwünscht gewesen und eine echte Arena-Auseinandersetzung mit Killer Croc auch. Vielleicht in Teil Zwei? Eine Existenzberechtigung hätte jener schon. Und in dieser Reihe könnte man ja auch den Joker wieder auftreten lassen.

Dead Space, Electronic Arts

"I have seen the dark universe yawning
Where the black planets roll without aim,
Where they roll in their horror unheeded,
Without knowledge, or lustre, or name."
— H.P. Lovecraft

Uh, ja. Hier. Der Weltraum ist schon viel zu oft viel zu bunt und hell und lauwarm dargestellt worden. Nieder mit der Todesstern- bzw. Holodeckromantik! Dead Space orientiert sich an Alien oder auch Event Horizon, um die Unbarmherzigkeit der blanken Astrophysik darzustellen.

Die Umsetzung begeistert mehrfach. Sowohl die kleinen Rätsel als auch die süffisanten Feuergefechte (bei denen ständig die Munition ausgeht oder man vor Furcht einfach mal wegläuft) wurden so noch nie gesehen. Sogar das Ableben des Hauptdarstellers trägt zur Atmosphäre bei - klamm und karg verhallen seine Schreie im komprimierten Raum. Und es macht eben doch einen Unterschied, ob man vom Schweißlaser verstümmelt oder vom Sauerstoffmangel erdrückt wird.

Überhaupt Ton: wie wunderfurchtbar kann man das noch machen? Da schabt etwas an der Wand lang, da röchelt etwas hinter der Tür... eine fast so gnadenlose Tonkulisse wie in der ostdeutschen Provinz. Selbst die Akustik der Waffen gibt ihnen erst richtige Wucht und Durchschlagskraft. Am feistesten wird dieser Umstand freilich im gravitationslosen und luftleeren Raum: da sind es nur die stumpfen Vibrationen innerhalt der Anzugspelle, die dem Spieler Feedback geben.

Kein Platz für Fleischlinge im toten Raum. Stärke ist hier Beharrlichkeit: nicht der Zellhaufen überlebt, der einen Namen und einen Auftrag hat, nein, es sind die Mutanten und die Chimären, die einfach genug Zellen und Biomasse ansammeln, um Krallen und Zähne auszubilden. Ah, das Fleisch. Zerbrechlich und doch asteroidenschwer.

Shadowmarch, Tad Williams

Hier. Welch Epos. Ständig etwas los in dieser klassischen fantasy-Klitsche. Freilich gibt es Invasionen: von Außen, von Innen und von der Seite. Williams stellt sich der Genrepflicht und wandelt die Dogmen geschickt um, so dass sie sein eigen werden ohne Erwartungen zu verletzen. Sehr schnell rumpelt der Ochsenkarren voran und in den folgenden drei (!) nochmal so dicken Vehikeln soll dann der Rest des erdachten Kosmos erforscht werden, inklusive seiner Versionen von Orient, Okzident und Nahostkonflikt.

Was bleibt, ist das gute Gefühl, ein umfangreiches Fluchtbuch gelesen zu haben, bei dem kein Platz verschenkt wurde. Mindestens ein Dutzend Charaktere eifern darin herum und es ist eine Freude, ihre Kollisionen mitzubekommen. Aber irgendwie fehlt die Brutalität... die Äxte, die abben Beine, der Kannibalismus... daran ist Abercrombie schuld. Der hatte Epik wie Williams, aber eben auch einen Schlagring neben der Tastatur. Ist ja auch jünger, der Rabauke.

Grand Theft Auto IV, Rockstar Games

Haut die Bullen platt wie Stullen? Hier.

Leicht kann man hier in der Rhetorikmühle der verdorbenen Jugend landen. Pfui, wie unmoralisch, diese kosmische Freiheit des Ungehorsams. In zwei Jahrzehnten sind die nichtspielenden Zeterer aber wahrscheinlich eh verstorben. Das Tagesaktuelle ist im Konsumgraben insgesamt sehr egal, deshalb werden folgende Gedanken notiert.

Ein Knopf bewegt den Avatar in der Welt um ihn herum und der andere ändert die Position des Spielerauges, das sich auf ebenjenen konzentriert. Bewegen und Anschauen. Das (und ein herrlich diverses Waffenarsenal) reicht. Bei Doom war Bewegen und Anschauen noch eins.

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird mit Liberty City wunderbar überzeichnet. Es sind die Einwanderer und andere demographisch Auffällige, die hier für Aktionen und Reaktionen und Massaker sorgen. Durchpflügt wird alles von Nico, dem Veteranen vom Balkan. Neue Welt, alte Welt: letztlich sind Ortsnamen nur Dekoration. Die alte Noir-Schule: keiner kommt hier narbenfrei rein oder raus. (Auf der Strukturebene bleibt freilich alles blütenweiß: die Stadt kann nicht dauerhauft beschädigt werden und Nico verliert keine Finger oder Augen. Ist das nicht beruhigend? Sturmgewehre im Berufsverkehr und morgen wird alles wieder gut sein - eine der Explosionen muss die letzte sein...)

Wundervolle Metapher dabei ist der Autoklau: man nimmt sich das, was man braucht, also einen temporären Käfig, mit dem in der Außenwelt navigiert werden kann. Durch die Autotür gerät man in die Geschwindigkeitswelt, die aus mehr besteht als die statische Stadt auf einer endlichen Anzahl Inseln. Und wer zu fix gebremst wird, steigt durch die Frontscheibe wieder aus.

Der Spieler ist kein Aufdecker, kein private eye, sondern ein Mitmacher. Der kleine arme Serbe in der Fremde ist ein Korrumpierer im (außergerichtlichen oder metajudikativen?!) Korruptionsprozess: es herrscht die Direktive des Überlebens, aber eine Vielzahl von Methoden treffen aufeinander. Bei GTA4 ist sogenannte Kriminalität auf der Inhaltsebene das Dogma der Strukturebene: subversiv sein, nie schlafen, eine Geschwindigkeitsparanoia entwickeln.

Ommmmm... und jener Text könnte sogar auf einem der Radiosender in einem der Wagen in der Spielwelt gefaselt werden. Jawohl, so reflektierend ist dieses Produkt. Wenn ein Spiel weiß, was es ist, was bleibt dem Spieler dann zu tun?

Ist doch nur Spaß.